Später Besuch. Thomas Hölscher
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Название: Später Besuch

Автор: Thomas Hölscher

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783750218970

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СКАЧАТЬ dass Bremminger zumindest nicht mehr lachte. "Weil du von Voreingenommenheit gesprochen hast: Ich gehe sogar noch weiter: Alle diese Ideen hatten natürlich zu tun mit meinem eigenen Schwulsein, so wie ich es damals erlebt habe. Woraus hat denn mein Schwulsein damals bestanden?" Er lachte kurz auf. "Aus Bildern von Männern, aus Phantasien. Ich habe mich damals nicht akzeptiert, weil ich mich immer nur an diesen Bildern gemessen habe. Ich habe gedacht, als Schwuler bin ich kein richtiger Mann, und ich wollte alles sein, nur nicht schwul. Wenn du willst, kannst du so etwas Homophobie nennen, aber ein solches Wort hilft niemandem, wirklich niemandem. Und irgendwann hat mich eine Vorstellung dann völlig verrückt gemacht: Ich bin genau so wie Wels und Brenner, ich bin brav, bieder, eine erbärmliche Wurst." Es schien Börner plötzlich schwerzufallen, über dieses Thema zu reden. "Auf einmal war die ganze Welt für mich aufgeteilt: Es gab diese erbärmlichen Schwulen, und es gab die richtigen Männer, die sich einfach nahmen, was sie wollten, und die die Schwulen nach Belieben an die Wand drücken konnten" Für Sekunden schien er völlig in Gedanken versunken. "Verstehst du das?"

      "Ich bin kein Psychiater", sagte Bremminger ernst. "Ich bin Polizist."

      Börner schien Bremmingers Bemerkung überhört zu haben. "Ich bin damals zum Beispiel noch wer weiß wie oft auf die Kirmes gegangen, wo wir Wels festgenommen haben." Wieder lachte er und wirkte völlig geistesabwesend. "Stundenlang habe ich mir diese Kirmestypen angesehen, diese Machos, die breitbeinig da stehen und ein Mädchen abknutschen, und nichts in der Welt kann ihnen etwas anhaben. Es nutzt einem gar nichts, wenn man sich sagt, dass es nicht so ist, oder dass diese Leute blöd sind, nichts im Kopf haben. Das will man alles gar nicht sehen. Es war wie eine Brille, durch die ich die Welt nur noch so und nicht anders sehen konnte. Da haut dich einfach etwas um, das ganz tief im Bauch sitzt und an das du mit dem Verstand ohnehin nicht herankommst. Ich brauchte mir solche Leute nur anzusehen, um mir Geschichten über sie auszudenken; und auch diese Geschichten hatten alle eines gemeinsam: sie waren ganz anders als meine eigene. Meine eigene war zum Kotzen."

      "Warum hast du damals nie mit mir über deine Probleme geredet?"

      Börner sah Bremminger überrascht an. "Weil du mir auch wohl damals schon gesagt hättest: Ich bin kein Psychiater, ich bin Polizist."

      Bremminger nickte ernst. "Letztlich hätte ich dir das bestimmt gesagt. Und ich hätte es nicht nur gesagt. Ich hätte dich schließlich auch vor die Alternative gestellt: Entweder du benimmst dich wie ein vernünftiger Mensch, oder du kannst kein Polizist mehr sein."

      Diese Antwort hatte Börner nicht erwartet; er spürte, wie ihm das Blut in den Kopf stieg. "Du meinst also, man ist entweder schwul oder Polizist?"

      "Rede doch keinen Unsinn!", rief Bremminger gereizt. "Und gefall dir vor allem nicht in der Rolle des Märtyrers! Die passt dir nicht, und dazu hast du nicht den geringsten Anlass. Mir ist und war es völlig egal, ob jemand schwul, hetero oder sonstwie ist. Ich hatte gedacht, dass du mir soviel Toleranz zugetraut hättest. Aber", er zögerte eine Weile, "aber mir wäre es auch damals nicht gleichgültig gewesen, dass ein so offensichtlich ..." Wieder zögerte er einen Augenblick. "... ein so offensichtlich psychisch kranker Mensch, wie du ihn gerade geschildert hast, als Polizist auf die Menschheit losgelassen wird."

      Die Antwort hatte Börner verletzt. Er spürte, wie eine riesige Wut in ihm hochstieg und nach einem Ausweg suchte. "Natürlich! Du warst ja immer so tolerant! Dir war es immer gleichgültig, ob jemand schwul, hetero oder sonstwie ist!" Er lachte boshaft. "Als Schwuler hätte ich mich in eurer miesen Männerclique doch gleich aufhängen können. Wenn ich nur an eure elenden und dreckigen Witze denke, an Milewskis Bettgeschichten, mit denen der dämliche Kerl bei euch Eindruck schinden konnte, diese ekelerregende Kumpelhaftigkeit, die nichts ist als Gleichgültigkeit, gegen die man aber nicht verstoßen darf, weil man sonst ein Kameradenschwein ist. Und nimm doch nur deine eigene Rolle bei diesem Affentheater: die graue Eminenz, der Patriarch, der selbstherrlich entscheidet, was Recht und was Unrecht ist."

      Nun hatte Bremminger offensichtlich Mühe, ruhig zu bleiben. "Geht es dir jetzt besser?", fragte er langsam. "Die Polizei ist also eine miese Männerclique!" Er lachte spöttisch. "Ich gratuliere zu dieser tiefgreifenden Erkenntnis! Nur wenn du heute mal genau hinsiehst bei der Polizei, dann wirst du schnell sehen, dass es nicht mehr stimmt. Und wenn jemand abfällig über einen schwulen Kollegen redet, dann bekommt der ganz schnell Probleme." Dann schüttelte er scheinbar fassungslos den Kopf. "Aber davon mal abgesehen, ist die eigentliche Frage doch auch eine ganz andere: Warum bist du denn zur Polizei gegangen, Börner?" Er sah Börner herausfordernd an. "Doch gerade weil sie eine so miese Männerclique ist." Börner machte keine Anstalten, darauf einzugehen. "Die graue Eminenz habe ich mal überhört; als dein Vorgesetzter hätte ich dich damals bei genauer Kenntnis der Sachlage allerdings aus dem Dienst entfernt." Als Börner nun etwas sagen wollte, fuhr Bremminger ihm einfach über den Mund. "Und was Recht und Unrecht angeht, da gibt es gottseidank Gesetze, an die man sich zu halten hat, und auf gar keinen Fall kann die Entscheidung darüber Leuten überlassen werden, die sich selber als einen Fall für den Psychiater bezeichnen." Mit der selbstgefälligen Pose dessen, der weiß, dass alle Ansichten außer der eigenen Unsinn sind, lehnte Bremminger sich zurück und sah Börner herausfordernd an.

      Für Sekundenbruchteile huschte ein verächtliches Grinsen über Börners Gesicht. "Hauptkommissar Bremminger wie er leibt und lebt!", sagte er. "Was ich sage, das stimmt."

      Bremminger war über Börners Spott verärgert. "Was erwartest du denn von mir? Dass ich mir deine Sicht der Dinge aneigne? Dass ich alles beurteile aus der Perspektive eines Verrückten?"

      "Du kannst es doch mal versuchen." Börner nickte zustimmend. "Einmal kannst du es doch versuchen. Einfach so. Aus Spaß."

      Bremminger sah Börner eine ganze Weile regungslos an. "Gut", sagte er schließlich. "Gut, ich will es versuchen." Er zögerte. "Aber wenn ich das tue, dann ist da noch eine Sache, die mir erhebliche Bauchschmerzen bereitet."

      Börner sah ihn verständnislos an.

      "Glaubst du eigentlich auch heute noch, dass du damals richtig gehandelt hast?"

      "Ja, das glaube ich."

      "Eben", sagte Bremminger und nickte ernst. "Dann hat sich doch auch das, was du dein Männerbild nennst, bis heute gar nicht geändert?"

      Börner hob gleichgültig die Schultern. "Ich denke, dass dich das nichts angeht."

      "Da bin ich allerdings ganz anderer Meinung."

      Der war auch Börner. Aber für kein Geld der Welt hätte er es nun zugegeben.

      9

      Für einen Augenblick hatte es so ausgesehen, als sei ihr Gespräch beendet. Aber dann hatte Bremminger plötzlich an seinen Vorsatz erinnert, nicht eher zu gehen, als bis er die ganze Wahrheit erfahren habe.

      Diesen Vorsatz wiederholte er nun noch einmal und fügte hinzu, dass ihm auch als Hauptkommissar a.D. die ganze Sache durchaus nicht gleichgültig sein könne. Die amtlich Miene, die er dabei aufsetzte, ließ Börners Wut sofort verpuffen. Das war so typisch Bremminger! So kannte er ihn von früher. Eigentlich war Bremminger ein Mensch, der seine Ruhe haben wollte; und nur wenn die gefährdet war, hatte er den Vorgesetzten herausgekehrt. Und immer war das eine Rolle gewesen, die ihm niemand so recht abgenommen hatte. Bremminger hatte nach dem Krieg zunächst als Kellner gearbeitet, war dann ein kleiner Angestellter bei der Stadtverwaltung gewesen und schließlich zur Polizei gegangen, weil sie damals jeden gebraucht und genommen hatten, und anschließend hatte er sich hochgearbeitet. Wahrscheinlicher war allerdings noch, dass er jedesmal einfach so lange gewartet hatte, bis man gar nichts anders mehr hatte tun können, als ihn zu befördern.

      Bremminger СКАЧАТЬ