Название: Die Welt auf Schienen
Автор: Fürst Artur
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
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Jetzt verlegte List seine Tätigkeit nach Frankreich. Doch auch hier konnte er nichts Rechtes erreichen, weil man in Frankreich zu jener Zeit die Eisenbahnaktien als geeignete Gegenstände für das Börsenspiel ansah, wodurch der Gegenstand für List nicht mehr verlockend war.
Als er nach Deutschland zurückkehrte, erhielt er davon Kenntnis, daß die geplante Linie von Halle nach Kassel eine Richtung bekommen sollte, die sehr dazu geeignet war, das Gedeihen der thüringischen Länder zu schädigen. Sofort wies er in der ihm eigenen tatkräftigen Art nach, daß es wichtiger sei, Städte wie Eisenach, Gotha, Erfurt und Weimar zu berühren, als eine kürzere Linie unter Vermeidung der alten thüringischen Landesstraße zu schaffen. Wirklich setzte er eine Abänderung der Linienführung in seinem Sinn durch. Zum Dank erhielt er nichts als ein Geschenk von 100 Louisdor für diese Tätigkeit, die, wie man anerkannte, die thüringischen Staaten „von tödlicher Gefahr gerettet hatte“.
Auch in Bayern, wo man jetzt recht lebhaft an den weiteren Ausbau der Eisenbahnen ging, bot List seine Dienste an, überall stellte er seine großen Erfahrungen auf diesem Gebiet zur Verfügung. Er wurde viel befragt, leistete überall Hilfe, aber nirgends kam es zu einer Anstellung, die er nun recht gern gehabt hätte.
Es bemächtigt sich Lists allmählich eine tiefe Verstimmung über den Undank der Welt. Bevor jedoch die Trübsal allzusehr Herr über seinen Geist werden konnte, schuf er noch sein größtes volkswirtschaftliches Werk, das „Nationale System der politischen Ökonomie“. Es erschien 1841 und hat ihn als Volkswirtschaftler unsterblich gemacht.
Ein mit Arbeit bis zum Rand angefülltes Leben hatte List nicht zu einem wohlhabenden Mann gemacht. Die Sorge um seinen Lebensunterhalt wurde vielmehr immer ärger. Es gesellten sich körperliche Leiden hinzu, die ihn befürchten ließen, daß er bald überhaupt nicht mehr imstande sein würde, geistig zu arbeiten. Immer deutlicher sah der rasch Alternde ein, daß sein Streben für Deutschlands Größe ihm nichts anderes gebracht hatte, als den Verlust seines Vermögens und die Unmöglichkeit des Vorwärtskommens. In einem Brief aus jener Zeit macht er eine recht trübselige Zusammenstellung:
„Als ich im Jahr 1831 aus Amerika zurückkam, hatte ich mir wieder ein unabhängiges Vermögen erworben. Durch mein Bestreben, den Eisenbahnbau und eine nationale Handelspolitik emporzubringen, glaubte ich mich um mein Vaterland verdient zu machen und mich wenigstens bei meinem Vermögen erhalten zu können. Mein Lohn aber war Verfolgung und der Verlust eines großen Teils meines Vermögens.
„Jetzt den Sechzigern nahe und von körperlichen Übeln heimgesucht, sehe ich nur mit Besorgnis in die Zukunft, ja ich traue mir nicht einmal mehr die Kraft zu, zum zweiten Male nach Nordamerika auszuwandern, wohin mich meine dortigen Freunde rufen, und wo ich leicht in einigen Jahren mich wieder erholen könnte.“
Es ist zu einer neuen Übersiedlung nach Amerika wirklich nicht mehr gekommen. Als List, von Kopfschmerzen und anderen Leiden gequält, eine Reise nach Meran antrat, gelangte er nur bis Kufstein. Dort brach er körperlich zusammen, und eines Tags, am 30. November 1846, fand man seine Leiche halb verweht im Schnee. Er hatte sich erschossen.
Im äußersten Winkel des großen Deutschen Reichs, für das sein Herz sein Leben lang geschlagen hatte, mußte dieser Mann verlassen und verzweifelt ein trauriges Ende finden. Er hat einen echten Märtyrertod erlitten.
„Armer Freund,“ so rief ihm Heinrich Laube ins Grab nach, „ein ganzes Land konntest du beglücken, aber dies Land konnte dir nicht einen Acker Erde, konnte dir nicht ein warmes Haus geben für die traurige Winterzeit des Alters! Dieser Fluch des zerrissenen Vaterlands, in welchem man so kinderleicht heimatlos werden kann, in welchem das Genie selbst niemand angehören darf, dieser Fluch hat dich im Schneesturme oberhalb Kufsteins in den Tod gejagt, und unsere Tränen, unsere Lorbeerkränze, was sind sie deiner verwaisten Familie?!“ —
Die Strecke Leipzig-Dresden war nach Lists Fortgang aus seinem Wirkungsort weiter gebaut worden. Wie schon angedeutet, hatte man die von dem geistigen Urheber vorgeschlagene Linienführung verworfen und, nach dem Rat eines englischen Fachmanns, die von dem Oberingenieur Kunz empfohlene Strecke ausgeführt. Diese erforderte eine schwierige Überschreitung der Elbe und viele andere Kunstbauten, wodurch sehr große Ausgaben entstanden. Auch den Rat Lists hatte man verworfen, zunächst möglichst billig zu bauen, um später, wenn das Unternehmen selbst schon Ertrag abgeworfen hätte, einen teureren Unterbau auszuführen. So kam es, daß das Aktienkapital unter großen Schwierigkeiten von 11⁄2 auf 41⁄2 Millionen Mark erhöht, also verdreifacht werden mußte.
Von Leipzig bis Wurzen wurde der Bau mit Flacheisen auf Langschwellen nach der auf wiedergegebenen Form ausgeführt. Diese Bauart bewährte sich jedoch so schlecht, daß man bereits für die Fortsetzung zu schwereren Schienen in der Breitfußform nach Vignoles überging. Auch die Anfangsstrecke mußte nach 31⁄2 Jahren für diese Schienen umgebaut werden, da damals bereits alle Langschwellen verfault waren. Die Hauptkunstbauten auf der Strecke waren der tiefe Einschnitt von Machern, die Elbbrücke bei Riesa, die Talüberbrückung bei Röderau und der Tunnel bei Oberau. Dies war der erste Tunnelbau in Deutschland. Seine Länge betrug nur 500 Meter.
Am 24. April 1837 war das Teilstück von Leipzig bis Althen fertiggestellt. Erst am 8. April 1839, später als andere durch sie veranlaßte deutsche Linien, wurde die ganze Strecke unter lebhafter Teilnahme der Bevölkerung eröffnet. Sie hatte eine Länge von 115 Kilometern. Im Anfang fuhren täglich nur zwei Personen- und zwei Güterzüge zwischen Dresden und Leipzig hin und her.
Dennoch trug die Linie zur Belebung des gesamten Verkehrs in Mitteldeutschland sehr lebhaft bei und zog die Ausführung anderer Eisenbahnstrecken unmittelbar nach sich. Die Dresdner Gasthöfe, die im Jahre 1838 nur 7000 Fremde beherbergten, hatten im genannten Eröffnungsjahr bereits mehr als 40 000 Gäste aufzunehmen. Auch der Güterverkehr entwickelte sich bald sehr lebhaft.
Die Fahrgäste der dritten Klasse wurden in offenen Wagen befördert, die der zweiten in solchen mit einem Dach, aber ohne Fenster; nur wer eine Fahrkarte erster Klasse gelöst hatte, durfte in einem gänzlich geschlossenen Wagen Platz nehmen. Es kamen auch große offene Güterwagen zur Verwendung, auf welche die Fuhrleute ohne weiteres mit ihren Pferden hinauffuhren, ohne diese auszuspannen. So gelang es der Eisenbahn recht rasch, auch die Lastenförderung auf der Straße an sich zu ziehen, da die Zeitersparnis außerordentlich war und die Kosten der Fahrt kaum mehr betrugen als die Abgaben, die beim Vorbeifahren an den vielen Schlagbäumen zwischen Leipzig und Dresden zu entrichten waren.
8. Die Entwicklung des deutschen Netzes
Die Kraft, mit der Friedrich List den Eisenbahnfunken in Deutschland angeblasen, hat dafür gesorgt, daß er hier niemals wieder zum Erlöschen gekommen ist. Zunächst entwickelte sich aus ihm eine schmale Flamme, dann aber breitete diese sich als lodernder Brand nach allen Richtungen des Reichs aus. Die Eisenbahnbegeisterung erfaßte schließlich jeden, und mit überraschender Geschwindigkeit wurden die Grundlinien des heutigen gewaltigen deutschen Eisenbahnnetzes gezogen, deren Verlauf sich so eng an Lists Grundplan anschließt.
Bevor noch die Strecke Leipzig-Dresden ihren Betrieb eröffnet hatte, unter der bloßen Einwirkung des vielversprechenden Gründungsvorgangs, war die erste Eisenbahnlinie in Preußen zustande gekommen.
Dem Justizkommissar J. C. Robert und dem Bankier L. Arons wurde auf ihre Eingabe an den damaligen Handelsminister, Wirklichen Geheimrat Rother, die Erlaubnis zur Anlegung einer Eisenbahnlinie zwischen СКАЧАТЬ