Vom Stromkartell zur Energiewende. Peter Becker
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Название: Vom Stromkartell zur Energiewende

Автор: Peter Becker

Издательство: Bookwire

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Серия: ZNER-Schriftenreihe

isbn: 9783800593729

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СКАЧАТЬ der als Großverbraucher auch die Straßen- und Zahnradbahn in der Hafenstadt gehörten. Danach fielen auch Mailand, Venedig und Neapel an die AEG. In der Schweiz beteiligte sich Rathenau an einem Konsortium, das das Recht besaß, den Rheinfall von Schaffhausen für die Stromgewinnung zu nutzen. Er baute die Anlagen. Finanziert wurden die Aktionen aus der Schweiz, von einer Spezialbank in Zürich, bei deren Gründung Rathenau sich mit der Schweizerischen Kreditanstalt zusammengetan hatte: „Bank für elektrische Unternehmungen“, Elektrobank. Rathenau entdeckte schließlich Südamerika. Er gewann die Konzessionen für Kraftwerksbau und Stromversorgung von Buenos Aires (Argentinien), Santiago de Chile und Montevideo (Uruguay).

      Der Konzessionsvertrag garantierte mit seinen langen Laufzeiten dem Stromversorger Investitionssicherheit und ein Versorgungsmonopol, der Kommune die Erfüllung der Gemeinwohlaufgabe Elektrizitätsversorgung. Erst 1990 wurde mit einer Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) die Laufzeit auf zwanzig Jahre beschränkt. Und erst 1998 erzwang die EU mit dem „third party access“ den Wettbewerb in der Stromversorgung: Wettbewerber können den Zugang zum Netz verlangen. Der Konzessionsvertrag vermittelt nur noch ein Wegenutzungsrecht – und das nicht einmal autonom. Denn (etwa) Industrieunternehmen können von der Kommune ein Wegerecht für den Bau einer Direktleitung verlangen.

      3. Kapitel

      Die Großbanken wittern das große Geschäft

      Rathenaus kleine Berliner Zentralstationen produzierten allerdings außerordentlich teuer; die Kilowattstunde kostete 1 Goldmark. Die Bankiers, die Rathenaus Firmengründungen finanziert hatten, saßen auf unverkäuflichen Aktien. Zwar konnte das erste öffentliche Kraftwerk 6.000 Lampen mit Strom versorgen, tatsächlich am Netz waren aber nur 3.000, und zwar fast ausschließlich in Theatern, Hotels und Banken. Nicht einmal der alte Kaiser hatte elektrisches Licht. Deswegen verlangten die Bankiers drastische Sparmaßnahmen. Die Finanzierung zweier weiterer Kraftwerke in der Innenstadt, die der Magistrat forderte, lehnten sie ab.

      Rathenau hielt das für einen schweren Fehler. Er wollte im Gegenteil kräftig expandieren und dazu große Dynamos einsetzen. Die Bankiers hielten ihm entgegen: „Wenn Sie mit kleinen Maschinen schon keinen Profit machen können, wieviel weniger mit großen!“ Der Magistrat drohte andererseits, die Konzession zu kündigen, wenn die geforderten Kraftwerke nicht gebaut würden. Da kam Rathenau Georg Siemens zu Hilfe, ein Vetter von Werner Siemens, der sich in der Elektrizitätsbranche bestens auskannte. Er war der Gründer und Vorstandssprecher der Deutschen Bank. Dabei stand er in regem Austausch mit dem US-Banker John Pierpont Morgan, dem Finanzier von Edison. Siemens beurteilte die Lage daher anders als die Bankiers, die hinter Rathenau standen. Die Finanzwirtschaft konnte sich mit ihren Krediten direkt an das Wachstum der Elektroindustrie und der Stromwirtschaft ankoppeln, die sich nach dem Berliner Vorbild bald über das ganze Reich ausdehnen würden. Georg Siemens war daher bereit, Rathenaus Gesellschaften die geforderten Kredite zu geben. Mit diesem „Sprung in die Elektrizitätswirtschaft“ stiftete der Sprecher der Deutschen Bank die „Ehe zwischen Großbanken und Stromern“, die heute noch funktioniert.

      Während J.P. Morgan und David Rockefeller in den USA straff organisierte Dachgesellschaften (Trusts) propagierten, zeigte sich Werner Siemens eher ablehnend. Georg Siemens hingegen bewunderte seine amerikanischen Vorbilder: „Die Leute sind rücksichtslose Räuber, aber sie haben Sinn für große Konstruktionen!“ Die Deutsche Bank beschloss daher auf Vorschlag von Georg Siemens, „sich mit ihrem Namen, ihrer Arbeit und mit ihrer Kapitalkraft an der Sicherung und Erweiterung der Deutschen Edison-Gesellschaft und ihrer vorbereiteten Unternehmungen zu beteiligen“. Nach amerikanischem Vorbild setzte Georg Siemens die Deutsche Edison und die Firma Siemens & Halske unter Druck, einen neuen Kartellvertrag zu schließen. Danach durfte Rathenau jetzt auch große Dynamos bis zu 100 PS fabrizieren; bei größeren Kraftwerken aber „sollte die Bauausführung gemeinschaftlich erfolgen“. Siemens hatte damit ein Standbein im Kraftwerkbau und beteiligte sich mit 1 Million am Aktienkapital der Rathenau-Firma. Sein Sohn Arnold wurde Aufsichtsratsmitglied.

      Mit dem frischen Geld wurden Edison zunächst die Patentrechte abgekauft. Außerdem gab es Rathenau Gelegenheit, seine Selbständigkeit auch im Firmennamen zu zeigen: Er taufte die Deutsche Edison in Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft (AEG) um. In den nächsten zwölf Jahren brachte Rathenau die AEG von wenigen Hundert auf fast 20.000 Mitarbeiter. Auch die Berliner Elektricitätswerke AG wurde zur Goldgrube: Rathenau erhielt von Georg Siemens statt der von ihm geforderten drei von den anlagefreudigen Banken in den nächsten vier Jahren 30 Mio., die er in den Bau von Großmaschinen investierte. Die Aufträge kommentierte Werner Siemens wie folgt: „Bauen kann ich Ihnen solche Maschinen schon, aber gehen werden sie nicht.“ Das war eine Fehleinschätzung. Vielmehr wurden die Maschinen zum Verkaufsschlager des Jahrzehnts, zum „Goldesel der Firma Siemens & Halske“. Der Erfolg der AEG zeigte sich auch daran, dass Rathenau seinen Aktionären bis 1914 eine Dividende von 15 % p.a. zahlte.

      So erfolgreich war die Zusammenarbeit zwischen Edison und der New Yorker Hochfinanz für ihn im Ergebnis nicht. Die Schlüsselfiguren der New Yorker Banker hatten schon früh das gewaltige Potential der Edison’schen Erfindungen erkannt und sich als Ziel die Schaffung eines monopolisierbaren Weltmarktes für neue Produkte und elektrischen Strom gesetzt. Dafür war Edison, der mit seinen mehr als tausend Patenten erfolgreichster Erfinder aller Zeiten, die richtige Persönlichkeit. Er war ein typischer Amerikaner, der nur drei Monate lang eine Schule besuchte und lesen, schreiben und rechnen zu Hause von der Mutter gelernt hatte. Schon mit 20 meldete er sein erstes Patent an und machte sich als „hauptberuflicher Erfinder“ selbständig. Allerdings machte Edison nur Erfindungen, mit denen sich auch Geld verdienen ließ. Bevor er die Arbeit aufnahm, untersuchte er in einer Art Marketingstudie das gesamte wirtschaftliche und technische Umfeld einer neuen Erfindung und passte sie den erforderlichen Bedingungen an. Typisches Beispiel war die Bogenlampe, von der Edison sofort erkannte, dass sie für die Beleuchtung von Wohnungen ungeeignet war. Nach der Besichtigung propagierte er in einem Interview, dass er demnächst in New York ein großes Elektrizitätswerk bauen werde, das hunderttausende von kleinen Lampen in Wohnungen und Geschäften mit Strom versorgen würde. Schon in diesem Interview machte er aber auch klar, dass der Strom natürlich bezahlt und der Verbrauch natürlich mit einem Stromzähler gemessen werden müsse. Das Interview erregte größtes Aufsehen in aller Welt – und über Nacht stürzten an den Börsen die Aktien der Gasanstalten in den Keller. Nur wenig später kam eine Gruppe hochkarätiger Kapitalisten im Direktorium der Edison Electric Light Company zusammen, in dem neben den engsten Mitarbeitern von Morgan auch der Präsident der größten Telegraphengesellschaft der Welt und William H. Vanderbilt saßen, der reichste Mann Amerikas. Aber die Glühlampe interessierte Edison zunächst nur am Rande. Er beschäftigte sich vielmehr mit der Struktur der Gasversorgung und übernahm von ihr die Grundidee, dass das elektrische Kabelnetz wie die Rohrleitungen der Gasgesellschaften die Form eines Baumes haben müsse, bei dem die vom Stamm abzuzweigenden Äste nach außen hin immer dünner werden. Außerdem erkannte Edison, dass Glühlampen anders, als dies konkurrierende Ingenieure propagierten, eine Lampe mit hohem elektrischem Widerstand brauche, weil nur dann die Leitungskosten konkurrenzfähig waren. Ein Jahr nach der Gründung der Edison Light Company ließ der Erfinder die Kohlefadenglühlampe patentieren. Den dafür erforderlichen neu entdeckten Dynamo hatte er schon einige Monate vorher zur Patentierung angemeldet. Daraufhin begann er sofort mit den Vorarbeiten für den Bau des ersten Kraftwerks in New York. Jetzt mussten auch Fabriken für Lampen, Kabel, Dynamos, Installationsmaterial und Motoren gebaut werden. Dafür verlangte er Millionen von seinen Wall-Street-Freunden. Die wollten ihm allerdings keinen Cent bewilligen. Denn sie wollten nicht produzieren, sondern ohne Risiko die weltweit anfallenden Lizenzgebühren kassieren.

      Unter diesen Umständen trat Edison die Flucht nach vorne an: „Da die Geldgeber zu ängstlich sind, stelle ich das notwendige Kapital aus eigener Tasche zur Verfügung. Die Lösung heißt: Fabriken oder Tod!“ Edison steckte in der Tat sein gesamtes Geld in den Bau von Fabriken und überschuldete sich zusätzlich mit Zwischenkrediten, für die ihm sein Partner Morgan 20 % Zinsen abnahm. Damit wurde Edison notgedrungen СКАЧАТЬ