Vom Menschenrätsel. Rudolf Steiner
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Название: Vom Menschenrätsel

Автор: Rudolf Steiner

Издательство: Bookwire

Жанр: Сделай Сам

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isbn: 9783752937763

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СКАЧАТЬ ausgesprochen hat. Was er deshalb nicht ausgesprochen, ja, was er vor das eigene Denken nicht gebracht, sondern im unbewussten Seelenleben gelassen hat, weil durch dieses Nicht-Aussprechen das von ihm Gesagte seine volle Bedeutung erlangt hat. Je bedeutender dasjenige ist, was ein Mensch zu sagen hat, desto umfangreicher ist das, was in seinen Seelentiefen unbewusst waltet. In den Seelen derer, die sich in das Denken, das Sinnen einer solchen Persönlichkeit versenken, klingt aber dieses Unbewusste an. Und sie dürfen es auch ins Bewusstsein heraufholen, weil es bei ihnen ja nicht mehr zum Hemmnis für das Auszusprechende werden kann.

      Die Persönlichkeiten, von welchen in dieser Schrift die Rede ist, sich einen in besonders starkem Maße solche zu sein, die Anlass geben, von ihrem Ausgesprochenen zu dem vorzudringen, was sie unausgesprochen gelassen haben. Deshalb glaubte der Verfasser dieses Buches dessen Darstellung mit den »Ausblicken«, die den Abschluss bilden, erst von dem eingenommenen Gesichtspunkte aus zu einer vollständigen zu machen. Er ist der Ansicht, dass er dadurch in die Anschauungen der betrachteten Persönlichkeiten nicht etwas Unberechtigtes hineingetragen hat, sondern das gesucht hat, aus dem sie in wahrem Sinne des Gedankens herausgeflossen sind. Das Unausgesprochene ist in ,diesem Falle ein reich mit Samen besetzter Boden, aus dem das Ausgesprochene als einzelne Früchte hervorgesprosst ist.

      Beobachtet man diese Früchte so, dass man sich bewusst wird des samentragenden Bodens, auf dem sie gereift sind, dann wird man gerade dadurch gewahr, wie dasjenige, was die Seele mit den bedeutsamsten Menschenrätseln erleben muss, bei den in dieser Schrift geschilderten Persönlichkeiten tiefgehende Anregungen, mächtige Hinweise in zielsichere Richtungen und stärkende Kräfte für fruchtbare Einsichten finden kann. Durch eine solche Betrachtung wird man hinwegkommen über die Scheu vor der scheinbaren Abstraktheit gegenüber den Gedanken dieser Persönlichkeiten, die viele gar nicht an sie herankommen lässt. Man wird ersehen, dass diese Gedanken, recht angesehen, von unbegrenzter Lebenswärme voll sind, einer Wärme, welche der Mensch suchen muss, wenn er sich nur wirklich selbst recht versteht.

Das Weltbild des deutschen Idealismus

      Der Idealismus als Seelenerwachen: Johann Gottlieb Fichte

      Johann Gottlieb Fichte sucht in seinen Reden über »Grundzüge des gegenwärtigen Zeitalters« und »an die deutsche Nation« eine Darstellung zu finden für die in der Menschheitsentwicklung wirksamen Geisteskräfte. Er durchdringt sich durch die Gedanken, die er in diesen Reden zum Ausdruck bringt, mit der Empfindung, dass die treibende Kraft seiner Weltanschauung aus dem innersten Wesen der deutschen Volksart fließt. Er hat die Ansicht, dass er Gedanken ausspricht, welche die deutsche Volksseele aussprechen muss, wenn sie aus dem Kern ihrer Geistigkeit heraus sich offenbaren will. Die Art, wie Fichte nach seiner Weltanschauung rang, macht verständlich, dass diese Empfindung in seiner Seele leben konnte. Für den Betrachter eines Denkers muss es bedeutsam erscheinen, die zu dessen Gedankenfrüchten gehörigen Wurzeln zu erforschen, die in seinen Seelentiefen wirken, und die nicht unmittelbar in seinen Gedankenwelten ausgesprochen sind; die jedoch als die treibenden Kräfte in diesen Gedankenwelten leben.

      Was für eine Weltanschauung man hat, das hängt davon ab, was für ein Mensch man ist: Fichte sprach diese Überzeugung aus dem Bewusstsein heraus, dass alle Lebenstriebe seiner eigenen Persönlichkeit als ihre naturgemäße selbstverständliche Frucht die begriffsstarken Gipfelhöhen seiner Weltanschauung hervorbringen mussten. Dieser Weltanschauung, in deren Mittelpunkt des Verständnisses sich nicht viele versetzen wollen, weil sie, was sie finden, für weltfremde Gedanken halten, in die einzudringen nur Aufgabe des Denkers »von Beruf« sein könne. Verständlich ist diese Empfindung bei demjenigen, der ohne philosophische Vorbereitung an Fichtes Gedanken herantritt, indem er sie in dessen Werken aufsucht. Doch ist es für denjenigen, der die Möglichkeit hat, sich in das volle Leben dieser Gedanken zu versetzen, nicht absonderlich, sich vorzustellen, dass eine Zeit kommen werde, in der man Fichtes Ideen wird in eine Form gießen können, die jedem verständlich ist, der aus dem Leben heraus sich über den Sinn dieses Lebens Vorstellungen machen will. Auch für das einfachste Menschengemüt, das ferne steht dem, was man philosophisches Denken nennt, werden diese Ideen dann zugänglich sein können. Denn sie haben zwar ihre philosophische Gestalt erhalten von dem Charakter, den die Gedankenentwicklung in Denkerkreisen um die Wende des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts angenommen hat; ihre Lebenskraft haben sie aber aus Seelenerlebnissen, die in jedem Menschen vorhanden sind. Gewiss ist gegenwärtig die Zeit noch nicht gekommen, in der ein solches Umgießen Fichtescher Gedanken aus der Sprache seiner Zeitphilosophie in die allgemein-menschliche Ausdrucksform völlig möglich wäre. Solche Dinge werden nur mit dem allmählichen Fortschreiten gewisser Vorstellungsarten im Geistesleben möglich. So wie Fichte selbst genötigt war, seine Seelenerlebnisse in die Gipfelhöhen dessen zu tragen, was man gewöhnlich abstraktes Denken nennt und kalt und lebensfremd findet, so ist es auch gegenwärtig wohl nur in eingeschränktem Maße möglich, diese Seelenerlebnisse herunterzutragen aus jenen Höhen.

      Nach immer neuen Ausdrucksformen für diese Seelenerlebnisse rang Fichte von seiner frühen Jugend an bis dahin, da jäh der Tod ihn noch im Mannesalter erreichte. In allem Ringen ist ein Erkenntnisgrundtrieb bei ihm offenkundig. In der eigenen Menschenseele will er ein Lebendiges suchen, in dem der Mensch nicht nur die Grundkraft seines eigenen Daseins erfasst, sondern in dem, seinem Wesen nach, erkannt werden kann auch dasjenige, was in der Natur und in allem anderen Außermenschlichen webt und wirkt. Im Wassertropfen hat man im Verhältnis zum Meere ein winziges Kügelchen. Erkennt man aber dieses in seinem Wassercharakter, so hat man in dieser Erkenntnis auch diejenige des Wassercharakters des ganzen Meeres. Ist im Menschenwesen etwas aufzufinden, das sich als eine Offenbarung des innersten Weltwebens erleben lässt, dann darf man hoffen, durch vertiefte Selbsterkenntnis zur Welterkenntnis fortzuschreiten.

      Auf dem Wege, der sich aus dieser Empfindung ergibt, wandelte die Weltanschauungsentwicklung lange vor Fichtes Zeitalter. Er aber ward mit seinem Leben auf einen bedeutungsvollen Punkt dieser Entwicklung gestellt. Wie er seine nächsten Anstöße von den Weltanschauungen Spinozas und Kants her erhielt, das ist an vielen Orten zu lesen. Die Art, wie er sich durch das Wesen seiner Persönlichkeit zuletzt in Weltanschauungsfragen verhielt, wird aber am anschaulichsten, wenn man ihm den Denker gegenüberstellt, der ebenso aus romanischem Denken hervorgegangen ist wie Fichte aus deutschem: Descartes (Cartesius. 1596-1650). In Descartes tritt deutlich zutage, wie aus der angedeuteten Empfindung heraus der Denker eine Sicherheit in der Welterkenntnis durch das Gewinnen eines festen Punktes in der Selbsterkenntnis sucht. Vom Zweifel an aller Welterkenntnis nimmt Descartes seinen Ausgangspunkt. Er sagt sich: die Welt, in der ich lebe, offenbart sich in meiner Seele, und ich bilde mir aus ihren Offenbarungen Vorstellungen über den Lauf der Dinge.

      Was aber verbürgt mir, dass diese meine Vorstellungen mir wirklich etwas über das Wirken und Weben im Weltlauf sagen? Könnte es nicht so sein, dass meine Seele zwar von den Dingen gewisse Eindrücke empfängt; diese Eindrücke aber den Dingen selbst so ferne ständen, dass mir in ihnen sich nichts von dem Sinn der Welt enthüllte? Darf ich angesichts dieser Möglichkeit sagen: ich weiß dies oder jenes von der Welt? Man sieht, in diesem Meer des Zweifels kann dem Denker alle Erkenntnis zu einem Traum der Seele werden, und ihm nur die eine Überzeugung sich aufdrängen: dass der Mensch nichts wissen könne. Für einen Menschen aber, dem die Triebkraft des Denkens in der Seele so lebendig geworden ist, wie im Körper die Triebkraft des Hungers lebendig ist: für den bedeutet seelisch die Überzeugung, dass der Mensch nichts wissen könne, das gleiche, was für den Körper das Verhungern bedeutet. Alle innersten Stimmungen von Seelengesundheit im höheren Sinne bis zum Erfühlen des »Seelenheiles« hängen damit zusammen.

      In der Seele selbst findet Descartes den Punkt, auf den er die Überzeugung stützen kann: die Vorstellungen, die ich mir von dem Weltenlauf bilde, sind kein Traum; sie leben ein Leben, das im Leben der ganzen Welt ein Glied ist. Wenn ich auch an allem zweifeln kann, an einem kann ich es nicht, denn ich strafte mich mit solchem Zweifel selbst Lügen. Ist es denn nicht gewiss, dass ich, indem ich mich dem Zweifel hingebe, denke? Ich könnte nicht zweifeln, wenn ich nicht dächte. Unmöglich also kann ich mein eigenes Erleben im Denken СКАЧАТЬ