Professors Zwillinge im Sternenhaus. Else Ury
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Название: Professors Zwillinge im Sternenhaus

Автор: Else Ury

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783750295858

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СКАЧАТЬ daß sich da einer verkrochen haben könnte. Es war ja Sonntag heute. Da wollte er auch was von seiner Familie haben. Um vier ging die Nachmittagsvorführung wieder an.

      Herbert begann es in dem dunkeln, großen Raum eigentümlich beklommen zumute zu werden. Er versuchte über seine unfreiwillige Gefangenschaft zu lachen. Aber sein Lachen dröhnte in dem leeren Raum schauerlich, als ob nicht einer, sondern viele lachten. Er war doch sonst solch ein beherzter Junge.

      Wieder begann er aus Leibeskräften an der Tür zu rütteln. Himmelmohrenelement – man mußte ihn doch hören, ihn vermissen. Der Vater kannte doch seinen Jungen. Der würde es sich schon denken können, daß er nur mal einen Blick hatte hineinwerfen wollen. Vater war ja der Direktor vom Planetarium. Er hatte sicher die Schlüssel dazu und würde ihn gleich aus seiner Dunkelhaft befreien.

      Aber Minute auf Minute verstrich – Ewigkeiten schienen sie Herbert. Keiner kam. Keiner suchte ihn.

      Ja, vermißte denn die Suse ihren Zwilling nicht? Und Mutti? Und wo war denn Bubi? Ach, wenn Bubi doch wenigstens bei ihm gewesen wäre. Doch ein lebendes Wesen in dieser herzbeklemmenden Stille und Finsternis.

      War es nicht zum Lachen? Er, der Sohn des Planetariumdirektors, war hier in dem Institut des eigenen Vaters gefangen. Wirklich, es war zum Lachen. Und Herbert tat gerade das Gegenteil davon. Er begann zu heulen, als ob er noch ein kleiner Abc-Schütze wäre und nicht ein großer Quartaner.

      Aber vermißte man ihn denn wirklich nicht?

      Freilich, Suse, das getreue Schwesterchen, war die erste, die fragte: »Wo ist denn Herbert?«

      »Sicher schon am Gartenausgang«, meinte die Mutter. »Der Junge kann ja nie genug bekommen. Es geht ihm mal wieder zu langsam.«

      »Ja, da ist ja auch Bubi«, sagte der Vater, auf den Köter, der sie bereits am Ausgang erwartete, weisend. Freilich, Bubi war da. Aber von Herbert keine Spur, soweit man auch die Marienstraße auf und ab blickte.

      Hm – der Schlingel mußte doch immer seine eigenen Wege einschlagen. Nun, sie würden dasselbe tun. Wenn er sich der väterlichen Führung entzog – schön. Verloren konnte er ja hier in Jena nicht gehen.

      »Komm, Suschen«, rief der Professor das Töchterchen, das den Kopf immer noch rückwärts drehte. »Schau, hier ist der Botanische Garten. Da gehen wir mal an einem Nachmittag hin. Es ist eine herrliche Anlage. In dem Inspektorhäuschen hat Goethe mehrere Sommer lang gewohnt. Er hat dort ein Gedicht auf den fremdartigen Baum vor seinem Fenster, Gingko heißt er, verfaßt. Der Baum ist heute noch zu sehen.«

      »Gingko? Ist das ein drolliger Name. Den habe ich noch nie gehört«, verwunderte sich Suse.

      »Es ist auch ein höchst merkwürdiger Baum, ein Zwischending zwischen Nadel- und Laubbaum. Er kommt aus China und Japan und hat, trotzdem er zu den Nadelbäumen gehört, dicke, fleischige Blätter«, erzählte der Vater. »Solch ein Gingkobaum soll über tausend Jahre alt werden.«

      Nun hatte Suse für alles, was Blumen und Pflanzen hieß, Interesse, mehr noch als für Goethe. Aber augenblicklich interessierte sie nur der fehlende Herbert. Wo mochte er nur stecken?

      Auch die Mutter blieb alle paar Schritte stehen und hielt Umschau. Eine Mutter beruhigt sich ja nicht so leicht. »Kann unser Junge denn nicht noch im Prinzessinnengarten sein, Paul? Der Hund läuft doch immer dahin zurück.«

      »Er sucht seinen kleinen Herrn. Sicher hat sich Herbert irgendwo versteckt und überfällt uns dann plötzlich aus dem Hinterhalt. Er macht ja gern derartige Flausen. Der Mosjö selbst hat ja den größten Schaden davon, daß er um die Erklärungen bei der Führung durch die Stadt kommt.« Der Professor war ärgerlich auf den Sohn, der die Harmonie des ersten gemeinsamen Spazierganges in Jena störte. Denn auch die Mutter hatte nicht mehr die rechte Ruhe und Andacht für die Denkwürdigkeiten der alten Stadt.

      Suse aber hatte gar keine Freude an dem Neuen. Ihr zweites Ich fehlte. Wenn er doch irgendwo aus dem Hinterhalt hervorgeschossen wäre und sie noch so sehr erschreckt hätte. Am liebsten hätte sie es wie Bubi gemacht, der drei Schritte voranlief und dann wieder zurück.

      Der Fürstengraben mit den herrlichen alten Linden und Kastanien, die zum Teil noch aus dem siebzehnten Jahrhundert stammten und von denen sie sonst begeistert gewesen wäre, machte gar keinen Eindruck auf sie. Sie zog den Vater, der sie auf das alte, efeuumrankte Frommannsche Haus, in dem Goethe mit seinen Freunden manchen Abend verlebt hatte, aufmerksam machte, aufgeregt weiter. Was fragte sie nach Goethe, wenn ihr Herbert verschwunden war?

      »Wir wollen nach Hause gehen, Vatichen, ja? Herbert ist gewiß ins Sternenhaus zurückgegangen«, bat sie.

      »Möglich. Schadet ihm gar nichts, wenn er dann draußen stehen muß, bis wir kommen. Wozu muß er immer eine Extrawurst haben?« Ruhig setzte der Vater seinen Weg fort.

      Scharen von Studenten kreuzten ihren Weg. Wo sie sich blicken ließen, flogen die bunten Mützen grüßend in die Luft. Professor Winter hatte sich trotz der kurzen Zeit bereits Beliebtheit und Anerkennung bei seinen jungen Hörern erworben.

      Suse gewahrte es kaum. Betrübt zog sie ihres Weges, Bubi ebenso betrübt hinterdrein mit gesenktem Schwänzchen.

      Nicht mal das altersgraue Rathaus, das mehr als fünfhundert Jahre auf den Marktplatz herabblickte, fesselte sie. Nur nach Herbert schaute sie aus. Wo sie einen Jungen im Kieler Matrosenanzug erblickte, glaubte sie ihn gefunden zu haben.

      »Suschen, achte auf die Turmuhr des Rathauses. Gleich schlägt es eins. Dann erscheint der Schnapphans, eins der sieben Wunder Jenas«, machte der Professor sein Töchterchen aufmerksam.

      Dumpf dröhnte es vom Turm, und – »da ist er!« rief die Mutter, auf den Teufel, den sogenannten Schnapphans, der mit voller Stunde über das Zifferblatt hinweg nach einem Apfel schnappt, weisend.

      »Wo – wo?« rief Suse aufgeregt.

      »Dort oben mit dem Apfel.«

      »Unser Herbert?«

      »Aber Kind, der Schnapphans oben auf der Turmuhr. Hast du denn nicht beobachtet, wie der Pilger dem Teufel den Apfel auf einer Stange reicht?« fragte der Vater unzufrieden, daß Suse so wenig Interesse zeigte.

      »Und den Engel auf der linken Seite der Uhr, der ein Glöckchen hebt, hast du auch nicht gesehen, Mädel?« erkundigte sich die Mutter.

      Nein, Suse hatte nichts gesehen. »Ich will das auch gar nicht ohne meinen Herbert sehen. Wenn Herbert wieder da ist, gucken wir es uns zusammen an.« Das große Mädel begann jetzt wirklich mitten auf dem Marktplatz von Jena vor Aufregung zu weinen.

      Wie peinlich – alle vorübergehenden Studenten blickten lächelnd oder mitleidig auf das weinende Professorentöchterlein. Der Vater nahm einen Wagen, um der auffallenden Situation ein Ende zu machen.

      »Na, Kinder, ihr seid nett«, sagte er halb im Ernst, halb im Scherz. »Der eine ist unsichtbar, und die andere fällt durch ihr Geheul auf. Das ist ja ein vielversprechender Anfang.«

      Auch die Mutter meinte: »Suse, erst zankt ihr euch heute morgen, und nun tust du, als ob einer nicht ohne den andern leben kann. Paß auf, Herbert sitzt seelenvergnügt im Sternenhaus und lacht uns alle aus.« Die Mutter wollte sich wohl selbst beruhigen.

      Still lag das Sternenhaus in der Mittagssonne. Kein Herbert ließ sich sehen. Nur Piccola mauzte verlassen.

      »Was СКАЧАТЬ