Die Falkner vom Falkenhof. Erster Band.. von Adlersfeld-Ballestrem Eufemia
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Falkner vom Falkenhof. Erster Band. - von Adlersfeld-Ballestrem Eufemia страница 12

СКАЧАТЬ zum Kuckuck, begreifst du denn heut' gar nicht?« platzte der Alte mit gewohnter Ungeduld heraus und setzte höhnisch hinzu: »Thue nur nicht so, als hätten die drüben dir nicht, seitdem du laufen kannst, in den Kopf gesetzt, daß du mein Erbe, der Erbe vom Falkenhof bist! Kannst du das leugnen?«

      »Nein!« sagte Falkner fest.

      »Nun, siehst du,« quiekte der Kranke. »Und du hast's natürlich geglaubt?«

      »Ja,« bestätigte der Gefragte.

      »Natürlich, solche Dinge glaubt man gern,« höhnte der Freiherr, »aber,« fügte er spöttisch hinzu, »mein Gewissen hat mir gestern deshalb geschlagen – ich hätte dir den frommen Glauben nehmen sollen, nehmen müssen, wenn du willst, Alfred. Aber es hat mir zu viel Freude gemacht, den hochgelahrten, superklugen, christlichmilden Herrn Doktor Ruß und seine holde Ehehälfte –«

      »Meine Mutter,« fiel Falkner stark ein.

      »Nun ja, deine Mutter, die auf meinen Tod lauert, seitdem sie unter meinem Dache lebt, kurz, die ganze Gesellschaft am Narrenseile herumzuführen. Aber schließlich kann ich ja doch die langen Gesichter nicht mehr sehen, wenn sie erfahren, daß sie die Rechnung ohne den Wirt, d. h. ohne die Lehensbestimmungen gemacht haben, aber es ist dir doch nicht sehr unangenehm, Alfred, daß dir der Falkenhof so vor der Nase fortgeschnappt wird?«

      »Ich verstehe dich noch nicht, Onkel,« entgegnete Falkner etwas beklommen.

      Der Kranke bewegte sich unruhig in seinem Sessel hin und her.

      »Du bist doch sonst nicht so schwer von Begriffen,« sagte er verdrießlich, »aber freilich, dir hat ja keine Seele etwas von den Erbfolgebestimmungen des Falkenhofes gesagt – mich wundert's nur, daß der weise Herr Doktor Ruß sie noch nicht herausgedüftelt hat – der muß doch seine Nase sonst in allem haben. Aber die Erbschaft schien ihm wohl zu sicher –«

      »Onkel –!« fiel Falkner etwas ungeduldig ein.

      »Ja, ja, ich komme schon zur Sache,« fuhr der Freiherr auf und kramte etwas nervös unter den Papieren herum, welche seinen Schreibtisch bedeckten. »Da ist es,« sagte er und zog ein Dokument hervor, »das heißt, dies sind die Lehensbestimmungen vom Jahre 1563, bestätigt durch die Unterschrift und das Insiegel Sr. Majestät Maximilian II., des heiligen römischen und deutschen Reiches Imperator et Rex. Anerkannt sind sie ferner unter meinem Großvater selig durch den damaligen Landesfürsten und dessen Regierung, so daß selbst der Herr Doktor Ruß, falls er sie umstoßen wollte, kein Glück damit haben dürfte. Nun also, hier steht es schwarz auf weiß:

      »Die Erbfolge auf gedachtem Lehen, der Falkenhof genannt, ist also geregelt, daß dem jemaligen Inhaber desselben, wenn er mit dem Tode abgegangen oder gerichtlich auf den Besitz Verzicht geleistet hat, sein ältestes Kind, gleichviel ob es ein Sohn ist oder eine Tochter, folgt. In letzterem Falle bleibt aber das Lehen nur so lange in ihrem Besitz, bis sie stirbt, und fällt dann an das älteste Glied männlicher Descendenz aus dem Freiherrlichen Hause Derer von Falkner zurück. Bei Mangel an Leibeserben des jemaligen Besitzers fällt das Lehen an den Ältesten des Hauses oder dessen ältestes Kind, gleichviel ob Sohn oder Tochter. In letzterem Falle gelten immer die oben angeführten Bestimmungen, daß eine Lehnsherrin des Falkenhofes ihn niemals auf ihre Kinder, falls sie sich vermählt, nach ihrem Tode übertragen kann, sondern dem ältesten männlichen Agnaten oder dessen Descendenz überlassen muß. Vermählt die Lehnsherrin sich aber mit dem ersten Agnaten oder dessen Erben selbst, so fällt das Lehen natürlich an die Kinder aus dieser Ehe und die anderen Agnaten treten vor diesen zurück.«

      »Nun, was sagst du dazu?« fragte der Freiherr triumphierend, als er die Lesung des Artikels beendet.

      Falkner hatte sich erhoben und war ans Fenster getreten – es kann ein Mensch sehr groß denken und erhaben sein über die Schwäche, den Besitz zu seinem Götzen zu machen, aber die plötzliche Nachricht, er sei nicht reich, sondern arm, wird ihn doch bewegen. Alfred Falkner war nicht habsüchtig, aber er war auch an ein Leben der Einschränkung nicht gewöhnt; er war aufgewachsen mit dem Bewußtsein, daß er der Erbe des Falkenhofes, des reichsten Lehens der Monarchie sei, es war ihm nie gesagt worden und er hatte nie daran gedacht, daß an diesem Bewußtsein getastet werden könnte, und nun – dem alten Herrn wurde die Pause doch zu lang und die Stille zu drückend.

      »Alfred!« rief er, und in seinem Ton lag ein sonderbares Gemisch von Scheu, Trotz, Spott und Reue. »Alfred, nimm dir's nicht zu Herzen – 's ist mir leid, daß es dir weh thut – ich habe ja aber bloß den alten Schleicher, den Ruß, ärgern wollen, nicht dich, denn im Grunde bist du mir doch der Liebste von allen. Als ich von Bruder Friedrich damals im Zorn schied, drohte ich ihm, die Lehensbestimmungen zu deinen Gunsten umstoßen zu wollen, und ich hab's auch wirklich versucht, aber es läßt sich an dem Dokument da nicht rütteln, Alfred!«

      Jetzt wandte Falkner sich um und trat neben den Stuhl, in dem das boshafte, hinfällige Schattenbild eines Menschen sich krümmte unter dem geraden, vorwurfsvollen Blick seines Neffen, der so hoch und gebietend neben ihm stand.

      »Kein Wort weiter, Onkel!« sagte er fest. »Gott soll mich behüten, daß je der Gedanke in mir keimte, andere um ihr gutes Recht betrügen zu wollen. Sind diese Bestimmungen rechtskräftig, so soll mit meiner Bewilligung niemand wagen, daran zu rütteln, damit ich bereichert werde. Daß du mich aber in Unwissenheit darüber gelassen, mich als reichen Erben erziehen ließest, nur in der boshaften Freude, meine Mutter zu enttäuschen und den Mann zu ärgern, den du nicht leiden magst – das sind Dinge, die du vor deinem Gewissen zu verantworten hast, nicht vor mir!«

      »Alfred!« wimmerte der alte Mann, »Alfred, scheide nicht im Zorn von mir – daß ist doch ein häßliches Scheiden –«

      Falkner beugte seine hohe Gestalt über den elenden Krüppel.

      »Es mag schwerere Enttäuschungen geben, als diese,« sagte er, mitleidig geworden im Angesicht des Todes, der sein Opfer schon gezeichnet hatte. »Und zum Beweis, daß ich nicht grolle, findest du mich bereit, dir Beistand zu leisten, falls du ihn zur Ordnung deiner Angelegenheiten neben dem eines Juristen bedarfst!«

      Der kranke Mann heftete seine stechenden, klugen Augen fest auf das männlich-schöne Antlitz seines Neffen, und dabei bekamen diese sonst vor Bosheit funkelnden Augen einen eigentümlich verschwommenen Ausdruck.

      »Du bist ein guter Junge,« sagte er matt, und nach einer Pause fügte er hinzu: »Mich hat die Sache doch angegriffen und alteriert – ich hatte geglaubt, du würdest außer dir geraten – das hätte mir nicht so geschadet! Geh' jetzt und schicke mir ein Glas Wein oder sonst etwas zur Stärkung, hörst du? Bleib' aber auf dem Falkenhof, bis der Justizrat kommt –!«

      Er lehnte sich erschöpft zurück, und Falkner verließ das Zimmer. In der Bibliothek aber mußte er stehen bleiben zu einem Augenblick der Sammlung an diesem Wendepunkte seiner Zukunft. Die Enttäuschung, die ihn getroffen, war groß und die Entsagung größer, denn ohne habsüchtig zu sein, läßt sich der plötzliche Verlust eines großen Besitzes, dieses nervus rerum der Welt, immerhin schwer genug tragen, selbst da, wo Jugend, Kraft und Fähigkeit sich finden, den Verlust, wenn auch nicht zu ersetzen, so doch zu mildern. Leute, welche nichts wissen von dem Luxus des Lebens, welche die vielen Dinge als Liebhabereien für Sammlungen, Bücher etc. nicht kennen, verschmerzen Verluste von Vermögen oder geträumten Erbschaften viel eher und leichter, als solche, welche sich ein mehr innerliches und einsames Dasein durch das zu verschönern suchen, was ihrem Geschmack entspricht, aber eben nur mit großen Mitteln zu erkaufen ist. Alfred Falkner gehörte nicht zu den Menschen, welche das Geld im Wahn des Leichtsinns mit vollen Händen unwürdigen Zwecken opfern, er spielte auch nicht, aber er genoß sein Leben, indem er reiste und sein Heim durch kostbare Gemälde und Kunstgegenstände verschönte. Er konnte diesen Liebhabereien frönen, СКАЧАТЬ