Ricarda Huch: Deutsche Geschichte – Mittelalter – I. Römisches Reich Deutscher Nation –. Ricarda Huch
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СКАЧАТЬ waren, aber die Kirche, die das Wissen von Gott und den göttlichen Dingen lehrte, der zu seiner Zeit alle Christen angehörten, ohne die die Nachfolge Christi als nur von einzelnen verwirklicht ohne Halt und ohne Dauer gewesen wäre, fiel ihm zusammen mit dem Gottesstaat, während der heidnische Staat diejenigen umfasste, die sich der Gnade Gottes entzogen. Der Gedanke lag nahe, Kirche und Staat überhaupt als Gottesstaat und Menschenstaat oder Welt einander entgegenzusetzen; man konnte aber auch den Schluss ziehen, dass zwischen Kirche und dem inzwischen christlich gewordenen Staat kein Unterschied mehr bestehe und nur die gesamte Heidenschaft als gnadenloses, der Verdammnis geweihtes Reich aufzufassen sei. So sah es Karl der Große an; sein Reich sollte ein Gottesreich sein, das als solches die Kirche ehrte und schützte und ihre Lehre verbreitete. Vergleicht man ihn mit Bonifatius, so tritt die Freiheit und das Schöpferische seines Geistes bewunderungswürdig hervor. Er ließ sich gern belehren, verzichtete aber nie auf eigenes Urteil. In Bezug auf manche kirchlichen Fragen, zum Beispiel auf den Bilderdienst, hatte er andere Ansichten als der Papst. Zuweilen war er derjenige, der die Richtung gab. Er hatte eine durch Erleben und Nachdenken gewonnene Überzeugung. Wenn er sich auch als Schirmherr der Kirche und des christlichen Glaubens fühlte, so verfolgte er doch Andersdenkende nicht. Allerdings zwang er mit Härte den Sachsen das Christentum auf; das war ein Mittel zur Einigung der Stämme, und die strengsten Strafen konnten sofort gemildert werden, wenn der Schuldige seine Zuflucht zur christlichen Kirche oder zu einem christlichen Priester nahm. Während Bonifatius Bedenken trug, mit einem Christen, den er nicht für ganz rechtgläubig hielt, der im geringsten vom römischen Kanon abwich, zu sprechen und zu essen, trat Karl der Große in freundschaftliche Beziehung zu Harun al Raschid, sammelte er die alten Volkslieder, in denen die Germanen die Taten ihrer Helden verherrlicht hatten.

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      Harun ar-Raschid (geboren um 763 möglicherweise in Rey; gestorben 809 in Tūs in Persien, begraben in Maschhad) stammte aus dem Geschlecht der Abbasiden.

       Der Charakter des Gottesreiches sollte sich nicht nur durch den Schutz der Kirche, sondern durch die vom König ausfließende Gerechtigkeit erweisen. Die Sage erzählt, dass in Zürich, in einem dem Münster gegenüberliegenden Haus, wo der Kaiser zu wohnen pflegte, eine Glocke angebracht war, damit jeder Rechtsuchende sich bei Karl melden könne. Eines Tages läutete dort eine Schlange, um gegen eine Kröte zu klagen, die sich auf ihre Eier gesetzt habe. Sie beschenkte den Kaiser, der ihr zu ihrem Recht verhalf, aus Dankbarkeit mit einem wunderkräftigen Stein, dessen er sich oft bediente. So verdeutlichte sich das Volk die Gerechtigkeitsliebe seines großen Königs, der auch den Geringsten in seinem Recht schützte. Im Umfassenden seines Geistes zeigte sich sein Genie. Kein Gebiet war ihm fremd, keins vernachlässigte er; er förderte die Baukunst, die Dichtkunst, die Musik, die Schule, die Landwirtschaft, er war groß als Gesetzgeber, als Verwalter, als Richter, als Gutsherr, im Krieg. Nichts war ihm zu klein, nichts zu fernab. Als die nie fehlende Unterlage großer Genialität besaß er eine unerschöpfliche Tätigkeit. Er war immer erfüllt von großen Gedanken, immer mit ihrer Ausführung beschäftigt, immer voll Teilnahme an nahen und fernen, großen und kleinen Ereignissen. „Lasst uns heute etwas Denkwürdiges unternehmen“, so lässt ihn die Überlieferung täglich sprechen, „damit man uns nicht tadele, weil wir den Tag müßig verbracht haben.“

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      Karl der Große = links oben

      Seine zeitgenössischen Verehrer haben uns Karls Äußeres geschildert: die kräftige, hochgewachsene Gestalt, den festen Gang, die männliche Haltung, die großen, leuchtenden Augen. Seine Stimme war hell und nicht stark, er sprach gern und viel und war immer fröhlich, wie er denn auch Frohsinn um sich her liebte. Immer durch die Interessen seines riesigen Reiches bewegt, lebte er doch voll ungeteilter Hingabe mit seiner Familie und seinen Freunden. Jeder Frau, die er liebte, jedem seiner Kinder, jedem seiner Freunde gehörte sein Herz ganz. Jahrelang lebte er in glücklicher Ehe mit der Schwäbin Hildegard, die allgemein verehrt wurde, und die ihm drei Söhne und drei Töchter gebar.

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      Karl mit Hildegard = ganz rechts

       Seine Kinder liebte er so sehr, dass er sie immer, selbst auf Reisen, um sich haben wollte, und wie der maßlose König des deutschen Märchens ließ er seine Töchter nicht heiraten. Doch gönnte er den schönen und leidenschaftlichen Mädchen ein beglückendes Liebesleben und hielt ihre Kinder wie rechtmäßige Enkel. Nach dem Tode der Hildegard heiratete er Fastrada aus ostfränkischem Stamm, deren ungünstigem Einfluss es zugeschrieben wurde, dass er ein einziges Mal bei Gelegenheit einer Verschwörung zu übertriebener Härte sich hinreißen ließ. Für seinen übermäßigen, für die Regierung verhängnisvollen Schmerz bei ihrem Tod entdeckte man, so erzählt die Sage, eine magische Ursache in einem Ring, den sie am Finger trug. Der Erzbischof Turpin zog ihn der Toten ab, und die Neigung des Königs ging auf ihn über, bis der geistliche Herr den Talisman in einen Teich bei Aachen versenkte. Seitdem pflegte der Kaiser, in Trauer und Traum versunken, stundenlang an diesem Teich zu sitzen; das bezauberte Gewässer, zum Teil verschüttet, befindet sich am Rande der Stadt in der Nähe der Frankenburg, einem düsteren, efeuumrankten Gebäude, das die Stelle der alten Königsburg bezeichnen soll.

      Keines anderen germanischen Helden Bild ist so farbenbunt, so vielseitig prächtig von der Sage aufgefangen. Immer erscheint er in ihr von Freunden und Gefährten umgeben, immer freundlich, furchtlos, überlegen, großmütig, aber auch zuweilen streng und vernichtend.

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      Notker der Stammler oder Notker der Dichter) genannt, (* um 840 in Elgg oder Jonschwil; † 6. April 912 in der Fürstabtei St. Gallen) war ein bedeutender Gelehrter und Dichter der karolingischen Zeit.

      Notker der Stammler, der nach Karls Tode aus mündlicher Überlieferung von ihm erzählt, nennt ihn nicht nur den weisen, den milden, den siegreichen, sondern auch den schrecklichen, den furchtbaren Karl, aber das eine ebenso bewundernd wie das andere. Nicht ohne Ströme von Blut zu vergießen hat er sein Reich gegründet. Die Sachsen aber, die am meisten durch ihn gelitten hatten, trugen es ihm nicht nach; auch für sie war er der Urquell alles Guten und Großen im Reich, das Urbild eines germanischen Heldenkaisers.

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      Die Deutschen und das Christentum

       Die Deutschen und das Christentum

      Man möchte gern wissen, was von Staat und Kirche geschah, um die Sachsen zu bekehren, wie die Bekehrung wirkte, was für ein Christentum es war, das gelehrt und das aufgenommen wurde.

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      Rabanus Maurus (links), Alkuin (Mitte), St. Martin zu Tours (rechts)

      Alkuin war ein bedeutender Vermittler der in England und Irland durch die Zeit der Völkerwanderung hindurch geretteten lateinischen Bildung ins Frankenreich, die er als Lehrer zahlreichen Schülern.

      Ein schöner Brief des Angelsachsen Alkuin an Kaiser Karl gibt zu verstehen, dass die Bekehrer hauptsächlich fordernd auftraten, indem sie den Zehnten zur Erhaltung der Kirche auferlegten, der, wie es scheint, mit Härte eingetrieben wurde. Es sei besser, meinte Alkuin, den Zehnten als den Glauben zu verlieren, es sei auch nicht erwiesen, ob die Apostel gewollt hätten, dass der Zehnte gegeben werde. Wären die Neugetauften später reif im Glauben geworden, möge man ihnen ein so schweres Gebot zumuten, zunächst solle man sie die Heilswahrheiten lehren und ihnen mit Werken der Barmherzigkeit näherzukommen suchen. Ohne Zweifel hatte Alkuin gehört, wie die Sachsen sich beklagten, dass СКАЧАТЬ