Claus Störtebecker. Georg Engel
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Название: Claus Störtebecker

Автор: Georg Engel

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ Schauern von Anbetung und Geheimnis verborgen, hauchte er ihm ins Ohr:

      »Der Gödeke – Gödeke Michael,

      Der führt auf dem Schwarzschiff allein den Befehl.«

      Eine Woge mußte in das Haus der Sibba geschlagen sein, die alles, was bis dahin aufrecht stand, unter sich begrub. Aus dem Strudel schlang es sich herauf wie die Stimmen von Ertrinkenden. Ein allgemeines brausendes Gebet, das brünstig durch das Dach gegen den Himmel stieg:

      »Seine Brust ist wohl eine Elle breit,

      Den Bedürftigen schenkt er Speise und Kleid!«

      Noch heulte der Sturm, da geschah etwas Ungeahntes. Lallend, trunken von der Gewißheit, in eine Gemeinschaft eingeschlossen zu sein, so hatte der Hebräer die Axt an sich gerissen. Jetzt taumelte er auf den Holzblock, schwang die Waffe fieberhaft über die vielen Köpfe und besessen von einem starren, fanatischen Wahne kreischte er gellend:

      »Und tragt ihr Armen am Leben schwer,

      Das Recht und die Freiheit wohnt auf dem Meer.«

      Und wieder erscholl es ihm zur Antwort, ernsthaft, schwer, feierlich, wie das Responsorium in der Kirche:

      »Dort richtet die Reichen an Leib und Seel,

      Der Gödeke – Gödeke Michael.«

      Aber das letzte klang schon auf der Landstraße. Der Schwarm hatte sich, einer inneren Macht folgend, ins Freie ergossen. Alles, was sich ihm widersetzte, war fortgebrochen, nur die Becke und Claus befanden sich allein unter dem niedrigen Dach; beide angewurzelt, die Trümmer eines langsam sich fortspinnenden Traumes.

      »Komm,« ermunterte endlich das Mädchen und streckte verstohlen die runde Hand nach dem Versunkenen aus. Allein schon die Berührung machte es lechzend und unsicher. Je länger sie mit dem schlanken, gänzlich inneren Liedern lauschenden Burschen allein blieb, desto mehr durchschlug sie das Bewußtsein, dieser große, stolze, widerwillige Junge mit den brennend schwarzen Augen, er gehörte nicht in das Geschlecht der sich am Boden wälzenden, viehischen Genüßlinge, die bis jetzt ihren Leib geplündert und verhöhnt hatten. In diesem wohnte noch eine verzweifelte Scham, eine gierige Andacht, die zugleich beten und doch das Muttergottesbild zerschlagen wollte. Und das lockte die Dirne über die gewohnten Grenzen hinaus, bis sie weich und nachgiebig wurde.

      »Komm,« bat sie dringend, »du kannst nach deinem Willen tun.«

      Es war eine heiße, betörte Menschenstimme, von der Claus aus seinen himmlischen Gärten hinweggejagt wurde. Wild, schmerzlich fuhr er auf.

      »Was willst du?« stammelte er entsetzt, angewidert, denn in den brauenden Kiennebeln sah er, wie die entfesselte Brunst sich ihm gewohnheitsmäßig näherte. Nein, das nicht. Alles, was von Demut gegen seine Mutter in ihm lebte, alles, was er Feindliches in seinem eigenen Geschlecht barg, es empörte sich, und mit einem wuchtigen Stoß schleuderte er die Hingebungbereite vor sich nieder auf den Estrich. Ihren dumpfen Fall hörte er noch, dann befand er sich im Freien.

      Draußen Dunkelheit, feuchte, pfadlose Nacht.

      Aus den Erlen und Pappeln der Landstraße schwirrte es, feiner Sprühregen stäubte den abschüssigen Weg herauf, und vor den Füßen des Flüchtenden seufzte der aufgeweichte Lehm der Landstraße.

      Wohin führte der Pfad? Claus wußte es nicht. Entschlußlos blieb er stehen, bot die Fieberstirn den kühlen Tropfen und lauschte. Von der Höhe züngelte ihm noch ein Feuerstreif aus den Fenstern des Häuschens nach, das er eben verlassen, und ganz weit, jenseits des Absturzes, wirbelten zerstückte Fetzen des sich entfernenden Bauerngesanges. Ja, das wollte er festhalten, daran wünschte er sich zu klammern. Aber während der Einsame versuchte, die bekannten Strophen aus keuchender Brust aufsteigen zu lassen, da verwirrte er sich. Vergessen, vergessen waren die Worte und Bilder, die er bis jetzt aufgebaut und errichtet. Dafür – er blickte sich wie gehetzt in der Finsternis um – dafür leuchteten überall aus den Schatten heraus weiße Arme, die ihn einfingen, und eine üppige Brust atmete, die ihn erdrückte. Er wollte sich wehren, er schrie wie ein Unsinniger, allein das weiße Gewoge erstickte ihn und kehrte ihn um. Vergebens, umsonst, getragen von flatternden Fittichen schoß er zurück – sprengte die Tür und sank wortlos der jauchzenden Dirne in die Arme.

      Über dem Hause der Sibba erlosch das Sternbild des Jupiter.

      VI

      Ist erst das Eis gebrochen, dann spritzt der trübe Gischt des Meeres gewaltsam hervor, und man meint, die wallende Flut schleppe überhaupt nichts anderes mehr als Unrat.

      Von dieser Zeit an kehrte Claus häufiger und häufiger in der Hütte der Sibba ein. Mochte ihn auch am Tage, wenn die helle Sonne der Küste sein Tun bestrahlte, der Ekel und der Abscheu vor dem wilden Zwang quälen, der ihn an einem schneidenden Seil über die Berge zog, in der Nacht schnürte ihm die schmerzhafte Umstrickung alle Glieder zusammen und riß den Unbändigen von dannen. Willig wurde er von seinem hohnlächelnden Lehrmeister mit einem Ring der goldenen Kette nach dem anderen ausgestattet, und Heino Wichmann versäumte nicht während der Tagesarbeit seinem verbissen vor sich hinschaffenden Zögling einzuprägen, wie es im Altertum ganze Schulen der Weltweisheit gegeben, die im Genuß, in Schwelgerei und besinnungslosem Auskosten die einzige Gewinnmöglichkeit gegen den überall herumschnuppernden Tod gesehen.

      »Sieh, Bübchen,« pflegte dann der Kleine zu äußern, während die beiden Genossen im Boot den brauenden Morgennebel durchschnitten, »der letzte Tropfen im Weinkrug ist es, der letzte, den die lechzende Zunge auf sich herablockt, gerade ihn begrüßen wir als den heißen Boten aus einer überseligen, tanzenden Welt. Bei diesem letzten kämpft bereits die Wehmut des Abschieds mit der Hoffnung auf neue Labe. Oder meinst du, das Schwein habe einen anderen Grund, sich beim Scharren nach der letzten im Erdreich versteckten Eichel den Rüssel blutig zu reißen?«

      Solchen Einflüsterungen gegenüber, obwohl sie ihn mit der Schärfe eines Rutenhiebes trafen, blieb der hochgewachsene Junge, dessen Wangen schmäler und blasser wurden und dessen Brandaugen jetzt häufig voll selbstquälerischer Verzweiflung glimmten, stumm und taub. Und der strohblonde Magister begann zu wittern, daß sein Geschöpf die aufreizende Absicht unter seinen Stachelreden zu merken anfing. Dazu bäumten sich der Hochmut und das herrische Wesen des Fischersohnes immer gebieterischer, und es kam jetzt oft in dem Katenhause der Beckeras zu Streit und Widerreden. Der Sohn bat nicht mehr, er forderte. Auch äußerte er zuweilen bei geringen Anlässen Gedanken und Meinungen, die bewiesen, wie hoch die Gärung in seiner Brust bereits gestiegen war.

      Eines Tages saß der Bruder Franziskus am Herde der Hütte. Er kam, wie er bekundete, im Auftrage seines Klosters, um bei den Fischersleuten eine wirtschaftliche Bestellung auszurichten. Im Grunde aber war er von Mutter Hilda herbeigerufen, die die Sorge um ihren, wie sie meinte, verirrten Einzigen nicht mehr ruhen ließ. Treibende Angst beschattete sie jetzt fast stündlich, in ihrem Kinde seien die bösen Lüste seines eigentlichen Erzeugers aufgewacht, seine Genuß- und Raubsucht, die wilde Gier nach Unterdrückung Schwächerer und das kalte Verachten von Recht und Sittsamkeit. Ihre Brust bebte, wenn sie daran dachte, daß sie selbst ja nur gezwungen dieses fremde und doch geliebte Reis empfangen, und die Schärfe des Mutterauges nahm auch wahr, wie in ihrem Sohn plötzlich die Erkenntnis des werdenden Mannes aufgepeitscht war und wie sich Scham und Verachtung vor jenem Wissen in ihm stritten.

      Ein kalter Novemberabend fröstelte über der Hütte. Am Buchenfeuer saß der Mönch, und neben ihm, in Decken eingehüllt, hing der Hausherr, halb liegend in seinem Armstuhl, und röchelte unter einem pfeifenden Geräusch die warme Feuerluft ein, die seine wunde Brust doch immer wieder zu einem langen Husten reizte. In einer beschatteten Ecke, in die er absichtlich gerückt war, wetzte Claus mit einem Stein den Aalspeer, während Hilda vor ihrem Gaste stand, die Hände demütig über der Brust gekreuzt, als wäre СКАЧАТЬ