Ein Stück Lebensgeschichte, und andere Erzählungen. Lagerlöf Selma
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СКАЧАТЬ Heim zu retten, was sie noch retten konnte: die lieben alten Geschichten, den fröhlichen Frieden der sorglosen Tage und die schöne Landschaft mit dem langgestreckten See und den blauschimmernden Hügeln.

      Aber ihr, die gehofft hatte, sie würde es doch einmal lernen, ein Buch zu schreiben, das die Menschen lesen wollten, – ihr war es, als hätte sie damit preisgegeben, was sie im Leben am liebsten erringen wollte. Es war das schwerste Opfer, das sie je gebracht hatte.

      Ein paar Wochen später befand sie sich wieder in ihrem Heim in Landskrona und setzte sich an den Schreibtisch. Sie begann zu schreiben; sie wußte nicht recht, was es werden sollte, aber sie wollte keine Angst haben vor den starken Worten, den Ausrufen, den Fragen. Auch wollte sie keine Furcht davor haben, sich selbst zu geben mit ihrer ganzen Kindlichkeit und allen ihren Träumen. Und als sie sich so entschlossen hatte, begann die Feder fast von selbst zu fliegen. Es versetzte sie beinahe in einen Taumel, sie wußte vor Entzücken nicht aus noch ein. Seht, das hieß schreiben! Unbekannte Dinge und Gedanken – oder richtiger gesagt, etwas, von dem sie nicht geahnt hatte, daß sie es in ihrem Hirn besaß – drängten sich aufs Papier. Die Seiten füllten sich mit einer Schnelligkeit, von der sie sich nie hatte träumen lassen. Wozu sie sonst Monate, ja Jahre gebraucht hatte, um es auszuarbeiten, das wurde nun in ein paar Stunden fertig. An diesem Abend schrieb sie die Erzählung von der Wanderung der jungen Gräfin über das Eis des Löfven und von der Überschwemmung bei Ekeby nieder.

      Am nächsten Nachmittag verfaßte sie die Szene, in der der gichtbrüchige Fähnrich Rutger von Örneclou versucht, sich aus dem Bett zu erheben, um La Cachuca zu tanzen; und am folgenden Abend entstand die Geschichte von dem alten Fräulein, das auszog, den geizigen Pastor von Broby zu besuchen.

      Nun wußte sie sicher: sie konnte das Buch in diesem Stil schreiben; aber ebenso sicher war sie, daß niemand die Geduld haben würde, es zu lesen.

      Übrigens ließen sich nicht viele Kapitel so in einem Atemzuge schreiben. Die meisten erforderten lange Arbeit; und sie konnte sich nur ganz kurze Weilchen an den Nachmittagen der Schriftstellerei widmen. Als sie ein halbes Jahr lang geschrieben hatte, von dem Tage an gerechnet, da sie sich der Romantik in die Arme geworfen hatte, waren ein Dutzend Kapitel vollendet. Es war vorauszusehen, daß das ganze Buch in drei bis vier Jahren fertig sein würde.

      Es war im Frühling 1890, als die Zeitschrift Idun die Einladung zu einer Preiskonkurrenz für Novellen im Umfang von ungefähr hundert Druckseiten ergehen ließ.

      Dies war ein Ausweg für eine Saga, die erzählt werden und in die Welt hinausziehen wollte. Und die Saga war es wohl, die die Schwester der Lehrerin dazu brachte, diese anzueifern, sie solle die Gelegenheit benützen. Hier lag nun endlich eine Möglichkeit, zu erfahren, ob das Geschriebene so ganz zu verwerfen wäre. Wenn es den Preis bekäme, wäre viel gewonnen. Bekam es ihn nicht, so stünde sie nur auf demselben Standpunkt wie zuvor.

      Sie hatte nichts dagegen einzuwenden, aber sie hatte so geringes Vertrauen zu sich selbst, daß sie zu keinem Entschluß kommen konnte.

      Endlich, knapp acht Tage vor Ablauf der Einlieferungsfrist entschloß sie sich, fünf Kapitel aus dem Romane herauszuheben, die so ziemlich zusammenhingen, so daß sie den Eindruck einer Novelle machten, und sich damit am Wettbewerb zu beteiligen.

      Aber diese Kapitel waren durchaus noch nicht fertig. Drei von ihnen waren notdürftig erzählt, aber zu den übrigen zwei war kaum ein Entwurf vorhanden. Und dann mußte ja noch alles ins Reine geschrieben werden.

      Dazu kam, daß sie gerade damals nicht bei sich zu Hause war. Sie war auf Besuch bei ihrer Schwester und ihrem Schwager, die noch oben in Värmeland wohnten. Und wer gekommen ist, für kurze Zeit liebe Freunde zu besuchen, kann seine Tage ja nicht am Schreibtisch verbringen.

      Sie schrieb also in den Nächten und saß in dieser Woche jede Nacht bis vier Uhr auf.

      Endlich fehlten nur vierundzwanzig Stunden an der kostbaren Zeit. Und noch waren zwanzig Seiten zu schreiben.

      Diesen letzten Tag waren sie eingeladen. Die ganze Familie sollte fortfahren und über Nacht ausbleiben. Sie mußte natürlich mit.

      Endlich nahm die Gesellschaft ein Ende, und sie saß bei Nacht in dem fremden Hause und schrieb.

      Es war ihr recht wunderlich zumute. Das Haus, wo sie als Gast weilte, war eben das, wo der böse Sintram gewohnt hatte. Das Schicksal hatte sie in wunderlicher Weise gerade in dieser Nacht hergeführt, wo sie über ihn zu schreiben hatte, der in dem Schaukelstuhl saß und sich wiegte.

      Zuweilen blickte sie von der Arbeit auf und horchte in den Salon hinüber, ob dort draußen nicht am Ende ein paar Schaukelstuhlkufen in Gang wären.

      Doch sie hörte nichts, und als in der Frühe die Uhr sechs schlug, waren die fünf Kapitel fertig.

      Im Laufe des Vormittags fuhren sie auf einem kleinen Lastdampfer nach Hause. Dort machte ihre Schwester ein Paket, verschloß es mit Lack und Siegel, die zu diesem Zwecke von zu Hause mitgenommen worden waren, schrieb die Adresse und schickte die Novelle ab.

      Dies geschah an einem der letzten Tage im Juli. Gegen Ende August enthielt die Zeitschrift Idun eine Notiz, daß mehr als zwanzig Preisnovellen bei der Redaktion eingelaufen seien; aber ein paar davon seien so wirr geschrieben, daß sie nicht mitgezählt werden könnten.

      Da gab sie es auf, noch weiter auf den Ausgang zu warten. Sie wußte schon, welche Novelle so wirr war, daß sie nicht mitgezählt werden konnte.

      Im November bekam sie eines Nachmittags ein wunderliches Telegramm. Es enthielt nur die Worte »Jubelnde Glückwünsche« und war von drei ihrer Kameradinnen aus dem Seminar unterzeichnet.

      Es erschien ihr recht lang, das Warten bis zur Mittagsstunde des nächsten Tages, wo die stockholmer Zeitungen ausgeteilt wurden. Und als sie die Zeitung in der Hand hatte, mußte sie lange suchen, ohne etwas zu finden. Endlich entdeckte sie auf der letzten Spalte eine kurze Notiz in kleinem Druck, die mitteilte, daß sie den Preis erhalten hatte.

      Vielleicht wäre das für einen andern nicht so viel gewesen, aber für sie bedeutete es, daß sie sich dem Lebensberuf widmen durfte, nach dem sie sich ihr ganzes Leben lang gesehnt hatte.

* * *

      Dem ist wenig hinzuzufügen. Die Saga, die in die Welt hinaus wollte, war ihrem Ziele nun ziemlich nahe. Jetzt würde sie wenigstens geschrieben werden, wenn es gleich einige Jahre dauerte, bis sie fertig würde.

      Sie, die sie schrieb, war zu Weihnachten, nachdem sie den Preis bekommen hatte, nach Stockholm gereist.

      Der Redakteur der Zeitschrift Idun erbot sich, den Roman zu drucken, sobald er fertig wäre.

      Ja, wenn sie nur die Zeit finden könnte, ihn zu schreiben.

      An dem Abend, bevor sie wieder nach Landskrona fahren sollte, saß sie bei ihrer alten treuen Freundin, der Baronin Adlersparre, und las der einige Kapitel vor.

      Esselde hörte zu, so wie nur sie zuhören konnte, und sie war voll Interesse. Nachher blieb sie schweigend sitzen und versank in Grübeln.

      »Wie lange wird es dauern, bis es ganz fertig ist?« fragte sie schließlich.

      »So drei bis vier Jahre.«

      Sie gingen auseinander; aber am nächsten Morgen, zwei Stunden, bevor sie Stockholm verlassen sollte, kam ein Billett von Esselde mit der Bitte, sie möge sie vor der Abreise besuchen.

      Die alte Baronin war in ihrer bestimmten und entschlossenen Stimmung. »Du mußt dir jetzt für ein Jahr Urlaub nehmen und das Buch fertig schreiben. Das Geld will ich beschaffen.«

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