Название: Tonga und Xantos, ihr Nachfolger
Автор: Silke May
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783738006780
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Nachdem Gertrud ihre Geschichte erzählt hatte, stellte sie selbst noch eine kurze Frage an Anna. »Was war das?«
»Komm, wir fahren zum Arzt, und auf dem Weg erzähle ich dir alles.«
Sie stiegen in Gertruds Wagen und Anna lenkte ihn zügig vom Hof. Während sie fuhren, erzählte sie von der vergangenen Nacht und Gertrud kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Noch im Wartezimmer rätselten sie, woher Tonga kam.
Nachdem Gertruds Wunde versorgt worden war, fuhr Anna sie zum Geschäft ihres Mannes. Von dort aus rief sie Victor an, um sich von ihm abholen zu lassen. Er war überrascht, dass seine Frau nicht zuhause war, und so informierte sie ihn in Kurzform über den Stand der Dinge. Sofort packte er die Kinder und den Hund ins Auto und machte sich auf den Weg. Nach kurzer Zeit kamen sie beim Geschäft des Schusters an. Die beiden Familien wechselten ein paar Worte, dann fuhr Victor mit seinen Lieben nach Hause. Jeder war tief in Gedanken versunken und mit gemischten Gefühlen näherten sie sich ihrem Hof. Daheim angekommen wollte keiner ins Bett gehen, obwohl es schon spät geworden war.
Nero kam plötzlich unter dem Tisch hervor und rannte auf die Vase zu. Er schnupperte an ihr und bellte laut.
Alle fuhren hoch und sahen zu ihm hin. Nun kauerte Nero vor der Vase und knurrte drohend. Victor stand auf und ging zu ihm.
»Was ist denn los?«, fragte er und wollte ihn mit der Hand wegschieben. Aber er wich keinen Millimeter zur Seite. Da konnte es auch Victor sehen. Auf dem Boden direkt bei der Vase befanden sich Blutflecken.
»Unglaublich, direkt am Vasenrand ist Blut!«, rief er den anderen zu und drehte sich zu ihnen um. Tanja schrie auf: »Um Himmels willen, das ist die Hexe! Sie wohnt in der Vase!«
Victor und Mischa nahmen die Vase daraufhin vorsichtig hoch und trugen sie aus dem Haus.
»Wir müssen sie vernichten!«, erklärte Anna und nahm vorsichtshalber schon einmal das Fläschchen mit dem Goldstaub in die Hand. Zu dritt gingen sie vor das Haus. Dort hoben Victor und Mischa die Vase hoch in die Luft und ließen sie dann auf den Steinboden fallen. Sie zersprang in unzählige Scherben.
Im selben Moment war ein Pfeifen zu hören, als würde eine Silvesterrakete vorbeizischen, und eine Rauchsäule stieg in den Himmel.
»Ich glaube, wir haben sie erwischt«, sagte Anna und seufzte erleichtert auf.
»Jetzt haben wir uns wirklich eine Flasche Sekt verdient«, ergänzte Mischa und sie gingen zurück ins Haus. Im Zimmer warteten Tanja und Peterle schon gespannt. »Hat es geklappt?«, fragte Tanja neugierig.
»Ja, du kannst schon mal den Sekt holen, denn das muss gefeiert werden!«
Endlich konnten sie wieder aufatmen und feierten entspannt und gelöst. Die Erwachsenen saßen noch bis spät in die Nacht zusammen.
Am nächsten Morgen herrschte draußen ein fürchterliches Schneetreiben. Niemand wollte aus dem Haus gehen, und die Familie überlegte, ob es möglich wäre, einige Besorgungen auf den nächsten Tag zu verschieben. Schnell waren sie sich einig. Tanja bekam die Erlaubnis, sich für den heutigen Tag in der Schule abzumelden. Mischa, der bei seinem Vater Victor als Försterlehrling arbeitete, hatte es noch einfacher. Er musste sich bei niemandem rechtfertigen. Den Rest des Tages verbrachten sie faulenzend mit Lesen, Spielen und Handarbeiten.
Drinnen war es umso gemütlicher, als der Wind um das Haus pfiff und an den Fensterläden rüttelte. Es war wohlig warm in der Stube, im Kamin knisterte das Feuer und alle waren rundherum zufrieden.
Nur Anna verspürte Lust, sich noch ein wenig zu bewegen. »Ich werde eine kleine Runde drehen, denn es hat gerade aufgehört zu schneien. Wer möchte mitkommen?«
»Ich nicht«, kam die Antwort von allen Seiten wie aus der Pistole geschossen.
So etwas Ähnliches hatte sie sich schon gedacht, deshalb war sie nicht enttäuscht und machte sich allein auf den Weg.
Die Luft draußen war herrlich frisch, es roch wunderbar nach Neuschnee und der Wind rauschte durch die Baumkronen. Anna genoss jede Sekunde ihres Spaziergangs, sie fühlte sich frei und glücklich. Tief atmete sie die kalte Luft ein und summte dabei ein Lied. So lief sie eine ganze Weile dahin, ehe sie umkehrte und sich wieder auf den Heimweg machte. Ein wunderschöner Eichelhäher setzte sich auf einen Ast und sah auf sie herunter. Anna blickte den Vogel kurz an und wollte schon weitergehen. Da vernahm sie eine Stimme: »Anna, bleib stehen, ich möchte mit dir reden!«
Obgleich sie überrascht war, wunderte Anna sich nicht mehr, denn sie hatte ja bereits mit einem Tier gesprochen. Also blieb sie stehen und sah zu dem Vogel auf: »Bist du es, Isaja?«
»Ja, schöne Frau, ich bin es. Leider altere ich sehr schnell. Was ist los, wann werdet ihr Tonga endlich vernichten?«
Anna sah den Vogel verdutzt an.
»Was soll diese Frage? Wir haben sie bereits gestern unschädlich gemacht, sie ist wie eine Rakete in die Luft abgezischt!«
»Ja, Anna, du sagst es selbst: Sie ist in die Luft gegangen. Das bedeutet, dass sie nur verschwunden ist und keineswegs zerstört.«
»Jetzt sag bloß, diese Hexe wird zurückkommen? Bitte sag mir, wie wir sie besiegen können!«
»Das würde ich gerne, meine liebe Anna, aber leider weiß ich es nicht. Vielleicht kann dir Eron helfen.«
»Das hoffe ich sehr! Wie kann ich ihn erreichen?«
»Du musst um Mitternacht bei Kerzenschein etwas Staub aus deinem Fläschchen auf dem Tisch streuen. Dazu sprichst du: Zauberer Eron aus dem Land der Nächte, bitte eile mir zu Hilfe!
Wenn du Glück hast, wird er erscheinen – achte aber gut auf den Staub und verliere nichts davon!«
Anna wollte noch etwas sagen, aber da erhob sich der Vogel schon wieder in die Luft. Sie merkte, dass sie fröstelte, und machte sich mit eiligen Schritten auf den Heimweg. Zuhause angekommen lief sie sofort in die Stube, ohne sich die Zeit zu nehmen, ihren Mantel abzulegen.
Ihre Familie saß um den Tisch und spielte Mensch ärgere dich nicht.
»Aber hallo, hier drin ist es warm, du musst doch nicht im Mantel herumlaufen!«, rief Tanja.
»Sei still, ich muss euch etwas sagen!«, fuhr Anna sie scharf an. Anna erzählte, während sie sich des Mantels entledigte, was ihr widerfahren war. Jetzt waren alle wie vom Donner gerührt und ihre fröhliche Laune war beim Teufel. Würde nun alles wieder von vorn beginnen?
»Wie konnten wir aber auch so blauäugig sein und glauben, dass es derart einfach wäre, eine Hexe zu besiegen«, sagte Victor und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. »Aber da müssen wir jetzt durch, wir dürfen nicht den Mut verlieren.«
Ein weiteres Gespräch wollte nicht mehr zustande kommen. Beim Abendessen saßen alle betreten am Tisch und starrten vor sich hin. Da sprang Mischa plötzlich auf.
»Mensch, vor lauter Trübsal haben wir vergessen, die Tiere in den Stall zu bringen!«, rief er erschrocken. Victor entgegnete: »Ich helfe dir, denn es ist schon dunkel und wir müssen erst mal alle suchen.« Beide machten sich auf den Weg nach draußen.
»Sollen wir jetzt verhungern, СКАЧАТЬ