Название: Compliance Management im Unternehmen
Автор: Martin R. Schulz
Издательство: Bookwire
Серия: Recht Wirtschaft Steuern - Handbuch
isbn: 9783800593217
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Andere Regelungsinhalte müssen dagegen in jeder Einzelbetriebsvereinbarung aufgenommen werden. Dies betrifft solche Regelungen, die auf die jeweilige Betriebsvereinbarung zugeschnitten sind. Hierzu gehören mindestens der Zweck der Verarbeitung i.S.v. § 26 Abs. 5 BDSG i.V.m. Art. 5 DSGVO, die Dauer der Verarbeitung, Löschungsregeln und die Zugriffsrechte.32 Entsprechende Bestimmungen sollten – je nach konkreter Ausgestaltung – auch in den „Code of Conduct“ aufgenommen werden.
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Werden personenbezogene Daten erhoben, verarbeitet oder genutzt, ohne dass hierfür ein Erlaubnistatbestand gegeben ist, hat dieser Datenschutzverstoß u.U. weitreichende Folgen. Die forsche Bußgeldpraxis der Aufsichtsbehörden hat für heftige Diskussionen gesorgt und wird noch die Gerichte beschäftigen. Aus einem Datenschutzverstoß kann aber – je nach Einzelfall – für den Arbeitgeber auch ein sog. Sachvortragsverwertungsverbot folgen. Bietet der Arbeitgeber beispielsweise in einem Kündigungsschutzprozess Beweise an, die unter Verstoß gegen die DSGVO erlangt wurden, darf das Gericht in diesem Fall nicht nur die angebotenen Beweise des Arbeitgebers nicht erheben (bloßes Beweisverwertungsverbot), sondern muss u.U. den gesamten arbeitgeberseitigen Vortrag bei seiner Entscheidung unberücksichtigt lassen.33
V. Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats
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Ein „Code of Conduct“ muss zwingend als Betriebsvereinbarung eingeführt werden, wenn und soweit Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats berührt werden.
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Die Beteiligungsrechte des Betriebsrats hängen naturgemäß von den konkreten Regelungen und Vorgaben des jeweiligen Verhaltenskodex ab. In Betracht kommt in erster Linie ein Mitbestimmungsrecht gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Daneben können sich Beteiligungsrechte aber auch aus anderen Vorschriften ergeben (§§ 80 Abs. 2, 87 Abs. 1 Nr. 6, 94, 95 BetrVG).
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Wichtig ist, dass der Verhaltenskodex nicht entweder nur insgesamt oder aber überhaupt nicht der Mitbestimmung unterliegt; dies ist eine Quintessenz der Honeywell-Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts.34 Dass ein Arbeitgeber unterschiedliche Verlautbarungen in einem Gesamtwerk (etwa einem „Code of Conduct“) zusammenfasst, hat somit nicht zur Folge, dass dieses Gesamtwerk mitbestimmungsrechtlich nur einheitlich behandelt werden kann. Vielmehr muss die rechtliche Bewertung nach dem Inhalt der einzelnen Regelungen differenzieren: Manche Teile des Verhaltenskodex können mitbestimmungspflichtig sein, während andere Teile nicht der Mitbestimmung unterliegen.35
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Die Rechtsprechung hat insbesondere folgende Regelungen als (mitbestimmungspflichtige) Tatbestände des Ordnungsverhaltens bewertet:
– Eine Verpflichtung, „ethische Bedenken“ oder mögliche Verstöße gegen den „Code of Conduct“ zu melden, ist mitbestimmungspflichtig, weil sie über die allgemeine Pflicht zur Abwendung von Schäden weit hinausgeht.36
– Mitwirkungspflichten der Arbeitnehmer an internen Untersuchungen unterliegen der Mitbestimmung, da diese Pflichten über die arbeitsvertraglichen Nebenpflichten der Arbeitnehmer zur Beobachtung und Meldung strafbaren Verhaltens hinausgehen.37
– Auch Verfahrensregelungen im Rahmen einer Whistleblower-Klausel können mitbestimmungspflichtig sein, wenn sie den Mitarbeitern aufgeben, bestimmte Kanäle (Vorgesetzter, Hotline etc.) für Meldungen oder Beschwerden zu nutzen.38
– Ebenso unterliegen die Regelungen zu standardisierten internen Prozessen zur Meldung von Datenschutzvorfällen der Mitbestimmung, da die Meldung dem Ordnungsverhalten zuzuordnen ist.39
– Ein Verbot der Annahme von Geschenken löst ebenfalls ein Mitbestimmungsrecht aus, da die wirtschaftlichen Grenzen regelmäßig verhandelbar sind.40
– Verhaltensvorgaben zur Vermeidung „ungebührlicher Vorgesetztenverhältnisse“ in Gestalt von familiären oder engen persönlichen Verbindungen unterliegen ebenfalls der Mitbestimmung. Derartige Regelungen gehen weit über die allgemeine Pflicht des Arbeitnehmers zur Rücksichtnahme und Vermeidung von Interessenkonflikten hinaus.41
– Das Verbot des Zeigens oder Verbreitens von Bildern, Karikaturen oder Witzen sexueller Natur ist mitbestimmungspflichtig, da die Regelungen des AGG diesen Tatbestand nicht vollständig erfassen und insoweit ein der Mitbestimmung zugänglicher Gestaltungsspielraum verbleibt.42
– Verhaltensregeln zur Vermeidung von Belästigungen und unangemessenem Verhalten unterliegen der Mitbestimmung, weil die Möglichkeiten die Arbeitnehmer in dieser Hinsicht zu schützen vielfältig und nicht umfassend gesetzlich geregelt sind.43
– Mitbestimmungspflichtig sind zudem Vorgaben zur angemessenen Nutzung elektronischer Medien, soweit es um die Art und Weise der privaten Nutzung geht.44
– Auch ein generelles Verbot der Benutzung privater Mobiltelefone zu privaten Zwecken während der Arbeitszeit ist mitbestimmungspflichtig.45
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Wichtig ist, dass ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG nicht notwendig voraussetzt, dass der „Code of Conduct“ verbindliche Verhaltensregeln einführt. Ausreichend ist bereits, wenn die Maßnahme des Arbeitgebers darauf gerichtet ist, das Verhalten der Arbeitnehmer zu steuern oder die Ordnung des Betriebs zu gewährleisten.46
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Neben § 87 BetrVG können auch andere Mitbestimmungstatbestände relevant sein. Häufig finden sich Regelungen, nach denen sich Arbeitnehmer über die Inhalte des „Code of Conduct“ schulen lassen müssen. Dies stellt zwar keine Berufsbildung dar, die gem. §§ 96ff., 98 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht auslösen würde. Denkbar ist aber, hierin eine „sonstige Bildungsmaßnahme“ zu sehen ist, die nach § 98 Abs. 6 BetrVG mitbestimmungspflichtig ist. Voraussetzung ist, dass es sich nach Ausgestaltung der Schulungsmaßnahme um eine Veranstaltung mit echtem Bildungscharakter handelt. Eine bloße Informationsveranstaltung, z.B. über die Einführung des „Code of Conduct“, löst keine Mitbestimmungsrechte aus.47
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Für bestimmte Bereiche hat die Rechtsprechung auch ausdrücklich eine Mitbestimmung ausgeschlossen, weil den Betriebspartnern die Regelungskompetenz fehlt. Notorisch ist das „Flirtverbot am Arbeitsplatz“. Regelungen über private Beziehungen im Betrieb sind aber, wie eben aufgezeigt, nicht von vornherein der Mitbestimmung entzogen.48 Unzulässig sind auch Meldepflichten zum außerdienstlichen Verhalten und zur privaten Lebensführung von Kollegen. Vorgaben, die sich unmittelbar an Mitarbeiter richten und die private Lebensführung regeln, stellen einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit dar, der aber im Einzelfall verhältnismäßig sein kann (z.B. Alkoholverbot vor Dienstaufnahme).49 Der Betriebsrat muss im Rahmen der Mitbestimmung darauf achten, dass die Regelungen des „Code of Conduct“ nicht die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer verletzen.
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Kein Mitbestimmungsrecht besteht schließlich bei Regelungen, die lediglich die geschuldete Arbeitsleistung konkretisieren oder bei Dokumenten, die ausschließlich die Werte des Arbeitgebers oder die Unternehmenszielen beschreiben. Der Arbeitgeber kann einen entsprechenden „Code of Conduct“ regelmäßig durch eine schlichte Weisung einführen.
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Soweit eine Maßnahme der Mitbestimmung unterliegt, kann der Arbeitgeber sie nur mit Zustimmung des Betriebsrats durchführen. Dies gilt auch für die Einführung СКАЧАТЬ