Trojanische Hühner. Ado Graessmann
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Название: Trojanische Hühner

Автор: Ado Graessmann

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783754181355

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СКАЧАТЬ einem stabilen Sockel und die Studenten konnten bequem davor sitzen. Sie befand sich etwa vier Meter über dem OP-Tisch und ermöglichte den Ablauf der Operationen genauestens aus der Vogelperspektive zu verfolgen und das Geschehen in der unmittelbaren Umgebung zu beobachten.

      Saits Vater stand immer auf der linken Seite neben dem Patienten, ihm gegenüber befanden sich zwei Assistenten, die meist nur die Haken halten mussten, um einen freien Zugang zum Operationsfeld zu ermöglichen, rechts neben ihm stand immer die OP-Schwester, sie war immer dieselbe, ihr Gesicht hatte er nie richtig gesehen, sein Vater und sie, die waren ein eingespieltes Team, sie wusste immer genau welches Instrument er als nächstes benötige, nahm es vom Beistelltisch und reichte es ohne Aufforderung in seine rechte Hand, er gab ihr das Gebrauchte zurück, alles lief sehr harmonisch ab.

      Nur die Assistenzärzte wechselten fast täglich, die mussten die benötigte Anzahl von Pflichtoperationen erreichen. Der Narkose Arzt stand immer hinter dem Kopf des Patienten, der war meist auch der gleiche, sein Vater bevorzugte, wenn möglich, immer nur mit dem gleichen Personal zu arbeiten, die Schläuche ragten dem Patienten aus dem Mund, Monitore und Überwachungsgeräte überprüften die Atmung und den Kreislauf. Der Blick auf das Gesicht des Patienten wurde von oben durch ein weißes Tuch verhindert, das über einen großen Metallbügel lag, nur der Narkosearzt konnte es sehen.

      Sein Vater hatte schon graue Haare und Falten im Gesicht und an den Händen, wenn er operierte war dies nicht zu erkennen. Der Mundschutz, und die Haube über dem Haar verdeckten dies, die sterilen Gummihandschuhe reichten über den unteren Anteil des OP-Kittels hinweg und verhinderten so die Sicht auf die Falten seiner Hände.

      Eigentlich, vom Alter her, hätte er sich schon seit einigen Jahren im Ruhestand befinden müssen. Er hatte aber einige mächtige Beschützer und keiner in der Universität wagte einen Einspruch zu erheben, wenn es um seine Verlängerung ging, er hatte das absolute Sagen in der Klinik, operieren war für ihn so eine Art von Sucht, von der er nicht lassen konnte.

      Er war öfters beim Herrscher als Gast in dessen Palast, für ausgelesene Gäste gab es auf den Empfängen immer etwas besonders, der Herrscher ließ sich von einem Lakaien aus einer mit Samt ausgelegten Schatulle eine Goldmünze reichen, die er dann in die geöffneten Hände des Gastes fallen ließ, ohne selbst die Hände des Beschenkten zu berühren. Der verneigte sich nur, murmelte einige Dankesworte, trat einige Schritte zurück, immer noch mit gebeugten Rücken, bevor er sich umdrehte, um Platz für den Nächsten zu machen.

      Der gesamte Ablauf erfolgte nach einem exakt vorgeschrieben Protokoll und jeder Gast bekam zuvor genaue Anweisungen wie er sich zu verhalten hat und was er sagen konnte, Fragen durften keine gestellt werden, man befragt den Herrscher nicht, man antwortet nur.

      Sein Vater hatte schon einige von diesen Goldmünzen, die wurden im Haus auf Samtkissen in einer Vitrine zur Schau gestellt und jeder der als Gast zu uns kam, musste diese vor dem Tee bewundern, und jedes Mal erzählte er dazu eine andere Geschichte.

      Wenn sein Vater operierte wurde nicht viel gesprochen, es wurden auch keine Witze gerissen, sie waren ein eingespieltes Team, er und die OP-Schwester, nur ihre Nase konnte er einige male sehen, sie war gleichmäßig geformt und schien zum restlichen Teil des verhüllten Gesichts zu passen.

      Sait erinnerte sich noch genau an den Tag, an dem er zum ersten Mal selbst an einer Operation teilnehmen durfte, er war der einzige Student dem dies ermöglicht wurde. Zuerst erfolgte die Prozedur des Händewaschens, mindestens fünf Minuten beide Hände mit Seife und Bürste bearbeiten. Der Wasserhahn musste mit dem Ellenbogen geschlossen werden, um die Hände nicht wieder zu kontaminieren, der grüne OP-Kittel wurde gereicht und eine Schwester hielt die sterilen Handschuhe so entgegen, dass er mit angelegten Fingern hinein fahren konnte, ohne die Außenseite zu berühren, somit blieben sie auch steril.

      Es war eine einfache Blinddarm Operation, der Patient war schon narkotisiert und lag vor ihm auf dem Tisch. Dieses Mal stand sein Vater auf der anderen Seite des Tisches.

      Zuerst wurde ein Wattebausch mit einer langen Pinzette in eine Jodlösung getaucht und damit der Operationsbereich bestrichen, zur Desinfektion. Weiße, sterile Tücher bedeckten den OP Bereich und waren mit Klemmen an der Bauchhaut befestigt.

      Die OP-Schwester reichte Sait das Skalpell und sein Vater deutete an, wo und wie lang er den ersten Schnitt legen musste.

      Sait nahm das Skalpell in seine rechte Hand und berührte leicht die Haut des Patienten, ohne den Schnitt zu führen. Sein Vater bemerkte das Zögern und meinte nur, wenn du dich entschlossen hast zu schneiden, dann tu es auch, und zwar ohne zu zögern.

      Es war das erste Mal, dass er einen Menschen verletzte, die Integrität einer Person zerstörte, später, als er gefoltert wurde, sah er auch manchmal dieses Zögern in den Gesichtern seiner Peiniger, nur für den Bruchteil einer Sekunde, hatten sie die Schwelle erst einmal überwunden, dann schlugen sie zu, ohne Bedenken, gnadenlos.

      Ist die Gewalt erst einmal erweckt und entfesselt, dann beginnt sie sich zu verselbstständigen, den Initiator benötigt sie nicht mehr, nach dem warum wird sowieso nicht mehr gefragt.

      So war es auch bei ihm, er durchtrennte mit leichter Bewegung, die Skalpell Spitze tiefer drückend, die Bauchhaut, das gelbliche Fettgewebe quoll leicht hervor, es hatte einen eigenartigen Geruch, etwas süßlich, bevor die ersten Blutstropfen austraten, dann verlief alles so, als hätte Sait dies schon hundert Mal gemacht, sein Vater hatte ihm schon am Tag vor der OP genaue Instruktionen gegeben.

      Zuerst waren es nur geringe Ereignisse die Saits Unmut erweckten. Die Fürsten in weiß hatten das alleinige Sagen, nichts konnte sie in ihrer Selbstgerechtigkeit erschüttern. Er trat der Studentenvertretung bei und wurde bald zu ihrem Sprecher ernannt, nicht weil er der Sohn des Klinik Direktors war, sondern durch sein Auftreten und wie er etwas sagte, überzeugte die andren Studenten.

      Sie organisierten öffentliche Diskussionsrunden, luden Professoren dazu ein, doch nie ist einer von ihnen erschienen, auch sein Vater nicht. Um sich Gehör verschaffen zu können entfalteten sie eines Tages Transparente mit Slogans wie Mitspracherecht für die Studenten, wieder erschienen die Fürsten nicht, dafür kamen aber zehn in schwarz gekleidete Herren, so als hätte sie jemand gerufen.

      Sie meinten nur höflich, die Sitzung sei hiermit geschlossen, wir sollten ihnen nur folgen. Draußen vor dem Universitäts-gebäude standen schon einige Lastwagen, die Planen über den Laderaum waren schon hochgezogen und alle Studenten mussten einsteigen. Sie fuhren in eine wenig belebte Seitenstraße zu einem großen, unauffälligen Backsteingebäude, auch die Eingangstür war wie jede andere Tür, doch dahinter wurde sofort klar, dies war kein normales Wohnhaus. Jeder musste durch eine Ganzkörper-durchleuchtung, die den Menschen nackt erscheinen lässt. Der Verhörraum war fensterlos, in der Mitte stand nur ein Holztisch und zwei Stühle, die Beleuchtung war spärlich, einige Studenten setzten sich auf den Tisch, andere auf den Boden, einige begannen zu Rauchen, was die Luft noch unerträglicher machte, bis nach etwa einer halben Stunde ein dunkel gekleideter Mann den Raum betrat. Allen wurde schlagartig klar, dass sie sich bei der SAVAK befanden, der berüchtigten politischen Geheimpolizei. Der Mann sagte höflich, wir seien nur als Gäste hier, er wolle sich nur etwas mit ihnen unterhalten, er tat so, als hätte er Verständnis für uns und wolle nur wissen was uns so bewegt und ob wir alleine handeln oder ob es noch weitere Hintermänner geben würde, unsere Personalien wurden registriert und als wir das Gebäude wieder verlassen durften, war es schon dunkel.

      Unter den Studenten kam Zweifel an der Sinnhaftigkeit und der Effektivität ihrer bisherigen Aktivitäten auf, einige meinten, wenn wir etwas erreichen wollen, müssen wir noch etwas radikaler vorgehen, die Unzufriedenheit beschränke sich in der Zwischenzeit ja nicht nur mehr alleine auf die Studenten, die allgemeine Versorgung der Bevölkerung sei nicht mehr gesichert und die Preise würden unentwegt steigen.

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