Das Veteranentreffen. Peter Schmidt
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Das Veteranentreffen - Peter Schmidt страница 4

Название: Das Veteranentreffen

Автор: Peter Schmidt

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783847655077

isbn:

СКАЧАТЬ geben einem ein fast anheimelndes Gefühl von Verlorenheit. War man nicht schon immer verloren?

      Dagegen wirkt der Prunk mancher bayerischer Gebäude wie bloße Verschleierung. Tünche über der Fäulnis.

      Der Neubau des Excelsior entpuppte sich als reine Wohltat: ungefähr zehn Etagen kalte Schönheit aus Glas und Aluminium, aber wenigstens das Gefühl, man sei kein Stadtstreicher zwischen verfallenen Mauern und düsteren Toreinfahrten.

      Ich duschte, weil ich den Badezimmern im Waldhof nicht traute, legte mich zwei Stunden aufs Ohr und ließ meine Rechnung an eine Institution weiterleiten, die ‚Kostenstelle Sonderausgaben West’ heißt. Den Kassierer an der Rezeption focht der seltsame Name nicht an. Die Bestätigung kam umgehend über Telefax.

      Ein großer blonder Bursche lief mir hinter der Flügeltür in die Arme.

      Er machte den Eindruck, als sei er etwas zu hastig vom Rad gesprungen. An seinen Hosenbeinen steckten Fahrradklammern, und sein Gesicht war leicht gerötet.

      „He, Mann“, sagte ich. „Bei so hochsommerlichen Temperaturen sollten Sie aber besser auf Ihre Herzkranzgefäße achten.“

      Mein fachmännischer Rat ließ ihn völlig kalt. Er lächelte gequält.

      Dann sah ich etwas in seiner Faust aufblitzen, und eine kurze, breite Messerklinge streifte um Haaresbreite meinen Hals.

      Ich taumelte instinktiv zurück und fiel krachend in die Scheibe der Eingangstür.

      Über, unter und neben mir splitterte Glas. Anscheinend kam das Getöse für ihn genauso überraschend wie für mich. Er musterte mich verdutzt und unentschlossen, ob er sich zu mir in den Scherbenhaufen hinunterbemühen sollte.

      Dann warf er einen prüfenden Blick in die Hotelhalle und machte auf dem Absatz kehrt.

      Ich blickte ihm auf den Ellenbogen gestützt nach und sah zu, wie er sich an der Straßenecke eilig auf sein Fahrrad schwang.

      „Großer Gott“, sagte die Stimme des Hotelmanagers hinter mir. „Sind Sie verletzt?“

      Dabei versuchte er meinen Zweireiher mit der flachen Hand von Glassplittern zu reinigen, ließ es aber bleiben, als er die scharfkantigen Glitzerdinger auf meinen Schultern sah.

      „Sie haben sicher eine Glasbruchversicherung?“, fragte ich. „Der Bursche da scheint’s ja reichlich eilig gehabt zu haben, so wie er mich über den Haufen gerannt hat.“

      Ich mimte Unbekümmertheit, während ich mich verstohlen zu vergewissern versuchte, dass er nichts vom Messer in seiner Faust ahnte.

      „Typischer Fixer“, sagte er. Er schien das Wort ‚typisch’ heiß und innig zu lieben, jedenfalls der Betonung nach. Es erklärte alles. „Das Viertel hier wimmelt davon. Diese Burschen sind reichlich schnell mit der Klinge bei der Hand. Ein falsches Wort, und man hat keine Gelegenheit mehr, über seinen Fehler nachzudenken.“

      „Mein Fehler war wohl hauptsächlich, Ihren Eingang zu betreten?“

      „Kommen Sie – trinken wir an der Bar zusammen ein Glas auf Kosten des Hauses.“

      Ich nahm dankend an. Er ging höchstpersönlich hinter die Theke, so smart und agil, wie er war. Alles war ausgesprochen typisch – der eine draußen, der jetzt wie vom Teufel verfolgt in die Pedalen seines Fahrrads trat, ein typischer Fixer, und er selbst der typische Manager in dunkelgrauem, feingestreiftem Anzug mit diamantbesetzten Manschettenknöpfen.

      Er begann uns beiden ein Mordsgebräu aus so ziemlich allem zusammenzumixen, was die Hotelbar zu bieten hatte.

      Obendrauf kam ein kräftiger Spritzer Zitrone mit saurer Sahne. Zuletzt warf er noch bedeutungsvoll die Augen rollend eine dunkle Riesenolive in den Sud.

      Fast kam mir der Verdacht, es sei der zweite Anschlag auf mein Leben an diesem Tag. Aber dann probierte ich doch das Gemisch – skeptisch und mit spitzen Lippen … und fragte mich nach dem dritten Glas, warum das Zeug nicht längst von einem findigen Alkoholfabrikanten als Getränk des Jahrhunderts herausgebracht worden war.

      „‘n Knüller, was?“

      „Sie hätten Sprithersteller werden sollen.“

      „War mal Kellner auf ‘nem Ozeanriesen.“

      Ich nickte, spülte langsam, Schluck für Schluck, den Rest meines Glases hinunter und dachte darüber nach, warum ein beleidigter Westberliner Fixer so schnell mit dem Messer zur Hand sein sollte. Andererseits:

      Das breite Stummelmesser sprach dafür, dass er sich nicht allzu gut auf seine Arbeit vorbereitet hatte. Sah eher so aus, als habe er nur mal eben sein Arbeitswerkzeug zum Shitabschaben herausgeholt.

      Zweites Kapitel

      UNRUHIGE NÄCHTE

       1

      Als mein Mietwagen durch die Bahnunterführung rumpelte – regennass glänzende Pflastersteine aus Kaiser Wilhelms Zeiten, so groß wie Kinderköpfe –‚ erinnerte der Murellenberg mit seinem düsteren Nadelwald und den aufsteigenden Nebeln eher an ein verwunschenes Märchengehölz.

      Und so kam ich mir auch vor: wie der Zauberer im Märchen, der durch Alchemie und magische Sprüche all die zu Fichten und Sträuchern erstarrten Schemen in menschliche Wesen zurückverwandelte…

      Dass mir diese Rolle zufallen würde, daran zweifelte ich keinen Augenblick. Agenten in fortgeschrittenem Alter leiden oft an Potenz-Problemen (angespannte Nerven, die jetzt den Dienst versagen, und ein Leben voller Sublimierungen, denn all die Ränkespiele, Täuschungen und Hinterfotzigkeiten haben auch ihre erotische Dimension).

      Wenn sie nicht gerade damit beschäftigt sind, ihre Waden wegen eines unheilbaren Venenleidens einzucremen – und so auf ziemlich handgreifliche Weise mit ihrer angeschlagenen Gesundheit konfrontiert werden –‚ trauern sie gern verpassten Gelegenheiten nach.

      Jede über die Straße hüpfende Bluse stürzt sie in den unlösbaren Konflikt, all die kribbelnde Alterslüsternheit mit den beschränkten Möglichkeiten ihres Wasserhahns in Einklang zu bringen.

      Das macht sie hochgradig empfänglich für obszöne Scherze und Zoten der derbsten Sorte. Aber auch so unausstehlich wie ein gelangweiltes Theaterpublikum – als warteten sie nur darauf, dass ihnen jemand von der Bühne ein passendes Stichwort zuwirft …

      Sie lieben es, ihrem Zynismus Luft zu machen, und wenn eben möglich, ist das Opfer ihrer Attacken die hohe Politik oder das weibliche Geschlecht.

      Alles Weitere – eigene und gegnerische Dienste, Pferdetoto und Gesundheitskost – kommt erst später.

      Sie singen das Pommernlied mehr recht als schlecht, aber immer voller Inbrunst, sammeln alte Volkslieder und feiern Kaisers Geburtstag mit verdünntem Aquavit (wegen der angeschlagenen Leber). Doch ein Treffen wie dieses würde sie unweigerlich dazu verführen, dem staunenden Publikum ihr ganzes Repertoire an nationalen Schmähungen und geschlechtsbezogenen Gemeinheiten darzubieten.

      Ich galt in ihren Kreisen als einer, der die Kunst des passenden Stichworts beherrscht, deshalb machte СКАЧАТЬ