Ricarda Huch: Im alten Reich – Lebensbilder Deutscher Städte – Teil 2 - Band 181 in der gelben Buchreihe bei Ruszkowski. Ricarda Huch
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СКАЧАТЬ über, und zwar zumeist an Geistliche, die auf diese Weise ihr Geld anlegten. Geistliche Besitzer von Salzanteilen waren z. B. die Äbte der Klöster Hersfeld, Walkenried, Amelunxborn, Dobberan, Loccum, Riddagshausen, die Pröpste der Domkapitel von Verden, Braunschweig, Hamburg, Bardowik; man nannte sie insgesamt die Sülzprälaten. Da diese entfernt und zerstreut wohnenden Herren den Betrieb nicht selbst führen konnten, verpachteten sie die Besiedung der Sülze an Lüneburger Herren, die zum Entgelt dafür, dass sie für alles zum Betrieb Notwendige sorgten, die Hälfte des Ertrages bekamen und außerdem noch das, was über den durchschnittlichen jährlichen Betrag, der gemäß der Zahl der Kotten und Pfannen berechnet und festgestellt war, produziert wurde. Da der Überschuss gewöhnlich mehr als das Doppelte betrug, machten die Pächter ein gutes Geschäft. Sie, die Sülzherren, bildeten das Patriziat Lüneburgs, aus welchem der sich selbst ergänzende Rat hervorging.

       Wie überall wurde das Regiment in der Weise geführt, dass das Patriziat allein die Geschäfte besorgte, was schon dadurch geboten war, dass in den ersten Jahrhunderten die Regierenden keine Entschädigung erhielten, also wohlhabend sein mussten. Sie waren in Lüneburg vernünftig genug einzusehen, dass Einmütigkeit und Zufriedenheit die sicherste Grundlage des Gedeihens der Stadt bildete, und nützten wenigstens in der älteren Zeit ihre vorteilhafte Stellung nicht allzusehr für sich aus und befragten auch bei wichtigen Gelegenheiten die Bürgerschaft, insbesondere die Innungen, um ihre Meinung. Dementsprechend war die amtliche Bezeichnung des Stadtkörpers: „De rad unde de menheit“ oder „Use rad ud use borgere“. Zu den vornehmsten Geschlechtern gehörten die Viskule, Abbenborg, Garlop, vom Sande, van der Salten, Thode, Floreke, Springintgut, Semmelbecker, van der Molen. Ackerbau wurde in Lüneburg wenig betrieben; der Wohlstand beruhte auf dem Salz und denjenigen Gewerben, die mit dessen Gewinnung oder Betrieb in Verbindung standen, wie z. B. die Herstellung der Tonnen, die Herbeischaffung des Holzes, dem Transport durch Schiffer und Fuhrleute. Gehandelt wurde außer mit Salz mit Heringen. Seit dem Jahr 1273 bestand der Brauch des sogenannten Köpefahrens: der neugewählte Sülzmeister musste ein mit Steinen gefülltes Fass, durch das eine Achse gesteckt war, zu Pferde in scharfem Trab durch die Stadt ziehen; es sollten dadurch Kraft und Kühnheit des Mannes erprobt werden, wie ja damals von den Geschlechtern wie auch von den Handwerkern Wehrhaftigkeit und Kampfbereitschaft erwartet wurden. Durch die Teilnahme reitender Trompeter und der älteren, gleichfalls berittenen Sülzmeister wurde dem Vorgang ein festlich-fröhlicher Charakter gegeben.

       Das Verhältnis zu den Landesherren, den braunschweigischen Herzögen, war lange Zeit sehr gut. Sie folgten dem Beispiel Heinrichs des Löwen, indem sie das Aufblühen der Stadt begünstigten, die ihnen dafür, wenn es die Umstände erforderten, mit Geld beistand. Gleichzeitig wuchsen aber auch Wohlstand und Selbstgefühl der Bürger, und sie suchten sich planmäßig von der welfischen Herrschaft freizumachen, die, nachdem die Herzöge ihnen auch die Gerichtsbarkeit verpfändet hatten, nur noch dem Namen nach bestand. Die Steuern, die sie zahlten, waren freiwillige, daher Bede, also Bitte genannt. Urkundlich erwähnte Herzog Wilhelm im Jahr 1366 die „sunderlike vrundschop unde woldad“, die der Rat von Lüneburg ihm durch Geldhilfe getan hätte. Auch Kriegshilfe bei Fehden des Herzogs leisteten die Lüneburger nur freiwillig: „alle de hulpe de se us doen in desen stucken, de doen se us umme vrundschop unde nidt umme recht nogh dor woenheyd.“ Dies freundschaftliche Verhältnis wurde zerstört durch Herzog Magnus Torquatus, der mit Hilfe der Ritterschaft sich die Stadt zu unterwerfen trachtete. Klug benutzten die Lüneburger den Umstand, dass gerade damals Kaiser Karl IV. die Herzöge von Sachsen-Wittenberg, die Erbansprüche vorbrachten, mit der Herrschaft Lüneburg belehnte, indem sie sich diesen anschlossen und dadurch zugleich Magnus loswurden und sich eine Reihe von Privilegien vonseiten der neuen Landesherrschaft erwarben. In die Zeit der Kämpfe mit Magnus Torquatus fällt ein Ereignis, welches im Gedächtnis der Lüneburger als heroisch-tragischer Augenblick ihrer Geschichte lange fortlebte.

       Es war im Jahr 1371 ein Waffenstillstand geschlossen worden, der die Lüneburger dazu ermutigte, nach langer Zeit zum ersten Mal die Bewachung der Mauern einzustellen, um sich satt zu schlafen. Da, es war die Nacht des 21. Oktober, zog eine Schar von Rittern und Knappen im Dienst des Herzogs auf verschiedenen Wegen über die Heide vor Lüneburg, angeführt von dem edlen Herrn Heinrich von Homburg und dem Ritter Sievert von Saldern. Schweigsam, von dem leise durch das dürre Kraut pfeifenden Herbstwind begleitet, näherten sie sich den Mauern, von denen die dicken Türme in die Nacht starrten wie drohende Finger. Schwarz und totenstill lag die Stadt unter den eiligen Wolken; schliefen die Wächter? oder griffen sie vielleicht schon zum Schwert, wenn sie das dumpfe Trotten und Klirren der Mörderschritte hörten? Sie überstiegen, sieben- bis achthundert an Zahl, die Mauern und töteten, was ihnen erschreckt und verwirrt entgegentrat. Zwei Bürgermeister stellten sich sofort an die Spitze der aufgestörten, entsetzt herbeieilenden Bürger und fielen: Heinrich Viskule und Heinrich van der Molen; denn es war eine Zeit, wo die Häupter des Volkes noch ihre Person einsetzten und mit eigenem Blut zahlten. Die Stadt schien verloren, als, nach der Überlieferung, ein kluger Mann, Ulrich von Weißenburg, sie durch List und Opfer rettete. Er bat die Feinde vom Kampf abzustehen, bis er die Bürgerschaft zur Unterwerfung überredet haben würde, wodurch er Zeit zu gewinnen und die verscheuchten Lüneburger zu sammeln hoffte. Anstatt zur Unterwerfung überredete er sie zu kräftigem Widerstand und teilte zurückkehrend den Herzoglichen mit, dass die Bürgerschaft auf Fortführung des Kampfes bestehe. „Dann stirb zuerst!“ sollen ihm die Überlisteten zugerufen haben, indem sie ihn töteten. Mit solchem Ungestüm warfen sich nun die Bürger, von ihren Frauen unterstützt, auf die Ritter, dass sie die Flucht ergriffen; Sievert von Saldern und 54 Ritter und Knappen fielen, der Bannerherr von Homburg wurde mit vielen anderen gefangen. Von einem tapferen Bäcker wird erzählt, dass er 22 Feinde erschlagen habe, bis er selbst den Streichen der Gegner erlegen sei. An dem Giebel eines Hauses in der Großen Bäckerstraße befindet sich noch das angebliche Bild dieses Recken. Zum Gedächtnis des Bürgermeisters Heinrich Viskule wurde an der Straße Auf dem Meere, da, wo er gefallen war, ein Kruzifix errichtet, das man später in die Nikolaikirche versetzte. Lange noch wurde dieser teuer erkaufte Sieg am Jahrestag in allen Kirchen Lüneburgs gefeiert.

       Durch die furchtbare Schlacht bei Winsen an der Aller, wo die Stadt Braunschweig den Herzögen beistand, kam Lüneburg wieder an das braunschweigische Haus, ohne aber seine alten Freiheiten zu verlieren. Noch war der Stern der Städte im Steigen, die Zeit der Fürsten noch nicht reif; der Herzog musste im Jahre 1392 mit seinen Ständen ein Landfriedensbündnis eingehen, Satebrief genannt, welches den Ständen im Fall, dass der Herzog die Sate verletzte, das Recht bewaffneten Widerstandes zusicherte. Die Lüneburger erklärten, jeder Fürst sei seinen Untertanen soviel Treue schuldig wie sie ihm, und ihre Vorfahren hätten mit eigenem Gelde die Stadt erbaut, sie gehöre also ihnen, nicht ihm. Das Bewusstsein ihrer Tüchtigkeit, ihrer Arbeitskraft, ihres Zusammenhaltens und Gelingens erfüllte sie mit dem Glauben an ihr Recht und ihre Zukunft. Der Anschluss an den großen und mächtigen Bund der Hanse steigerte ihre Macht und ihr Ansehen. Innerhalb der Hanse gehörte Lüneburg zu den wendischen Städten und trat gewöhnlich mit Lübeck, Hamburg, Wismar, Rostock und Stralsund gemeinsam auf. Welche Stellung Lüneburg einnahm, kann man aus der Tatsache schließen, dass in einem Kampfe Lübeck 30, Hamburg 20 und Lüneburg 10 Mann stellte. Das Lüneburger Salz war den Seestädten unentbehrlich und dementsprechend wurde die Stadt geschätzt. Wer Lübeck durch das Holstentor betreten will, sieht noch jetzt an der Trave entlang die altersgrauen, massiven Gebäude, die als Niederlage der Lüneburger Salzsendungen dienten. Nicht selten fanden Versammlungen der Hanse in Lüneburg statt, so eine im Jahr 1412, auf welcher Abgeordnete des Königs von Dänemark, des deutschen Kaufmanns in Brügge und in Bergen und des friesischen Seeräuberhäuptlings Keno ten Broke erschienen.

      Je deutlicher sich das Bestreben der Fürsten kundgab, die selbständigen Einzelglieder des Reiches von einem Mittelpunkt, ihnen selbst und ihrer Residenz abhängig zu machen, desto energischer und planmäßiger setzten sich die städtischen Republiken zur Wehr. In der Mitte des 15. Jahrhunderts ging Lüneburg mit 35 Städten ein Bündnis auf 6 Jahre ein, das zuerst mit 40, dann mit 64, zuletzt mit 50 Städten erneuert wurde. Man nannte eine solche Verbindung eine Tohopesate, weil sie zuhauf geschlossen war. Sie sahen ausdrücklich den Angriff von Fürsten und Herren vor und verpflichteten die Teilnehmer zu gegenseitiger Unterstützung in solchen Fällen.

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