Die Frankensaga – Vollfettstufe. Matthias Wagner
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Название: Die Frankensaga – Vollfettstufe

Автор: Matthias Wagner

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783741874680

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СКАЧАТЬ jedoch nicht; in seinen Augen sehe ich nur die wilde, ungezügelte Gier nach Frikadellen.

      Erste Adresse für „Heiß und fettig“ in Ottensen ist das Einkaufszentrum Mercado. Vorm Essen muss ich noch mal wohin und stelle fest: Die Herrentoilette des Mercado ist fest in afrikanischer Hand. Zwei, wenn nicht gar drei Bedienstete beiderlei Geschlechts wirken hier frohgemut im Dienste sauberer Keramik. Man kann sogar von einer Art Party des Toilettenpersonals sprechen. Die gelassenen Reggaerhythmen von „The Lion sleeps tonight“ hallen noch hinüber bis in die Klokabine, wo man versucht ist, mitzuwippen, was unter diesen Umständen allerdings dem Toilettenpersonal mehr Arbeit verschaffen würde als notwendig.

      Im Waschraum wird die Gebühr für den angebotenen Komplettservice unmissverständlich mit 30 Cent taxiert. Zumindest künden blutrote Großlettern davon. Sie stehen auf einem Zettel, der sorgfältig über einem praktischerweise aufnahmebereiten Schälchen drapiert wurde. Kein Zweifel, die Brigade weiß, was ihr Job aus Putzen und Party wert ist. Das Schälchen selbst erfreut sich offenbar ständiger Leerung, denn es befinden sich nur zwei Münzen darin. Sie ergeben addiert – natürlich – 30 Cent.

      Mein Problem: Ich habe ausschließlich Scheine in der Tasche. Eine unangenehme Situation. Denn ich muss vorwegschicken, dass es für mich mit einem hohen Schamgehalt belastet ist, Toilettenpersonal um Wechselgeld zu bitten. Vielleicht ein Kindheitstrauma, ich weiß es nicht. Verfüge ich zufällig nur über Münzgrößen, welche die zu honorierende Dienstleistung m. E. deutlich überbewerten – also Ein- oder Zwei-Euro-Stücke –, dann lege ich sie gemeinhin ins Schälchen, fingere fahrig und errötend ein angemessenes Wechselgeld heraus und fliehe diesen Ort eilends.

      Aber hier liegen nur 30 Cent, und ich habe nur vermaledeite Scheine, derweil im Nebenraum die afrikanische Frohsinnstruppe Party macht zu „The Lion sleeps tonight“, mit Sichtkontakt zum Schälchen.

      Die Situation hat etwas Verfahrenes. Es gibt nur eine Lösung. Aber es ist keine, die mir Ehre einbringt. Ich nutze einen der zahlreichen Momente partybedingter Unaufmerksamkeit und entschwinde wie ein Dieb in der Nacht, ohne Obolus.

      Wie nennt man so etwas, Herr Staatsanwalt – Erschleichung von Dienstleistungen, lachhaft begründet mit einem irrationalen Schamempfinden? Nein, nein: Der Löwe, er mag schlafen heute Nacht, aber Gott, der sieht alles. Der Franke, ein geborener Katholik, würde das fröhlich bestätigen, doch ihm gegenüber verschweige ich lieber die Klozechprellerei.

      Bei „Heiß und fettig“ halte ich den Frikadellen des Franken einen Spießbraten und ölgeduschte Bratkartoffeln entgegen, dazu matschige Sauerkrautsträhnen.

      Der Walabend

      Schon wieder ins Aurel, auf ein Feierabendbier. Der Dude ist nicht da. Wir warten zwei Runden, doch er kommt einfach nicht. Außer dem Franken ist diesmal auch Kollege Kramer an Bord. Da er erst noch zur Bank muss, gehen der Franke und ich schon mal vor und ordern zwei Bier.

      Der endlich geldschwer dazustoßende Kramer beschwert sich sofort, weil wir ihm kein Bier mitbestellt haben. Ich erkläre ihm, wir hätten ihm schlicht ein Glas mit geschrumpfter Schaumkrone ersparen wollen. „Du hast mir also kein Bier bestellt, um mir einen Gefallen zu tun?“, argwöhnt Kramer.

      Kramer ist einer jener Typen, die erheblich mehr gps (= Gedanken pro Sekunde) produzieren, als ihre Stimmbänder zu formen in der Lage sind. Entsprechend überfordert reagiert oft seine Umwelt, also meistens der Franke und ich. Eine logisch aufgebaute Argumentationskette zu entwickeln, ist in Kramers Gegenwart unmöglich. Nach dem ersten Halbsatz meint er bereits den kompletten Strang vorwegzuahnen und haut in Highspeed die vermeintliche Widerlegung raus, bei der er sich allerdings vokal völlig verfranzt, weil seine Zunge einfach dem Takt seiner Synapsenexplosionen nicht folgen kann.

      Dessen ungeachtet lässt Kramer verbale Interventionen keineswegs zu; zur Not bringt er mich einfach zum Schweigen, indem er mir aus nächster Nähe ein langgezogenes „Thoeeeeeeeeeeelke!“ ins Ohr blökt. Die Älteren unter uns werden sich jetzt an die Fernsehsendung „Der große Preis“ erinnert fühlen, und sie liegen richtig. Ein von Loriot erfundener Zeichentrickhund namens Wum pflegte sein Herrchen Wim exakt so zu begrüßen – mit „Thoeeeeeeeeeeelke!“. Ich ertrage also Kramers Blöken gelassen, weil der hierarchich deutbare Subtext mir schmeichelt.

      Draußen schneit inzwischen Hamburg zu. Bevor wir gehen, suche ich die karmesinrot getünchten Aurel-Toiletten auf. Walgesänge empfangen mich. Manche klingen so, wie man es von esoterischen Wohngemeinschaften oder weihrauchdurchwaberten Heilsteinläden kennt: irgendwie quiekend. Andere sind deutlich tieffrequenter und gemahnen unschön an Flatulenzen sehr großer Säugetiere. Für Toiletten ein kongenialer Sound. Und in seiner schier riechbaren Bräsigkeit ein erholsamer Ausgleich zu Kramers hibbeligem Silbenstakkato. Vorm Toiletteneingang passiert man übrigens bemalte Kirchenfenster, warum auch immer.

      Der Faschingskrapfen

      Ein leichter Hexenschuss plagt mich. Ich stakse durch Ottensen wie ein Brett auf zwei Beinen. Als ich erzähle, unter welchen Umständen mich das Missgeschick heimsuchte – nämlich bei der Pediküre –, beömmelt sich der Franke, als hätte ich ihm gerade den besten Blondinenwitz aller Zeiten erzählt. „Beim Zehennägelschneiden!“, bruhahaht er durchs Treppenhaus der Zeisehallen, „beim Zehennägelschneiden!“, und Frau Dagteller stimmt unbeeindruckt von meiner Immobilität illoyal ein.

      Ich meinerseits wundere mich tagtäglich, wieso der Franke nicht selbst längst an gewissen Stellen irreparabel immobil geworden ist, zum Beispiel im Magendarmtrakt. Neulich kaufte er drei Faschingskrapfen, deren Ausmaße man unbedingt monströs nennen musste. Das Mittagessen lag zu diesem Zeitpunkt bereits hinter uns, welches der Franke genutzt hatte, um gleich mehrere Frikadellen zu verzehren; die großzügig darüber gekippte Bratensoße hatte ihn aus großen Fettaugen unablässig traurig angeschaut, bis zur letzten Sekunde.

      All das ließ nur einen Schluss zu: Der Franke musste pappsatt gewesen sein, als er zum Konditorstand im Mercado schritt und gleichwohl drei Faschingskrapfen orderte. Ich und der ebenfalls anwesende Schwabe vermuteten, er wolle uns in einem Anfall untypischer Kollegialität kostenlos mit Nachtisch versorgen. Doch weit gefehlt. Hoffnungsvolle Andeutungen unsererseits wusste der Naturbursche nämlich dröhnend zu widerlegen. Sein Hohnlachen hallte schaurig durch die Ottenser Häusergassen.

      Um uns endgültig im Staub zu zertreten, erklärte er, jene drei Faschingskrapfen seien sowieso nur ein fader Kompromiss. „Wenn es fünf im Sonderangebot gibt“, düpierte er uns final, „dann esse ich fünf!“ Er untermauerte dies mit Schwänken aus seiner Jugend, die nicht nur Faschingskrapfen betrafen. Früher, teilte er Unfassbares mit, habe er mit Vorliebe ein frisches Glas Nutella geöffnet, die obere Hälfte der Schokopaste auf lediglich zwei Brote verteilt und sich nach dem Verzehr des beklagenswerten Backwerks ganz und gar der unteren Hälfte Nutella gewidmet, indem er sie sich ratzeputz pur zuführte, mit einem Messer. „Lange vor Boris Becker!“ wollte er Bewunderung einfahren, doch er erntete nur stumpfes Neben-ihm-Hertrotten. Zum Glück fand ich im Bürokühlschrank noch eine Rippe meiner Schokolade, die Kramers Nachstellungen entgangen war.

      Auch heute ergab sich Erzählenswertes nur mit Essensbezug, sogar erneut in Gegenwart des Franken und des Schwaben. Heute mittag nämlich bei „Heiß und fettig“ fiel ich schon wieder in pekuniärem Zusammenhang unangenehm auf. Ich wusste plötzlich mitten im Mahl nicht mehr, ob ich bereits bezahlt hatte. Und dann vergaß ich auch noch, die Sachlage vorm Wegstaksen abschließend aufzuklären, woraufhin mir eine Verkäuferin gestikulierend nachlief und ultimativ 7,40 Euro einforderte.

      Die süddeutsche Fraktion feixte im Hintergrund, während ich unter kleinlautem Entschuldigungsgemurmel die Rechnung beglich. „Zechpreller!“, blökte der Franke СКАЧАТЬ