Das Vermächtnis aus der Vergangenheit. Sabine von der Wellen
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СКАЧАТЬ versuche erneut mich aufzusetzen. Langsam schiebe ich mich hoch und lasse das Karussell ausdrehen, das in meinem Kopf rotiert. Als die Welt endlich stillsteht, ziehe ich langsam die Decke an die Seite und schiebe die Beine über den Bettrand. Mir fällt ein, dass ich schon einmal wach gewesen bin - irgendwann in den frühen Morgenstunden. Da hatte eine Schwester nach mir geschaut.

      Ich hebe den linken Arm und besehe mir die Stelle, auf der ein Pflaster über eine zusammengerollte Kompresse geklebt ist. Das ist noch ein Überbleibsel von dem komischen Teil für den Infusionsschlauch, der am vergangenen Abend gezogen wurde.

      Einige Minuten bleibe ich nur sitzen und sehe auf die Tür, die ich erreichen will. Ich muss es bis ins Bad schaffen.

      Eigentlich soll ich klingeln. Das hatte mir zumindest die Schwester heute Morgen eingebläut.

      Tatsächlich schaffe ich es, auf die Füße zu kommen und die tragen mich sogar die wenigen Schritte bis zu der Badezimmertür. Als ich sie öffne und eintrete, fällt mein Blick auf die winzige Dusche, die ich in der Nacht nicht wahrgenommen hatte. Ein unbändiger Wunsch nach heißem Wasser und Sauberkeit erfüllt mich. Ich muss schon stinken wie ein Iltis.

      Während ich mich auf die Toilette fallen lasse, überlege ich, ob ich wohl duschen kann. Soll ich die Krankenschwester fragen? Und wenn die dann „Nein“ sagt? Das will ich auf gar keinen Fall riskieren.

      Ich bediene die Toilettenspülung und lasse meine Pyjamahose fallen, die eh schon auf halbmast hängt. Ich öffne blind die Knöpfe der Jacke, da ich nicht an mir herunterschauen kann und stelle mich unter den Brausekopf, der das Wasser nur auf meine Schultern rieseln lässt.

      Es ist ein unglaublich schönes Gefühl.

      Seife finde ich in einem kleinen Eckregal.

      Ich wasche mich und stellte fest, dass es mir schon bessergeht.

      Der Versuch, meinen Kopf vornüber zu beugen, misslingt allerdings gründlich. Meine Haare zu waschen muss also noch warten.

      Ich stelle das Wasser ab und lege mir das Handtuch um, das auf seinen Einsatz wartend an einem Harken hing. Zähneputzen klappt auch schon ganz gut und nach dem Kämmen finde ich mich nicht mehr ganz so erschreckend. Nun fehlt nur noch ein Frühstück und ich werde wieder Zweige abbrechen können. Zum Bäume ausreißen wird es noch nicht ganz reichen. Aber ich habe wieder das Gefühl, mein Leben in den Griff bekommen zu können … und ich werde nach Tim fragen. Vielleicht kann ich ihn bald besuchen?

      Meinen Vorsatz, es heute noch zu tun, verschiebe ich fürs Erste. Es verursacht mir ein flaues Gefühl in Bauch und der Gedanke, es noch zu verschieben, lässt mich gleich wieder ruhiger werden.

      Als ich aus dem Badezimmer schlurfe, trifft mich fast der Schlag. Vor meinem Bett steht Tim. Er hat eine meiner Zeitschriften in der Hand, die mir wohl von Marcel dort hingelegt worden waren. Jetzt sieht er mir entgegen und legt sie langsam wieder auf den Nachttisch zurück.

      Er sieht noch blasser aus als sonst und seine dunklen Haare glänzen in der Sonne, die hinter ihm durch das Fenster ins Zimmer scheint und ihn beleuchtet, wie einen Heiligen.

      Ich stehe wie angewurzelt da und bin mir nicht ganz sicher, ob meine Beine mich weitertragen werden. Meine Knochen drohen sich augenblicklich in Götterspeise zu verwandeln.

      „Tim!“, hauche ich nur.

      „Carolin!“ Tims Stimme klingt kratzig und dumpf. Seine schwarzen Augen durchdringen mich und scheinen bis in meine Seele zu reichen. Mit wenigen Schritten ist er bei mir, greift nach meinem Arm und zieht mich an sich. Er hält mich umschlungen, als wäre es das letzte Mal in unserem Leben und wenn wir uns loslassen, werden wir zu Nebel und lösen uns auf.

      „Ich dachte, wir überleben das nicht“, höre ich ihn an meinem Ohr stammeln. „Ich dachte, du überlebst das nicht. Du hast so geblutet …“

      An meinem Hals spüre ich einen stechenden Schmerz. Dennoch presse ich mich an ihn und seine Arme legen sich noch fester um meinen Körper. Ich spüre den Verband, der um seine Brust geschlungen ist.

      „Dieser Typ, der dich aus dem Labor trug, war bei mir und sagte mir, dass du es überstehen wirst und Julian in Untersuchungshaft sitzt“, raunt Tim mit etwas festerer Stimme.

      „Ja, das war Marcel“, flüstere ich nur, zu mehr nicht fähig. Ich kann mir nur schwer vorstellen, wie Marcel und Tim zusammengetroffen sind. Aber es ist wohl typisch für Marcel, sich die Mühe zu machen und Tim über alles zu informieren. Hätte er es auch getan, wenn er wüsste, wie ich zu Tim stehe?

      Ihn jetzt so nah bei mir zu haben, seine Arme um mich geschlungen zu fühlen, seine Stimme zu hören und seinen heißen Atem an meinem Ohr zu spüren, lässt mein Herz höherschlagen. Sein Geruch lullt mich ein und wirkt wie eine Droge. Ich fühle unter seinem T-Shirt den Verband, der um seinen Oberkörper geschlungen ist und schiebe ihn vorsichtig etwas von mir ab, um ihn ansehen zu können.

      Über seiner Augenbraue klebt ein Pflaster und drum herum schillert seine Haut in blassen Regenbogenfarben. Er hat ein schwarzes T-Shirt an und eine schwarze Satin-Pyjamahose. Das T-Shirt zeigt deutlich die Erhebung eines dicken Verbandes um den Oberkörper und er hat Abschürfungen an den Armen.

      Sein Anblick versetzt mir einen Stich, weil ich an seinem Zustand schuld bin.

      „Wie geht es dir? Was machen deine Rippen? Hast du Schmerzen?“, frage ich fast stimmlos und muss mich zwischendurch Räuspern, um überhaupt etwas herauszubekommen.

      „Es geht schon. Ich habe mir nichts gebrochen, obwohl ich ziemlich heftig aufgeschlagen bin, als Julian mich mit dem Auto anfuhr“, sagt er und hält mich an den Schultern fest, als wolle er auf keinen Fall den Kontakt verlieren.

      Meine Beine wollen mir schon wieder versagen, als er das sagt. Ich hatte diesen Teil von Julians Übergriff völlig verdrängt.

      „Und als er mich zusammenschlug, hat er hauptsächlich den Bauch getroffen und da habe ich gute Muskeln, die das Schlimmste wohl abfingen.“

      „Oh Gott, hör auf!“, jaule ich entsetzt auf. „Sag nichts mehr.“

      Jetzt, hier mit Tim zusammen, kommt alles mit einer Urgewalt wieder hoch. Das, was ich am Tag zuvor noch als nicht mehr ganz so dramatisch empfand, erhält nach Tims Ausführungen wieder den Schrecken zurück, den ich bisher mit aller Macht verdrängt hatte. „Es tut mir so schrecklich leid. Ich hätte auf dich hören sollen, dann wäre das alles nicht passiert.“ Ich winde mich aus seinem Griff und er lässt seine Hände sinken.

      Als wäre ein starkes Halteseil von uns abgefallen, fühle ich mich plötzlich schrecklich angreifbar und verletzlich und eile zum Bett zurück. Ich habe Angst, in mich zusammenzusinken wie misslungenes Soufflee.

      „Wenn ich alles rückgängig machen könnte …“, meine Stimme will mir schon wieder den Dienst versagen, wie vorher meine Beine. Ich setze mich schnell auf das Bett und habe das Gefühl, mich überrollt eine Wand aus Trauer, Angst, Schuld, Schmerzen und, als ich in Tims Gesicht sehe, tiefe Zuneigung.

      Das ist mehr, als ich verkraften kann.

      Tim ist mit zwei Sätzen bei mir und nimmt mein Gesicht in beide Hände. Seine schwarzen Augen sehen auf mich herunter und als wolle er nichts mehr hören und nur noch seinen scheinbar genauso durcheinandergeratenen Gefühlen freien Lauf lassen, beugt er sich zu mir runter und küsst mich.

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