Название: Das Nest der Zaunkönige
Автор: Gustav Freytag
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
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»Gutwilliger als du will ich dir verkünden, was wir hier im Kloster vernahmen,« begann Immo versöhnt. »Ein Heereszug steht bevor und gewaltiges Getöse von Speer und Schild. Die Herrschaft des neuen Königs Heinrich, dem die Völker im vorigen Jahre den Herrenstuhl erhöht haben, zerreißt in Stücke, sein ganzes Reich gleicht unserer Eisbahn auf der Fulda, als sie beim Tauwind brach. Überall schlagen die Eisschollen gegeneinander. Täglich erzählen in unsern Herbergen die Gäste und die armen Wanderer, daß alles schwankt, was fest war. Der streitbare Held Hezilo, der Babenberger, hat sich machtvoll gegen den König erhoben, mit ihm verbunden ist der eigene Bruder des Königs, dann der tapfere Graf Ernst, von dem alle Spielleute singen, auch die Slawenherzöge und viele Fürsten des Reiches. Die Mönche behaupten, daß der König geringe Hoffnung hat, seinen Feinden zu widerstehen. Die Grafen hier in der Nähe rufen ihre Dienstmannen, werben Reisige und treiben Rosse und Rinder in ihre Burgen, keiner traut dem andern und alle schreien, daß der große Streit um das Reich ausgefochten werden soll, sobald die Ernte von den Feldern herein ist. Ich aber hoffe, wenn erst die Waffen um Wigberts Haus dröhnen, wird auch mir gelingen hinauszufahren.«
»Sinnst du so Arges,« sprach Rigbert unwillig, »dann ist dir jedes Wort schädlich, das ich aus der Fremde berichtete und mich reut's, daß ich dir den Frieden der Seele verstörte.«
»Hoffst du hier im Kloster Frieden zu finden?« frug Immo lachend, »bald wirst du merken, daß die Väter in der Klausur grade so zwieträchtig gegeneinander stehen wie die Kriegsleute draußen. Denn unser Abt, Herr Bernheri, will dem König dienen, Tutilo aber ist ein Oheim des Babenbergers Hezilo. Oft hören wir durch den Zaun Geschrei der Mönche und heftige Worte, bald für König Heinrich, bald für den Hezilo.«
Rigbert wandte sich schweigend der Treppe zu.
»Nur eins sage mir noch, bevor sie dich einsperren,« rief Immo, indem er mit großem Satz zu dem Mönche sprang und seine Hand faßte, »denn lange habe ich nach dir ausgesehen und diese Stunde erwartet. Vernahmst du daheim Gutes oder Böses von dem Manne, der den Söhnen Irmfrieds feindselig denkt, obgleich er der Bruder ihres toten Vaters ist. Hast du vernommen, für welchen König mein Oheim Gundomar in das Feld reitet?«
»Er weilt, wie die Landsleute sagen, beim König Heinrich, dem er seit lange vertraut ist, und man rühmt ihn als gewaltigen Kriegsmann.«
»Wir aber haben wenig Treue von ihm erfahren. Nur einmal sah ich ihn, als ich noch ein Kind war, da schleuderte er mich aus seinem Wege, daß ich mit blutendem Haupt auf dem Boden lag. Mir wäre willkommener, gegen ihn im Felde zu stehen als an seiner Schwertseite. Doch wir von der äußeren Schule sind alle für König Heinrich.«
Während Immo mehr zu sich selbst als zu dem Mönche sprach, glitt dieser lautlos die Treppe hinab. Immo stand allein und seufzte schwer. Was er aus der Heimat gehört hatte, machte ihm das Herz nicht leichter und der neue Lehrer war ihm vollends nicht zur Freude. Noch einen Blick warf er vom Turme hinab, um dem Tutilo oder andern Dekanen nicht über den Weg zu laufen, dann eilte er abwärts und wand sich zwischen Gebäuden und Hecken den Gärten zu. Da er hinter sich Tritte von Männern und Pferden hörte, fuhr er durch eine Lücke des Zauns, die ihm wohlbekannt war, auf die andere Seite der grünen Wand und pries sein gutes Glück, als er aus dem Versteck den gefürchteten Tutilo erkannte, welcher, zur Reise gerüstet, neben einem fremden Kriegsmann dem Ausgange zuschritt. Immo wußte, daß der Fremde seit dem Morgen im Gasthaus des Klosters lag und wunderte sich über die Vertraulichkeit, mit welcher der Reisige den stolzen Mönch behandelte, denn er ging, sein Roß am Zügel führend, sorglos auf der Ehrenseite und trug den schlechten Eisenrock mit der Haltung eines Fürsten. Während Immo vom Wege wich, wechselten die beiden den Scheidegruß. »Lebe wohl, Vetter,« sprach der Fremde, »unlustig war diesmal mein Sitz an deiner Gastbank, denn die neugierigen Augen deines Volkes und die gewundenen Fragen machten mir Sorge.«
Tutilo lächelte. »Viele der Wigbertleute kennen den Grafen Ernst von Angesicht und wohl alle haben von deinem Heldenwerk vernommen, welches die Wanderer rühmen. Grade deinetwegen schwärmt heut mein ganzes Volk in der Ferne auf grünem Rasen, der Pförtner aber ist mir treu. Dennoch rate ich, daß du ohne Säumen aufbrichst. Vertraue mir, ich hindere die Reise zum Könige, welche unser Abt den Dienstmannen des Klosters bereitet.«
»Denke auch daran,« unterbrach ihn der Fremde eifrig, »uns das Land offen zu halten für den Zug unserer Heerhaufen, welche wir aus Sachsen und Thüringen erwarten. Denn ich kenne den falschen König, er ist behend wie ein Wiesel und seine Augen sind bei Tag und Nacht geöffnet, ich sorge, er reitet eher ins Feld als wir. Lebe wohl, Vetter, sehe ich dich wieder, so rüstest du mir ein Festmahl in der Abtei.«
Der Mönch sprach den Segen und der Fremde schwang sich auf das Roß. Als der Hufschlag in der Ferne verklang, schritt auch Tutilo der Pforte zu, an welcher ihn Reinhard erwartete.
Immo harrte, bis alles um ihn still war, dann spähte er durch die Tür des Arzneigartens, und als er den alten Sintram darin sah, trat er vorsichtig ein und näherte sich dem Mönch, welcher mit dem Grabscheit vor einem kleinen Gesträuch stand und unverwandt eine Blume betrachtete. Der Jüngling sprach seinen Gruß, der Alte nickte ihm freundlich zu, gab ihm das Grabscheit in die Hand und wies auf das Beet, an dem er gegraben hatte. Geduldig begann Immo die unwillkommene Arbeit, der er sich nach Klostersitte nicht entziehen durfte.
Unterdes beharrte Sintram vor dem Strauch, bis er endlich in seiner Freude das Schweigen brach: »Sieh diese Rose, die ein Bruder dem Wigbert aus Gallien gebracht hat; wie eine Kugel war sie geschlossen, aber die liebe Sonne hat ihr den Mund geöffnet; blicke hinein, schöne Farben hat sie und zahllose Blätter. Halte deine Nase näher heran, denn die Würze ihres Geruchs ist heilkräftig und die bösen Geister, welche in den Leib fahren und Siechtum bereiten, fürchten den Duft und meiden ihre Nähe. Die Weisen sagen, sie ist von dem Herrn in den Erdgarten gesetzt, damit sie dem Menschen ein Anzeichen sei. Denn auch ihm ist das Herz geschlossen bis das Licht des Glaubens darauf fällt, dann öffnet sich seine Seele der himmlischen Liebe.«
Immo verließ gern das Beet und sah achtungsvoll auf die Rose, aber anderes lag ihm mehr im Sinn. »Zeige sie auch dem neuen Magister, welcher, wie man sagt, aus der Fremde gekommen ist, um die Schüler Dialektik zu lehren.«
»Du hast die Wahrheit gehört,« versetzte der Alte vorsichtig.
»Dann, Vater, sage ihm, wenn du vermagst, Gutes von mir, denn ich fürchte, andere werden ihm allerlei Nachteiliges in das Ohr raunen. Leidvoll wäre es mir, wenn er feindselig gegen mich handelte, denn er kennt meine Mutter und mein Geschlecht, er hat die Macht mir zu schaden und seine Fürsprache mag mir helfen, daß ich von der Schülerbank gehoben werde. Allzulange, mein Vater, trage ich, wie du weißt, dies Gewand.«
»Sorge du nur ihm zu gefallen,« mahnte der Alte, »er hat wohl selbst Augen und wird schwerlich der Meinung anderer folgen. Mir scheint, er hat dich bereits gesehen, da du unter den Dohlen saßest.«
»Die Pusillen in der Schule, welche noch nicht fünfzehn Jahr sind, fürchten sehr seine Rute, es wäre gut für ihn und uns, wenn er Nachsicht übte. Die erste Bank ist harter Streiche nicht gewohnt und er wird es schwer finden, das edle Blut über die Bank zu legen.«
»Dennoch rate ich dir nicht, ihm das zu sagen,« versetzte der Gärtner, »du selbst möchtest dafür büßen. Jetzt aber wende dich abwärts, Immo, dort naht Bruder Bertram aus dem Friedhofe. Unrecht war es, hier ohne Erlaubnis einzudringen.«
»Grade seinetwegen kam ich zu dir, mein Vater, und ich flehe, daß du bei ihm mein Fürsprecher werdest. Denn ganz unsicher sind die Tage meiner Zukunft, und wenn ich das Kloster verlasse, so weiß ich niemanden, der meiner Jugend mit gutem Rat zuhilfe kommen wird. СКАЧАТЬ