Charles Finch: Lautlos fiel der Schnee. Thomas Riedel
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Название: Charles Finch: Lautlos fiel der Schnee

Автор: Thomas Riedel

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783746738116

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СКАЧАТЬ Mieter. Er war ihr von einem früheren Gast empfohlen worden und hatte einen netten Brief geschrieben, in dem er anfragte, ob er für zwei Wochen kommen könnte. Zur Erholung. Sie brauchten dringend Geld und ihr Mann hatte darauf bestanden, einen noch höheren Preis als gewöhnlich zu verlangen. Dr. Finch hatte ohne den leisesten Protest zugestimmt und war vor vier Tagen angekommen. Er war ein unauffälliger, kleiner, grauer Mann, den niemand zweimal ansah. Er verschmolz mit dem Hintergrund, als wäre er ein Teil davon. Seine Zeit verbrachte er mit der Lektüre sehr gelehrt aussehender Bücher und mit ausgedehnten Spaziergängen im Umfeld von Little Gaddesden. Inzwischen war er in der Hauptstraße des Dorfes eine vertraute Erscheinung. Bei den Mahlzeiten schien er sich wohl zu fühlen, aber er war nie sehr gesprächig. Er hörte nur aufmerksam zu, und wenn er einmal etwas bemerkte, klang es ein wenig merkwürdig, wie die Anmerkung über Paulines Einkaufsliste, die sie angeblich verlieren wollte. Eines Abends, als er nach einer Mahlzeit in sein Zimmer hinaufgegangen war, hatte Raymond Kennedy bemerkt: »Das ist der einzige Mann, der sich in ein Hotelregister mit einem Allerweltsnamen eintragen kann und dem man es sofort glauben wird.«

      Die Bemerkung richtete sich an Richter Brown und Jack Taylor, die zu Besuch gekommen waren. Beide hatten gelacht, nur seine Frau hatte die Pointe nicht verstanden.

      »Wenn du mit dem Doktor sprechen willst, da … er kommt gerade zurück«, bemerkte ihr Sohn.

      »Ach, du lieber Gott!«, entfuhr es ihr.

      Die Haustür ging auf und Dr. Finch trat ein. Er schüttelte den Schnee von seinen Überschuhen, bevor er sie auszog. Dann hing er Mantel und Hut an die Garderobe und wollte soeben die Treppe hinaufsteigen, als sie ihn anrief: »Oh, Dr. Finch, könnte ich vielleicht einen Augenblick mit Ihnen sprechen?«

      »Aber natürlich, Mrs. Kennedy.« Er kam ins Wohnzimmer. Stanley beobachtete ihn voller Neugier. Graue Haare, graue Augen, grauer Anzug. Dr. Finch war weder schön noch hässlich genug, um von irgendjemand bemerkt zu werden. Er war nur normal – normale Größe, Normalgewicht und keine besondere Kennzeichen.

      »Hallo, Stanley!« Er betrachtete eingehend das Modellschiff und nickte ihm anerkennend zu. »Hat du das gebaut?«

      »Nein«, schüttelte Stanley den Kopf. »Ich repariere es nur für Jack Taylor. Er gibt mir ein Pfund, wenn ich es für ihn neu auftakle und bemale.«

      »Das ist für eine so heikle Arbeit aber nicht viel«, lächelte Finch.

      Pauline Kennedy zappelte nervös mit ihrer Liste herum und sah an ihm vorbei. Seine Augen gingen ihr auf die Nerven – sie hatte immerzu das Gefühl, dass er ihre Gedanken lesen könnte. Und wie um das zu bestätigen, sagte er: »Wie ist das mit der Feier, Mrs. Kennedy? Wenn ich Ihnen dabei im Weg bin, kann ich gern bei einem Freund übernachten.«

      Sie sah ihn erstaunt an. »Sie wissen bereits von der Feier, Dr. Finch?«

      Er nickte schmunzelnd. »Ich habe gerade eine Quasselstunde mit Clark Marshall hinter mich gebracht, und er hat die Feier dabei erwähnt.«

      Sie wurde rot. Wenn er mit Clark gesprochen hat, so weiß er vermutlich über alles Bescheid, was uns Kennedys betrifft, schoss es ihr durch den Kopf, unsere Vergangenheit und unsere armselige Gegenwart.

      »Ich muss allerdings gestehen, dass ich hoffte, Sie würden mich einladen.« In seinen Mundwinkeln lag ein Lächeln. »Ich habe jetzt soviel über Mr. Stamford gehört, … da würde ich ihn schon gern kennenlernen. Aber ich weiß natürlich, es ist eine sehr spezielle Gelegenheit, und wenn ich im Weg bin …«

      »Aber nein, Doktor«, rief sie vergnügt. »Wir werden uns freuen, wenn Sie kommen!« Wenn er einen Tag fortbleibt, wird der Ausfall drei Pfund für uns bedeuten. »Ich fürchtete nur, es würde Sie stören, da Sie doch der Ruhe bedürfen.«

      »Ganz im Gegenteil. Ich liebe Geselligkeit«, erwiderte er. »Und nach allem, was Mr. Marshall mir berichtete, dürfte die Feier sehr interessant werden.«

      ***

      Kapitel 8

      Der alte Marshall saß auf einem Gepäckkarren im Bahnhof von Berkhamsted und sprach mit seinem neuen Freund, Dr. Charles Finch. »Schaut mir mehr nach einer Katzenmusik aus als nach einem Empfang«, bemerkte er.

      »Katzenmusik? Was meinen Sie damit?«

      »Wenn bei uns zwei heiraten, macht man ihnen eine in der ersten Nacht«, erklärte Marshall. »Mit Zinnpfannen und Katzenmiauen, bis das junge Paar genervt aufsteht, die ganze Bande ins Haus einlässt und ihnen etwas zu Essen und Trinken anbietet.«

      »Nicht gerade sehr schön für das junge Paar, … so ein Überfall in der Hochzeitsnacht«, erwiderte Finch und stellte den Kragen seines Mantels auf.

      »Ach wo, das ist hier eben Tradition«, meinte Marshall lachend. »Es dauert bis zum frühen Morgen, mit allerhand Jux, der, wie ich zugeben muss, nicht immer sehr vornehm ist.«

      Es waren mehr Menschen am Bahnhof, als Dr. Finch vermutet hatte. So ziemlich die gesamte Einwohnerschaft von Little Gaddesden hatte die fünf Meilen nach Berkhamsted auf sich genommen, mit Ausnahme von Marvin Cooper und seiner Tochter. Elizabeths Vater hätte sein Atelier nicht einmal dem Erzengel Gabriel zuliebe verlassen, und sie war unterwegs, um die Papierhüte und das übrige Zeug für die Feier zu beschaffen. Man fand zwar, dass sie die Besorgung auch am Tag zuvor hätte erledigen können, aber sie war allgemein sehr beliebt, und es wurde nicht viel über sie geklatscht.

      Stanley und Pauline Kennedy waren ebenfalls da, und ihr Mann befand sich im Bahnhofshotel, ›um sich in Stimmung zu trinken‹, wie Marshall sagte. Da waren auch noch William Chapman und Jack Taylor, der Bezirksanwalt und einzige Rechtsanwalt der Gegend, und natürlich auch Miss Uppingham. Am andern Ende des Bahnhofes, abseits der allgemeinen Menge, stand der junge Kenneth Jackson, der immer wieder auf seine Taschenuhr blickte, als wollte er dadurch die Ankunft des Zuges beschleunigen. Violett Stamford, ebenfalls abseits, schlank und elegant in ihrem pelzbesetzten Mantel, sprach mit einem distinguierten Herrn mittleren Alters, der einen ausgezeichnet geschnittenen Anzug trug und aus einer elfenbeinernen Spitze eine Zigarette rauchte.

      »Wissen Sie, wer das ist?«, fragte Finch.

      Marshall nahm den Strohhalm, an dem er kaute, aus dem Mund und brummte: »Das ist der ehrenwerte Richter Terrence Brown.«

      »Ein Einheimischer?«

      »Nein, ein Zugezogener. Er war zuvor am ›Old Bailey‹ in London. Hat sich aber vor ein paar Jahren zur Ruhe gesetzt und lebt seitdem hier … Ist ein komischer Kerl.«

      Von weitem hörte man die Lokomotive pfeifen, und alles lief hin und her. Nur Kenneth Jackson stand plötzlich still und bastelte an seiner Pfeife. Kinder liefen den Erwachsenen zwischen den Beinen herum und trieben ihren Unfug. Finch sah lächelnd dabei zu, wie ein paar Buben einen Kranz leerer Blechdosen an Violetts Pferdegespann anbrachten. Irgendwo in der Menge begann der Lärm, mit Pfannen und Deckeln, Glocken und allen möglichen Instrumenten, als wollte man in Stimmung kommen, obgleich der Zug noch gar nicht in Sicht war.

      Endlich erschienen über der letzten Biegung die ersten Rauchwölkchen der schweren Lokomotive, und schließlich, mit melancholischem Warnsignal, der Zug. Er fuhr schnaufend ein und kam quietschend zum stehen. »Willkommen!«, rief der Menschenauflauf und jubelte, wodurch sich der Lärm noch weiter steigerte.

      Charles Finch bemerkte zwei große Überseekoffer, die über und über mit Hotelzetteln beklebt waren, und dann erschien Harold Stamford – der Held des Tages. Finch war beeindruckt. СКАЧАТЬ