Название: Unwiederbringlich
Автор: Theodor Fontane
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783754179307
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Es war ein sehr anheimelnder Platz; die Brennesseln, die sonst hier wucherten, waren niedergetreten, und so saßen die beiden Freundinnen bequem und behaglich auf den hochaufgeschichteten Brettern und hatten die Balken als Fußbank und die Kirchhofsmauer als Rücklehne.
»Weißt du«, sagte Asta, »die Mama hat doch recht, daß sie von der Gruft nichts wissen will und eine Scheu hat, sie zu betreten. Es ist ja, als wäre jeder Stein lose und als warte alles nur darauf, daß es zusammenstürze. Und zweimal im Jahre geht sie doch hin und legt ihren Kranz auf den Sarg, an seinem Geburtstag und an seinem Sterbetage.«
»Kannst du dich denn deines Bruders Estrid noch erinnern?«
»Oh, gewiß kann ich. Ich war schon sieben Jahr.«
»Und ist es wahr, daß er nicht bloß Estrid hieß, sondern auch noch Adam?«
»Ja. Die Mama wollte freilich, daß er als zweiten Namen den Namen Helmuth führen sollte wie der Vater, Estrid Helmuth – Tante Dobschütz hat es mir oft erzählt; der Papa aber bestand auf Adam, weil er gehört hatte, daß Kinder, die so heißen, nicht sterben, und da habe denn die Mama gesagt (ich weiß das alles von Tante Julie), das sei Heidentum und Aberglauben und es werde sich strafen, denn der liebe Gott lasse sich nichts vorschreiben, und es sei lästerlich und verwerflich, ihm die Hände binden zu wollen.«
»Ich kann mir denken, daß deine Mutter so gesprochen hat. Und es hat sich ja auch gestraft. Aber ich finde doch, Asta, daß deine Mutter in all dem zu streng ist, und der Großpapa, der sie doch so sehr liebt und sie getraut hat – was übrigens der Arnewieker Pastor damals sehr übelgenommen haben soll – und der nichts Besseres kennt als seine ›liebe Christine‹, wie er sie noch immer nennt, und deinen Papa nennt er ja auch noch ›du‹ von alten Zeiten her... der sagt doch auch, sie sei zu sicher auf ihrem Wege und zu streng gegen andre...«
»Ja, das sagen alle, dein Großpapa sagt es, und Direktor Schwarzkoppen sagt es, und Onkel Arne sagt es. Und wenn Axel und ich es auch nicht hören sollen, wir hören es doch und machen so unsre Betrachtungen drüber...«
»Und wem kommen denn eure Betrachtungen zugute?«
»Immer der Mama.«
»Das wundert mich eigentlich. Ich dachte, du wärest deines Vaters Verzug und Liebling. Und liebtest ihn am meisten.«
»Oh, gewiß hab ich ihn lieb; er ist so gut und erfüllt uns jeden Wunsch. Aber die Mama meint es doch viel besser mit uns, und deshalb ist sie strenger. Alles bloß aus Liebe.«
»Ich habe dich nicht immer so sprechen hören, Asta. Es ist noch keine Woche, daß du voller Klagen und fast voll Bitterkeit warst und daß du sagtest, es sei mit der Mama kaum noch zu leben und alles schlüge sie dir ab und alles sei so wichtig, als ob Leben und Seligkeit daran hinge...«
»Ja, das werd ich wohl gesagt haben. Aber wer klagte nicht mal! Und dann ist es oft so still hier, und dabei wird man traurig und will es anders haben... Sieh, ich denk es mir so, die Mama bedrückt uns oft, aber sie sorgt doch auch für uns, und der Papa erfreut uns jeden Augenblick, aber im ganzen kümmert er sich nicht recht um uns. Er ist mit seinen Gedanken immer woanders und die Mama immer bei uns. Wenn es nach dem Papa ginge, so ginge alles so ruhig weiter, bis jemand käme und mich haben wollte. Comtesse Holk, rotblond und gerade gewachsen und etwas Vermögen – ich glaube, das ist alles, was ihm vorschwebt, und davon verspricht er sich das Beste. Daß ich auch eine Seele habe, daran denkt er nicht, vielleicht glaubt er nicht mal daran.«
»Wie du nur sprichst. Er wird doch glauben, daß du eine Seele hast?«
»Vielleicht. Ich weiß es nicht. Und das ist der Unterschied von der Mama. Die glaubt bestimmt daran und will, daß ich etwas lernen und einen festen Glauben gewinnen soll, ›einen Anker für die Stürme des Lebens‹, wie sie sagt, und ich wäre glücklich darüber, wenn ich nicht von dir fortmüßte. Solche Freundin wie du, die find ich in der Welt nicht wieder.«
»Aber du wirst doch nicht fortwollen, Asta? Und um was denn? Ist denn nicht die Dobschütz eine kluge Dame und lieb und gut dazu? Und du kannst ja französisch parlieren, daß es eine Lust ist, und Strehlke hat ja zwei Preise gewonnen, einen in Kopenhagen über die Strandvegetation in Nordschleswig und einen in Kiel über Quallen und Seesterne. Und daß er Geographie weiß, das weiß ich, er wußte ja neulich das Lustschloß vom König von Neapel, so daß ihm selbst dein Onkel Arne gratulierte. Was willst du denn noch mehr lernen? Das nehm ich dir übel, wenn du soviel mehr lernen willst als ich, und wenn du dann wiederkommst, ist kein Verkehr mehr mit mir. Und ich will doch mit dir verkehren, denn ich liebe dich ja so sehr. Und deine Mama, wenn sie dich fortgibt, wird dich gewiß in eine große Schweizerpension geben wollen.«
»Nein, in eine kleine Herrnhuterpension.«
»Nun, darüber läßt sich reden, Asta. Herrnhuter kenn ich, das sind gute Leute.«
»Das mein ich. Die Mama war ja auch in einer Herrnhuterpension.«
»Ist es denn schon gewiß?«
»So gut wie gewiß. Der Papa hat nachgegeben. Und außerdem reist er morgen nach Kopenhagen zur Prinzessin, worauf gar nicht gerechnet war, und das wird Mama wohl benutzen, um alles schnell ins rechte Geleise zu bringen. Ich denke mir, in vierzehn Tagen oder noch früher...«
»Ach, Asta, wäre nicht der Großpapa, ich bäte deine Mama, daß sie mich mitgäbe. Was soll ich hier anfangen, wenn du fort bist?«
»Es muß schon so gehen, Elisabeth, und wird auch. Schwer wird es mir auch. Und meine Mama wird auch allein sein und niemanden um sich haben als die Dobschütz, und sie schickt uns doch fort. Denn Axel geht auch. Es ist doch recht, was sie mir gestern abend sagte: Man lebt nicht um Vergnügen und Freude willen, sondern man lebt, um seine Pflicht zu tun. Und sie beschwor mich, dessen stets eingedenk zu sein, denn daran hinge Glück und Seligkeit.«
»Das ist schon alles ganz wahr, aber es hilft mir nichts.« Und in Elisabeths Auge war ein Flimmern, als sie das sagte. »Ich kann doch nicht immer am Strand spazierengehen und Bernstein suchen und Kataloge machen und die Nummern umschreiben. Und denke, Winterszeit, wenn alles in Schnee liegt und die Krähen auf den Kreuzen sitzen, und dann um Mittag die zwölf Schläge...«
Und in diesem Augenblicke schlug die Mittagsglocke, von der Elisabeth eben gesprochen hatte. Beide Mädchen fuhren zusammen. Dann aber lachten sie wieder und erhoben sich, denn es war hohe Zeit.
»Wann kommst du wieder?«
»Morgen.«
Damit trennten sie sich, und als Asta gleich danach bei der Stelle vorüberkam, wo die Glocke hing, tat diese gerade den zwölften Schlag, und der Küstersjunge, der geläutet hatte, zog seine Kappe und verschwand dann hinter den Gräbern.
Achtes Kapitel
Holk, als er sich an dem Kricketplatz von Asta getrennt hatte, hatte sich nach dem nächstgelegenen Treibhause begeben, in dessen Front er seinen Gärtner emsig bei der Arbeit sah. Und hier, nach kurzer Begrüßung, riß er zwei Blätter aus seinem Notizbuch und schrieb ein paar Telegrammzeilen an Pentz und die Witwe Hansen, in denen er beiden sein Eintreffen in Kopenhagen für den andern Abend anzeigte. »Diese Telegramme, lieber Ohlsen, müssen nach Glücksburg oder meinetwegen auch nach Arnewiek; es gilt mir gleich, wo Sie's aufgeben wollen. Nehmen Sie den Jagdwagen.«
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