Das Vermächtnis aus der Vergangenheit. Sabine von der Wellen
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      Ich sehe fasziniert auf den Bildschirm und lasse das Lied durch meinen Körper rauschen. Dabei spüre ich Eriks warmen Brustkorb an meinen Beinen und sehe von dem Bildschirm in sein Gesicht. Er steht so dicht vor mir, dass ich nicht mal herunterspringen könnte, ohne direkt in seinen Armen zu landen.

      Seine Hände legen sich um meine Taille und fixieren mich an meinem Platz. „So können wir uns mal vernünftig unterhalten“, erklärt er die Aktion, während ich ihn nur wie ein Hintergrundrauschen wahrnehme.

      Das Lied läuft aus, um wieder von vorne zu beginnen. Ich sehe erneut die dunkle Welt, die auf den weißen Kokon zusteuert …

      „Was ist mit deinem Bruder? Ellen sagte, du hattest Probleme mit ihm?“, höre ich Erik fragen und sehe ihn wieder an. Will er jetzt wirklich mit mir über Julian reden?

      Ich schüttele langsam den Kopf. „Ach, ist doch egal“, murmele ich und sehe erneut auf den Bildschirm. Was ist das bloß für ein Lied? Das ist Marcel und Tim zusammen. So schön und fasst nicht auszuhalten!

      Meine Gefühlswelt wird durcheinandergeschüttelt, wie ein Schiff bei starkem Seegang. Dabei will kein Gedanke mehr vernünftig zu einem anderen passen.

      „Nun sag schon. Was war mit ihm?“ Erik legt seinen Zeigefinger auf meine Wange und drückt meinen Kopf zur Seite, damit ich ihn wieder ansehen muss. „Ist der dir an die Wäsche gegangen?“

      Ich sehe ihn beunruhigt an. Ist es das, was er bei Ellen verbockt hat?

      „Nein!“, brumme ich und wünsche mir, dass er mich endlich loslässt. Mein Blick gleitet erneut zu dem Video, als wäre ich damit verbunden.

      „Was war es denn dann? Komm, sag es mir. Ich bin wirklich neugierig“, raunt Erik mit strengem Blick und in einem barschen, ungeduldigen Ton.

      Er nervt und meine Stimmung sinkt, wie in dem Video der Schmetterling im Sog der vielen anderen Falter. Mir wird flau im Magen und eine Sehnsucht packt mich. Ich will zu Marcel! Warum kommt Ellen nicht endlich wieder?

      Ich sehe über Erik und die seltsamen Gestalten hinweg, die den Raum bevölkern, als das Lied endlich endet und ich hoffe, es beginnt nicht wieder von vorne.

      Es fängt tatsächlich ein anderes Lied an und ein neues Video. Ich atme auf.

      „Ich lasse dich nicht eher runter, bis du mir gesagt hast, was ich wissen will. Hat der dich belästigt?“ Erik grinst unverschämt und er wird mir wirklich langsam unsympathisch.

      Plötzlich schießt es mir durch den Kopf. Marcel, der mich aus dem Labor holt und völlig panisch nach einem Krankenwagen schreit. Oh Mann! Ich fühle mich von dieser plötzlichen Erinnerung wie überfahren.

      „Komm, spucks aus, sonst lasse ich dich hier nicht weg“, zischt Erik ungeduldig. Sein Blick wird hart und unnachgiebig und ich spüre die kalte Angst durch meine Adern kriechen. Aber ich weiß nicht, ob es an Erik liegt oder weil er meine Vergangenheit heraufbeschwört.

      „Julian wollte mich umbringen“, raune ich und das Entsetzen packt mich stärker.

      Erik scheint jetzt verwirrt zu sein. „Was? Hast du Halos?“

      „Wieso? Ne! Er hat mir in den Hals geschnitten.“ Ich schiebe meine Haare an die Seite, beuge mich zu ihm runter und zeige ihm die Narbe. Damit soll doch wohl alles geklärt sein und er lässt mich endlich in Ruhe.

      „Krass! Das ist natürlich hart“, raunt er überrascht, packt mich um die Hüfte und hebt mich von der Anrichte runter. Er stellt mich direkt vor seine Füße und seine Lippen legen sich plötzlich auf meine.

      Ich drehe den Kopf zur Seite und schiebe ihn energisch von mir weg, ein: „Lass das“, zischend.

      „Warum?“ Seine Stimme klingt plötzlich ungewöhnlich weich.

      In dem Moment kommt Ellen ins Zimmer, schubst alle weg, die ihr im Weg stehen und reißt mich von ihrem Bruder weg.

      „Ellen! Alles klar?“, fragt Erik mit einem bedrohlichen Unterton und zieht mich erneut zu sich heran.

      „Erik, hör auf!“, brummt sie mit wütendem Blick. Sie sieht mich an und wird noch wütender. „Carolin, wie geht es dir?“, fragt sie und ich finde die Frage verwirrend.

      „Weiß nicht so recht.“

      „Ich rieche die Scheiße doch bis nach draußen“, faucht Ellen aufgebracht. „Hat Erik dir irgendetwas gegeben?“

      Ich schüttele den Kopf. „Nur eine Cola. Er hat sie vor mir aufgemacht.“

      Ich denke das ist wichtig.

      Ellen sieht mir in die Augen und Erik lacht laut auf, bevor er klarmacht: „Sie hat die Kekse allein gegessen. Ich bin unschuldig und jetzt bleibt sie bei mir. Sie schläft doch eh heute hier. Und du musst dich bestimmt noch um Tina kümmern. Ich kümmere mich so lange um Carolin.“ Den letzten Satz drückt er süffisant über die Lippen.

      Ellen scheint hin und her gerissen zu sein. „Verdammt!“, brummt sie und schießt aus dem Raum.

      Ich will hinterherlaufen, aber Erik hält mich fest und ich fühle mich seltsam benommen und unfähig, mich loszureißen. Außerdem ist mir zum Heulen. Warum lässt Ellen mich hier stehen? Wie Marcel. Und Tim. Alle sind weg.

      Ich sehe mich vor einer Linie stehen. Da wo ich stehe, sind alle weg … springe ich über die Linie, sind alle wieder da. Aber ich kann nicht hinüberspringen.

      Erik zieht mich in seine Arme und tanzt mit mir, langsam und bedächtig.

      Ich fühle mich nicht in der Lage, mich zu wehren. Die traurigen Gedanken an Marcel und Tim halten mich gefangen und machen mich irgendwie willenlos.

      Ellen kommt wieder in den Raum gerauscht und sieht sich nach Daniel um. Der geht zu ihr, als sie ihn zu sich winkt.

      Ich sehe sie an und hoffe, sie wird jetzt hierbleiben. Ich fühle mich in den Armen ihres Bruders nicht wohl. Zumal erneut das Lied von Blueneck anläuft und mir mittlerweile eine Gänsehaut über den Körper treibt. Ich kann den Bildschirm von hier aus nicht sehen … aber das Lied dringt aus allen Boxen in meine Eingeweide.

      Ellen redet auf Daniel ein und er schüttelt den Kopf, was sie wütend macht. Sie sieht auf die Uhr und dann zu mir. Was ist nur los?

      Mir ist seltsam zumute. Ich will nach Hause.

      Erik zieht mich noch fester in seine Arme und ich versuche ihn etwas auf Abstand zu halten. Aber ich fühle mich benommen und wie der Schmetterling in dem Lied. Alles um mich herum wirkt wie in Zeitlupe. Selbst Erik, der mein Kinn umfasst, um mir in die Augen sehen zu können. Was sucht er in meinen Augen? Er irritiert mich.

      „Hey, Süße! Wie fühlst du dich?“, fragt er und dieses „Süße“ geht mir voll quer.

      „Ich muss mal“, antworte ich aufgebracht und schiebe ihn, meine ganze Kraft aufbietend, energisch weg.

      Erik lässt mich widerwillig los und ich gehe durch den Raum rüber zu Ellens Reich. Ich will nicht bei Erik auf die Toilette gehen, wo immer die auch sein mag.

      „Erik!“, höre ich hinter mir Ellen wütend rufen.

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