Название: Klausurenkurs im Arbeitsrecht II
Автор: Matthias Jacobs
Издательство: Bookwire
Серия: Schwerpunkte Klausurenkurs
isbn: 9783811491540
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Eine Rechtsfolge für eine fehlerhafte Anhörung des Betriebsrats zu einer beabsichtigten Kündigung sieht das positive Recht nicht vor, so dass eine Unvollständigkeit zu bejahen ist. Planwidrig ist diese Unvollständigkeit u.a., wenn die ratio von § 102 I 3 BetrVG in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz die Erstreckung der Unwirksamkeitsfolge auch für fehlerhafte Anhörungen verlangt, weil eine vergleichbare Interessenlage vorliegt. Zweck des Anhörungsverfahrens ist es, dem Betriebsrat zumindest die Möglichkeit zu geben, auf die Willensbildung des Arbeitgebers (auf fundierter Basis) Einfluss zu nehmen, um ihn ggf. von seinem Kündigungsentschluss abzubringen. Dieser Zweck wird aber auch bei unrichtiger Anhörung verfehlt. Der Gleichheitssatz gebietet somit, dass eine Kündigung nicht nur dann unwirksam ist, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat, ohne den Betriebsrat überhaupt anzuhören, sondern auch dann, wenn er ihn nicht richtig beteiligt hat,[11] v.a. wenn er seiner Unterrichtungspflicht nach § 102 I 2 BetrVG nicht ausführlich genug nachgekommen ist.
2. Fehlerhaftigkeit wegen Angabe einer falschen Kündigungsfrist
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Die Anhörung könnte deshalb fehlerhaft gewesen sein, weil P dem Betriebsrat eine zu lange Kündigungsfrist mitgeteilt hat. Fraglich ist allerdings, ob durch Angabe einer falschen Kündigungsfrist das Anhörungserfordernis des § 102 I 1 BetrVG verfehlt wird.
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Das BAG zählt Kündigungsfrist und Beendigungstermin zwar grundsätzlich zu den notwendigen Anhörungspunkten i.S.d. § 102 I 1 BetrVG.[12] Die versehentliche Angabe nicht einschlägiger Kündigungsfristen oder Beendigungstermine führe jedoch nicht zu einer fehlerhaften Anhörung, da ohnehin unsicher sei, zu welchem Zeitpunkt die beabsichtigte Kündigung dem Arbeitnehmer später zugehe und damit nach § 130 I 1 BGB wirksam werde. Damit sei der Kündigungstermin selbst bei Angabe der korrekten Kündigungsfrist i.d.R. noch nicht absehbar oder gar genau berechenbar.[13] Dagegen lässt sich jedoch einwenden, dass sich durch eine Verzögerung der Abgabe oder des Zugangs der Kündigungserklärung der Beendigungstermin zeitlich allenfalls nach hinten verlagern kann. Der Betriebsrat weiß also bei Angabe der korrekten Kündigungsfrist, wann die Kündigung frühestens wirken kann. P hat dem Betriebsrat eine zu lange Kündigungsfrist mitgeteilt; der wirkliche Beendigungstermin lag damit zeitlich vor dem aus Sicht des Betriebsrats frühest möglichen Beendigungstermin.
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Allerdings ist zweifelhaft, ob die Angabe von Kündigungsfrist und Beendigungstermin stets zum Inhalt einer ordnungsgemäßen Mitteilung nach § 102 I 2 BetrVG zählt.[14] Dagegen spricht zunächst, dass diese Angaben nicht zu den „Gründen für die Kündigung“ rechnen.[15] Außerdem muss der Arbeitgeber nach § 102 I 2 BetrVG nur seine subjektiven Vorstellungen bezüglich der beabsichtigten Kündigung mitteilen.[16] Entsprechen diese Vorstellungen nicht der objektiven Rechtslage, so mag die beabsichtigte Kündigung aus anderen Gründen nicht in der vorgesehenen Form wirksam sein; zur Fehlerhaftigkeit des Anhörungsverfahrens führt dies jedoch nicht.[17] Auch für die Einwirkung auf den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers ist die Länge der Kündigungsfrist somit ohne Belang. Schließlich hat die Länge der Kündigungsfrist auch keinerlei Bedeutung für die sonstige Rechtewahrnehmung des Betriebsrats: Anders als bei der Unterscheidung zwischen ordentlicher und außerordentlicher Kündigung (Abgrenzung zu § 102 II 3 BetrVG) hängt der Umfang des Beteiligungsrechts des Betriebsrats aus § 102 BetrVG nicht von der Länge der Kündigungsfrist ab.
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Nach alledem führt die versehentliche[18] Falschinformation über die für A einschlägige Kündigungsfrist nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung analog § 102 I 3 BetrVG.
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Hinweis zur Klausurtechnik:
Dass die Kündigung wegen fehlerhafter Anhörung zur Kündigungsfrist unwirksam ist, lässt sich mit entsprechender Argumentation ebenso vertreten. In diesem Fall ist nicht im Hilfsgutachten weiter zu prüfen, da es anschließend um gleichrangige Unwirksamkeitsgründe geht, die nicht in einem logischen Abhängigkeitsverhältnis zum vorhergehenden Prüfungspunkt stehen (vgl. noch ausführlich Rn. 94).
3. Fehlerhaftigkeit wegen mangelhafter Besetzung
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Die Anhörung könnte aber fehlerhaft gewesen sein und damit zur Unwirksamkeit der Kündigung führen, weil der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß besetzt war.
a) Mangelhafte Besetzung
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Gem. § 33 II Hs. 1 BetrVG hat für die Beschlussfähigkeit des Betriebsrats mindestens die Hälfte der Betriebsratsmitglieder an der Beschlussfassung teilzunehmen, wobei Stellvertretung durch Ersatzmitglieder zulässig ist. Der bei 56 Arbeitnehmern gem. § 9 S. 1 BetrVG fünf Mitglieder umfassende Betriebsrat hat auf seiner Sitzung am 5. März 2007 jedoch nur mit zwei Mitgliedern einen Beschluss gefasst. Damit liegt kein wirksamer Beschluss des Betriebsratsgremiums, sondern – allenfalls – eine „Stellungnahme“ der zwei anwesenden Mitglieder vor. Eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats als Gremium ist damit nicht erfolgt.
b) Beachtlichkeit im Außenverhältnis
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Möglicherweise ist die nur im Innenverhältnis bestehende Fehlerhaftigkeit gegenüber P jedoch unbeachtlich, weil der Betriebsrat von seinem Vorsitzenden im Außenverhältnis wirksam vertreten worden ist.[19] Nach § 26 II 1 BetrVG vertritt der Betriebsratsvorsitzende den Betriebsrat zwar, allerdings nur beschränkt, nämlich „im Rahmen der von ihm gefassten Beschlüsse“. Er ist damit gleichsam „Vertreter in der Erklärung“,[20] mit anderen Worten also gesetzlicher Vertreter ohne abstrakte, fest umrissene Vertretungsmacht. Ohne wirksamen Beschluss des Betriebsrats mangelt es ihm folglich an der Vertretungsmacht. Mangels Beschlusses konnte der Vorsitzende den Betriebsrat somit nicht wirksam gegenüber P vertreten, so dass auch im Außenverhältnis keine wirksame Anhörung vorliegt.
c) Sphärenabgrenzung
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Es drängt sich allerdings die Frage auf, ob die Analogie zu § 102 I 3 BetrVG nicht auf Fälle zu beschränken ist, in denen die Fehlerhaftigkeit aus dem Verantwortungsbereich des Arbeitgebers herrührt. Bei Beachtlichkeit jedweden Verfahrensfehlers könnte der Betriebsrat das Anhörungsverfahren andernfalls dazu missbrauchen, Kündigungen durch eine vorsätzlich herbeigeführte Fehlerhaftigkeit unwirksam zu machen, zumal der Arbeitgeber keine wirksamen rechtlichen Einflussmöglichkeiten auf die Beschlussfassung hat.[21] Ratio von СКАЧАТЬ