Название: Kartellrechtliche Schadensersatzklagen
Автор: Fabian Stancke
Издательство: Bookwire
Серия: Recht Wirtschaft Steuern - Handbuch
isbn: 9783800593392
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Wesentlich schwieriger ist es dagegen, verbotene Kartellabsprachen der Geschäftspartner eigenständig auszumachen. Ein Mittel zur proaktiven Kartellaufdeckung könnten sog. Screening-Methoden sein. In der Unternehmenspraxis kommen solche Methoden bislang jedoch nur begrenzt zum Einsatz. Verschiedene Herangehensweisen stehen grundsätzlich zur Verfügung:
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Erstens können Auffälligkeiten im Rahmen der Beschaffung auf mögliche Kartellabsprachen der Lieferanten hindeuten. Hierbei handelt es sich um ein sog. verhaltensbasiertes Screening. Ein starkes Indiz für Kartellabsprachen sind etwa gleichlautende Angebote bei komplexen Aufträgen, gleiche Rechen- oder Schreibfehler in den Angeboten sowie auffällig überdimensionierte Bietergemeinschaften.24 Andere Umstände, wie Treffen der Wettbewerber vor der Angebotsabgabe, Kenntnis der Preise der Wettbewerber oder eine geringere Beteiligung an Ausschreibungen als üblich, lassen ebenfalls auf ein Kartell schließen.25 Anders als Unternehmen haben sich mehrere Wettbewerbsbehörden teilweise schon intensiv mit dem Thema Screening beschäftigt.26 Entsprechende Screening-Methoden, die auf Einkaufsdaten öffentlicher Vergaben fußen, werden etwa von der britischen Competition and Markets Authority (CMA) und der schweizerischen Wettbewerbskommission (WEKO) genutzt.27 Die CMA stellt ihr „Screening-for-Cartels-Tool“, das 12 Algorithmen zur Aufdeckung von Submissionsabsprachen nutzt, kostenfrei Dritten zur Verfügung. Vergabestellen sollen so eigenständig Daten zu Geboten untersuchen und Auffälligkeiten melden können. Die WEKO nutzte ihr Werkzeug hingegen für Auswertungen ihr selbst zugänglicher Daten.28 Mittlerweile haben erste Unternehmen damit begonnen, ebenfalls verhaltensbasierte Screenings zu entwickeln und mithilfe intelligenter Algorithmen in den Einkaufsdaten zu analysieren, ob unter Lieferanten möglicherweise Kartelle bestehen. Ziel kann es dabei letztlich nur sein, ein ganzheitliches Register an Algorithmen zur Verfügung zu haben, das in der Lage ist, verschiedene Formen von Kartellabsprachen automatisiert zu identifizieren.29
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Zweitens können Marktdaten (Market Intelligence) über längere Zeiträume gesammelt und verglichen werden, um ungewöhnliche Trends und Ereignisse zu entdecken. Hierbei steigt die Indizwirkung, je größer die Abweichungen auf dem untersuchten Markt sind, und je weniger sich schlüssige Alternativerklärungen aufdrängen.
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Schließlich können Marktstruktur-Screenings durchgeführt werden, um die (abstrakte) Kartellneigung eines Marktes einschätzen zu können.30 Wesentliche Kriterien sind etwa die Marktkonzentration, Beschaffenheit der Produkte, Symmetrie der Marktteilnehmer, Marktzutrittsschranken, Markttransparenz, Kostenunterschiede der Anbieter und Produktions(über)kapazitäten.31 Die Kartellneigung ist dabei regelmäßig umso größer, je höher die Marktkonzentration ist und je vergleichbarer, d.h. homogener die Marktleistungen der Anbieter sind.
3. Abwehr und Prävention von Kartellschadensrisiken
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Identifizierten Kartellschadensrisiken kann neben der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen auf verschiedene Weise begegnet werden, wobei das konkrete Vorgehen stark vom Einzelfall abhängt.
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Eine Beschwerde bei den Behörden kommt zwar in Betracht, wird aber nur Erfolg haben, wenn starke Indizien für das Bestehen eines Kartells geliefert werden können.32 Steht ein Submissionsbetrug gemäß § 298 StGB im Raum,33 sind zudem die Strafverfolgungsbehörden verpflichtet, bei einem Anfangsverdacht gegen Privatpersonen zu ermitteln. Als weitere Maßnahme kommt in Betracht, betroffene Bieter von Vergabeverfahren auszuschließen.34 Öffentliche Auftraggeber dürfen nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB Bieter von Ausschreibungen ausschließen, sobald hinreichende Anhaltspunkte für einen Kartellverstoß vorliegen.35 Ferner hat der Gesetzgeber ein Wettbewerbsregister beim BKartA eingeführt, in dem Kartellbeteiligte eingetragen werden.36 Öffentliche Auftraggeber trifft eine Abfragepflicht.37 Durch eine sog. „Selbstreinigung“ gemäß § 125 GWB können Lieferanten dem abhelfen.38 Dazu muss der Kartellverstoß aufgeklärt werden.39 Ferner bedarf es der Kooperation mit den Behörden, personeller Maßnahmen gegenüber den involvierten Personen und der Umsetzung von Compliance-Vorgaben sowie der Schadenswiedergutmachung.40 Nach § 125 Abs. 1 Nr. 1 GWB erfordert eine Selbstreinigung, dass der Bieter den durch eine Straftat oder Fehlverhalten verursachten Schaden entweder bereits ersetzt oder sich zum Ersatz verpflichtet hat.41 Gepaart mit Compliance-Pflichten kann eine Konfrontation der Lieferanten mit einem Kartellverdacht bereits das Kartell destabilisieren.42 Schließlich lassen sich auch durch AGB Kartellschadensrisiken adressieren. Dort können Compliance-Pflichten, insbesondere die Verpflichtung zu Maßnahmen im Falle von Kartellschäden sowie pauschalisierter Schadensersatz aufgenommen werden.43
10 Sog. Follow-on-Klage, vgl. § 33b GWB n.F.; Art. 16 Abs. 1 Kartellverfahrensverordnung. Die bisherige Rspr. ging von einem Anscheinsbeweis hinsichtlich des Kartellschadens aus: OLG Karlsruhe, 31.7.2013, 6 U 51/2 (Kart), ECLI:DE:OLGKARL :2013:0731.6U51.12.0A = NZKart 2014, 366 Rn. 54f. – Löschfahrzeuge; KG Berlin, 1.10.2009, 2 U 10/03 Kart, ECLI:DE:KG:2009:1001.2U10.03.0A – Berliner Transportbeton II; BGH, 28.6.2005, KRB 2/05, NJW 2006, 163, 164f. – Berliner Transportbeton I; allerdings hat der BGH in seiner Entscheidung Schienenkartell I vom 11.12.2018 die Anwendung eines Anscheinsbeweises im Fall eines Quoten- und Kundenschutzkartells mangels Typizität der in Frage stehenden Geschehensabläufe verneint, BGH, 11.12.2018, KZR 26/17, ECLI:DE:BGH:2018:111218UKZR26.17.0 – Schienenkartell; Art. 17 Abs. 2 der Kartellschadensersatzrichtlinie sieht dagegen eine ausdrückliche Schadensvermutung und somit eine Beweislastumkehr zulasten des Kartellbeteiligten vor. Die 9. GWB-Novelle setzt dies in § 33a Abs. 2 GWB n.F. entsprechend mit einer widerlegbaren Vermutung um. 11 Ferner bieten auch die branchenbekannten Newsletter-Dienste eine gute Quelle für „Erstinformationen“. 12 Erwägungsgründe 14 und 45 der Kartellschadensersatzrichtlinie; zulasten der Geschädigten besteht typischerweise eine Informationsasymmetrie. 13 Die Bindungswirkung der Behördenentscheidungen erstreckt sich nur auf die Feststellung des Kartellrechtsverstoßes; statt vieler Franck, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Bd. 2, § 33b GWB Rn. 26f. Die Kartellschadensersatzrichtlinie in Art. 17 Abs. 2 und entsprechend die Umsetzung in § 33a Abs. 2 Satz 1 GWB n.F. sieht eine Vermutung für den Eintritt eines Schadens vor. 14 Ausführlich hierzu Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen – Praktischer Leitfaden zur Ermittlung des Schadensumfangs bei Schadensersatzklagen im Zusammenhang mit Zuwiderhandlungen gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, https://ec.europa.eu/competition/antitrust/actionsdamages/quantification_en.html (zuletzt aufgerufen am 15.6.2020): Hüschelrath/Leheyda/Müller/Veith, Schadensermittlung und Schadensersatz bei Hardcore-Kartellen. 15 Siehe dazu Makatsch/Kacholdt, in: MüKo-Wettbewerbsrecht, § 33g GWB Rn. 37f.; Lübbig/Mallmann, NZKart 2016, 518ff. 16 OLG Hamm, 26.11.2013, 1 VAs 116/13, 120/13 und 122/13, ECLI:DE:OLGHAM: 2013:1126.1VAS116.13.120.13.00 = WuW/E DE-R 4101 – Einsicht in Strafakten; bestätigt durch BVerfG, 6.3.2014, 1 BvR 3541/13, 1 BvR 3543/13, 1 BvR 3600/13, NJW 2014, 1581. Zu den Voraussetzungen der Aktenbeiziehung im Zivilprozess auch Harms/Petrasincu, NZKart 2014, 304. 17 Davon unberührt soll die Einsicht in Bußgeldbescheide bleiben; Anträge können weiterhin direkt gestellt werden. 18 Makatsch/Kacholdt, in: MüKo-Wettbewerbsrecht, § 89c GWB Rn. 15f. 19 Idealerweise sollten Informationen СКАЧАТЬ