«1906». Der Zusammenbruch der alten Welt. Grautoff Ferdinand Heinrich
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СКАЧАТЬ Heimat … ja Heimat … aber erst der Krieg … Kriegsschiff … Kriegs … schiff … Einerlei, hier stand man auf Posten, der Schutz Samoas, und man würde ja auch nicht allein gelassen werden. „Des Dienstes ewig gleichgestellte Uhr“, hatte das nicht der Alte damals gesagt? Nein, nicht Dienst: Pflicht.

      Leise plätschernd schlugen die Wellen gegen den schlanken Leib der „Möwe“. Hin und wieder schnellte ein Fisch empor und fiel klatschend wieder aufs Wasser zurück. Knarrend drehte sich nur manchmal eine Stenge oder ein Tau im leichten Nachtwinde. Sonst Totenstille. Auch im Gouvernementsgebäude am Strande erlosch in dieser Nacht das Licht nicht.

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      Die nächsten Tage verliefen völlig ruhig. Die Mannschaft der „Möwe“ erhielt keinen Landurlaub mehr. Nur die Dampfpinasse fuhr mehrmals am Tage zwischen dem Gouvernementsgebäude und dem Kriegsschiff hin und her. Dr. Solf teilte dem Kommandanten am 10. März ein amtliches Chiffretelegramm mit, das letzte, welches er aus der Heimat erhielt. Es lautete – vorsichtig abgefaßt, im Hinblick auf eine mögliche Entzifferung von unberufener Seite – „Handelt im Einvernehmen mit ‚Möwe‘. Gefahr drohend von Washington und London. ‚Thetis‘ und ‚Cormoran‘ unterwegs.“ So konnte man binnen einiger Tage auf das Eintreffen der beiden Schiffe, des ersten von Batavia, des zweiten von Jaluit aus hoffen. Bereits machte sich die Bedeutung des englisch-amerikanischen Kabelmonopols geltend. Obige Depesche war wie erwähnt das letzte Chifferntelegramm, das überhaupt auf dem amerikanischen Kabel über Pago-Pago weitergegeben wurde. Es war vorsichtigerweise schon an eine Mittelsperson gerichtet.

      Mindestens so gut wie auf deutscher Seite, waren die englischen und amerikanischen Einwohner Apias über die politischen Vorgänge in Europa unterrichtet. Die Konsuln beider Länder standen in steter telegraphischer Verbindung mit ihren Regierungen. Den Depeschenverkehr schon jetzt einer Zensur zu unterwerfen, lag für die deutsche Behörde einstweilen kein völkerrechtlicher Grund vor. Daß man genügend informiert war, zeigte sich in dem sehr zurückhaltenden Benehmen der Engländer und Amerikaner gegenüber den Deutschen. Man ging sich gegenseitig aus dem Wege. Im übrigen zeigte Apia sein alltägliches Aussehen, und nichts ließ äußerlich darauf schließen, daß die Luft mit elektrischem Fluidum gesättigt war.

      Die „Möwe“ blieb ruhig vor dem Hafen liegen. Der kleine, wackelige englische Postdampfer „Kawau“, der den Verkehr Samoas mit der Außenwelt vermittelt, fuhr noch am 12. März mit zahlreichen amerikanischen Passagieren nach Pago-Pago auf Tutuila ab.

      Unter der Hand verständigte ein schnell gebildetes Komitee der deutschen Bewohner Apias den Gouverneur, daß „im Ernstfall“ die Kolonie, meistens gediente Leute, sofort aus sich selber heraus eine Schutztruppe bilden würde, und Herr Dr. Solf nahm, da die samoanische Polizeitruppe von 30 Mann doch nur ein fragwürdiges Kriegsinstrument war, das Anerbieten an – auf alle Fälle. Er unterrichtete auch das Komitee davon, daß die in einem Schuppen hinter dem Gouvernementsgebäude liegenden Armeegewehre „im Ernstfall“ zur Verfügung ständen. So war man, wenn auch nicht gerüstet, so doch vorbereitet.

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      Am Nachmittag des 13. März erschien am westlichen Horizont eine Rauchwolke, und kurz vor 5 Uhr warf ungefähr 200 m seewärts von der „Möwe“ der englische Kreuzer „Tauranga“, von Sidney kommend, Anker, ein alter Bekannter auf der Reede von Apia. Nach Erledigung der vorschriftsmäßigen Salutschüsse ließ sich der britische Kommandant an Land setzen, um dem Gouverneur einen Besuch zu machen. Dr. Solf ersuchte unter Hinweis, daß von seiten der „Möwe“ dasselbe geschehe, den Engländer, bei den gegenwärtigen Mißhelligkeiten, deren Einfluß sich schon bis Apia geltend machte, seiner Mannschaft einstweilen keinen Landurlaub zu geben, was Kapitän Hopkins auch bereitwillig zusagte. Hierauf verweilte er eine halbe Stunde – ein längerer Besuch wäre aufgefallen – im englischen Konsulat und fuhr dann an Bord der „Möwe“. Ein etwas wärmerer Ton kam in die anfangs streng förmliche Unterhaltung, als beide Schiffskommandanten sich als Kameraden vom Seymourzuge auf Peking erkannten. Noch an demselben Abend erwiderte Kapitänleutnant Schröder den Besuch auf der „Tauranga“.

      Am Abend desselben Tages wurde dem Gouverneur gemeldet, daß ein amerikanischer Missionar von Eingeborenen windelweich durchgeprügelt worden sei, weil er durch reichliche Schnapsspenden und durch klingende Dollars versucht hatte, einige ehemalige Anhänger Malietoas gegen die Deutschen aufzuwiegeln. Der treffliche Seelenhirte – man sagte ihm nach, er habe vor seiner „Erweckung“ einen längeren Urlaub nach Sing-Sing (dem bekannten amerikanischen Gefängnis) gehabt – war bei seinem sauberen Handel von zwei Soldaten der eingeborenen Polizeitruppe überrascht worden, die alsbald die Rolle des Richters Lynch übernahmen und den Reverend weidlich verdraschen. Der amerikanische Konsul sandte alsbald ein amtliches Schreiben: „Hoffentlich (I hope sincerely) genössen doch amerikanische Untertanen auch unter den gegenwärtigen Umständen den Schutz der deutschen Regierung“.

      Die Sache war fatal wegen der Beteiligung der beiden Polizeisoldaten.

      Dr. Solf teilte dem Konsul mit, beide Übeltäter säßen bereits im Arrest, er bäte ihn aber, seinen Einfluß dahin geltend zu machen, daß sich amerikanische Untertanen auch jeder politischen Wühlerei enthielten, nur dann könnte er garantieren usw.

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      Am 15. März beschwerte sich der englische Konsul, daß betrunkene Eingeborene – der Schnaps stammte von dem amerikanischen Seelenhirten – nachts in einige englische stores eingebrochen seien. Hierauf erließ Dr. Solf eine strenge Verfügung, die jede Verabfolgung von Spirituosen an Eingeborene oder Chinesen mit strengen Strafen belegte.

      Am Nachmittage erschienen auf der Reede der amerikanische Kreuzer „Wilmington“ und der von Sidney kommende englische Kreuzer „Wallaroo“ und ankerten neben der „Tauranga“. Am späten Abend fuhr vom „Wilmington“ ein Boot an Land; ein Offizier begab sich ins amerikanische Konsulat und kehrte von dort erst spät wieder an Bord zurück. Ein Zollwächter berichtete, man habe zwei schwere Kisten aus dem Boot ins Konsulat geschafft; seiner Ansicht nach könnten sie nur Gewehre enthalten.

      Um die Sache aufzuklären, ließ sich Dr. Solf auf 9 Uhr am anderen Morgen beim amerikanischen Konsul anmelden. Er teilte ihm mit, was ihm gemeldet sei, und machte den Konsul darauf aufmerksam, daß das Waffeneinfuhrverbot nach wie vor bestehe. Der Konsul Mr(!) Schumacher wollte nichts von Kistentransporten und gar nichts von Gewehren wissen.

      Zwei Stunden darauf wurde einem eingeborenen Arbeiter auf einer amerikanischen Plantage, ein verdächtiges Paket abgenommen, das drei amerikanische Marinekarabiner enthielt. Der Bursche konnte entfliehen, die Waffen wurden ins Gouvernementsgebäude gebracht. Dr. Solf sandte Mr. Schumacher ein offizielles Schreiben, in dem er seine Warnung wiederholte.

      Am Nachmittage bat Dr. Solf sämtliche Schiffskommandanten und beide fremden Konsuln zu einer Konferenz zu sich. In kurzen Worten skizzierte er die politische Lage und bat die Vertreter der fremden Mächte, alles zu tun oder zu unterlassen, was zu einer Störung des Friedens führen könnte.

      Es herrschte eine schwüle Atmosphäre in dem engen Raum. Die Besprechung hatte etwas Gezwungenes, und das gegenseitige Vertrauen fehlte. Plötzlich fiel ein Schuß draußen, wildes Geschrei folgte.

      Der Kommandant des „Wilmington“ eilte in nervöser Hast ans Fenster.

      Draußen wurde ein Chinese mit Kolbenstößen von eingeborenen Polizeisoldaten in den kleinen Vorhof geführt, welcher zum Gouvernement gehört. Eine Ordonnanz trat ein und meldete, der Chinese habe nach kurzem Wortwechsel einen Polizeisoldaten auf offener Straße erschossen.

      Erschossen??!

      Hier ist das Gewehr; die Ordonnanz überreichte es.

      Ein Zucken ging über Dr. Solfs bartloses Gesicht. Er stieß den Kolben des Gewehres mit kraftvoller Hand schmetternd auf den Fußboden, trat, die Faust an dem Gewehrlauf, an den Beratungstisch, СКАЧАТЬ