Название: Die Ahnen
Автор: Gustav Freytag
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
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Die Stirn des Bischofs umwölkte sich, war es Zorn gegen Ingram oder Unwille, weil jemand seinem Wunsche widerstand, im nächsten Augenblick sah er wieder gütig auf das Weib, welches flehend die Hände faltete. »Sie haben ihm den Frieden genommen, Walburg, nachdem er ihn vorher selbst verloren hatte.«
»Deshalb will ich zu ihm, ehrwürdiger Vater.«
»Du, Jungfrau?« fragte Winfried erstaunt, »in die Wildnis, in ein fernes Land, zu einem verachteten Haupte?«
»Wo er auch atme, wie er auch lebe, in dem wilden Wald, unter dem Fels, bei Raubtieren und Raubgenossen, ich will zu ihm. Denn, Herr, ich bin‘s ihm schuldig.«
»Deinem Vater im Himmel bist du schuldig, nichts zu tun, was gegen seine Gebote ist. Auch Zucht und Sitte sind dem Weibe geboten, und waghalsiges Preisgeben des eigenen Lebens ist ihm Unrecht.«
»Ich verstehe die Lehre, ehrwürdiger Vater«, versetzte Walburg demütig. »Sonst habe ich mich züchtig gehalten und stolz gegen werbende Knaben, auch gegen ihn. Er aber hat seine Freiheit um mich gewagt und sein Leben. Frevelhaft war das Wagnis, ich weiß es, mein Vater, und allzu hart habe ich es ihm selbst gesagt, das reut mich jetzt. In Not und Elend ist er um meinetwillen gekommen, ich will gehen, ihn zu retten.«
»Vermagst du das, Mädchen?«
»Der liebe Gott wird mir gnädig sein«, antwortete Walburg.
»Weißt du schon,« fragte Winfried prüfend, »ob er sich deine Nähe begehrt? Baust du auf das Verlangen, das er einst hatte, dich zu besitzen? Walburg, mein armes Kind, das Angesicht, welches er holdselig fand, hast du verdorben.«
Walburg sah vor sich nieder, und um ihren Mund zuckte der Schmerz. »Bei Tag und Nacht habe ich daran gedacht, und ich fürchte sehr, mein Antlitz ist ihm verleidet. Aber mein toter Vater war sein Gastfreund, und er wird die Tochter als eine gute Bekannte aufnehmen, wenn er sich auch fortan ein anderes Weib begehren sollte.«
»Wo birgt sich der Heillose?«
»Oben im Bergwald, sein Diener Wolfram wird mich zu ihm führen.«
»Und wenn ich dir verbieten wollte, dein Leben und deine Seele an die Wildnis zu wagen, was würdest du dann tun?«
Walburg sank vor ihm auf die Knie, und die gerungenen Hände zu ihm aufhebend, antwortete sie leise: »Ich müßte doch gehen, ehrwürdiger Vater.«
»Walburg«, rief der Bischof drohend, und zornig blitzten seine Augen. Schnell erhob sich Walburg. »Was hat dich getrieben, Herr, als du hierherkamst unter die Heiden? Dein heiliges Haupt gibst du täglich dem Haß und der Bosheit deiner Feinde preis. Sorglos und fröhlichen Herzens reitest du durch die Dörfer der Heiden und fragst nie, ob dich ein Pfeil aus dem Dickicht treffe. So großes Vertrauen bewahrst du auf Gottes gnädigen Schutz, und du zürnst der Magd, die in deiner Nähe lebt, daß auch sie ihr Leben an die Gefahren der Wildnis wagt? Groß ist dein Amt, ehrwürdiger Vater, vielen Tausenden willst du Rettung bringen aus dem Verderben, ich bin ein armes Weib, ich habe nur ein Leben, um das ich bete und weine, aber den Mut habe ich wie du, einen Willen wie du; und solange ich frei auf meinen Füßen wandle, werde ich meine Schritte dorthin richten, wo er sein ruheloses Haupt birgt. Denn ich erkenne, arge Unholde schweben um ihn und bedrängen seine Seele, und darum muß ich eilen, ihn zu retten, wenn ich es vermag.«
»Als ein geschworener Mann des Himmelskönigs fahre ich über die Heide und durch den Wald,« versetzte Winfried ernst, »in meinem Amte wage und dulde ich, du aber, wenn du dich einem Unseligen gesellen willst, folgst der Leidenschaft, welche auf Erden das Weib an den Mann bindet. Nicht meines Amtes ist, dein Tun zu rühmen oder zu verdammen. Wäre ich in Wahrheit dein Vater und stünde mir zu, dir den Gemahl zu wählen, ich würde dich hindern oder dich selbst begleiten. Als dein geistlicher Berater sage ich dir, die Absicht kann ich nicht tadeln, die wilde Fahrt darf ich nicht loben.« Er wandte sich von ihr, da er aber die Jungfrau regungslos mit gesenktem Haupt stehen sah, trat er wieder zu ihr und nahm sie gütig bei der Hand. »So muß ich als Bischof sprechen, aber wenn du doch den Unholden Trotz zu bieten wagst, so werde ich darum nicht schlechter von dir denken, während der Fahrt will auch ich in deiner Sache zu dem Herrn beten, ob er mich gnädig erhört, und wenn du zu mir zurückkehrst, wie du gegangen bist, so will ich dich empfangen als mein wiedergefundenes Kind.« Walburg neigte ihr Haupt, und der Bischof betete über ihr.
Winfried kehrte in sein Gemach zurück, und nachdenklich sprach er zu sich selbst: »Mein Geselle Gerold ist der redlichste unter den Franken, die ich kenne. Auch die Magd, welche ihr Leben für einen Verschollenen hingeben will, mag wohl in diesem Lande eine der besten sein, und doch sind beide nicht echte Erben des Gottesreiches. Furchtbar ist es zu denken, wie gering die Zahl solcher ist, welche das Leben im Erdgarten nur als Vorbereitung betrachten für die Halle der Herrlichkeit. Komm, mein Sohn,« rief er dem eintretenden Gottfried zu, »ich ringe mit schweren Gedanken, und deine Nähe wird mir eine Erquickung. Doch mit Sorge sehe ich, daß dein Antlitz bleich und deine Miene verhärmt ist; was andere zu wenig üben, das tust du im Übermaß. Ich lobe nicht dein Entbehren der Speise, nicht dein nächtliches Wachen und nicht die Geißelschläge, die, wie ich durch die Wand höre, deinen Rücken treffen. Grüble nicht über Träume und ängstige dich nicht, daß flatternde Gedanken dir das reine Gewand deiner Seele verderben können. Zu einem arbeitsamen Gehilfen an hartem Werke hat dich der Herr bestimmt, und kraftvoll brauche ich dich, denn viel ist noch zu tun. Krieg steht bevor an der Grenze, aus unserer Friedenssaat ist er aufgegangen; und wir haben zu sorgen, daß die jungen Gemeinden nicht von den Unholden zerschlagen werden. Deinen Reisegenossen Ingram hat das Urteil getroffen, und wir wollen darauf sinnen, wie wir dem Friedlosen die Rückkehr in die Heimat bereiten, denn er gehört zu den Kindern unseres Gebetes. Fortan bete du auch für Walburg, die Jungfrau. Sie hat sich eigenwillig von uns gelöst und geht zu dem Friedlosen in die Wildnis.«
Gottfried schwieg, aber ein Schauer fuhr ihm über den Leib, und er stützte sich an die Wand, der Bischof sah erschrocken auf die gebrochene Gestalt. »Gottfried, mein Sohn,« rief er, »was ist mit dir?« Da ging der Mönch leise an die Truhe, in welcher die heiligen Gewänder lagen, nahm die Stola hervor und tat sie dem Bischof mit flehendem Blick um. Winfried setzte sich in den Stuhl, der Mönch kniete an seiner Seite und faltete die Hände über den Knien des Bischofs; fast unhörbar waren die Worte, welche er sprach, aber dem starken Mann klangen sie wie ein Schlachtruf in das Ohr, und als der Jüngling geendet hatte und mit seinem Haupte auf den Knien des Bischofs lag, saß dieser über ihn gebeugt und hielt die heiße Stirn des Betenden, so voll von Schmerz wie der Jüngling selbst.
7. Unter den Schatten
Am nächsten Morgen schritt Walburg mit ihrem Führer dem Walde zu. Hinter ihr rief Gertrud traurig in die Flur: »Neig dich, Laub, und neig dich, Gras, denn eine freie Magd will sich vom Sonnenlicht scheiden.«
In dem lichten Gehölz über dem Dorfe weidete die Rinderherde. Die Kühe liefen neugierig aus dem Gebüsch und starrten die Jungfrau an, auch der Hirt trat an den Weg, bot den Gruß und fragte, wohin sie im Frühlicht wandle. »In die Berge«, antwortete Walburg leise, und der Mann schüttelte den Kopf. Ein vorwitziges Kalb trabte hinter ihr her und roch an ihrem Korbe. »Weiche von mir, Braunchen,« mahnte sie, »denn der Weg, den ich gehe, wäre dir gefährlich, du hast Frieden bei den Leuten, alle müssen dich beachten, wenn du auch nur ein Jährling bist, und wenn dich ein Fremder schädigt, so muß er es deinem Herrn schwer büßen. Der aber, den ich suche, ist ärmer als du, denn jeder darf ungestraft seinen heißen Mut an ihm kühlen, und schutzlos schweift er ohne Recht.« Sie faßte ihren Handkorb fester und eilte dem Führer nach.
Auf dem Gipfel des Hügels wandte sie sich um und streckte die Hand grüßend nach СКАЧАТЬ