Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats. Friedrich Engels
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Название: Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats

Автор: Friedrich Engels

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783754944424

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СКАЧАТЬ zugelassen werden. Und das thut derselbe Mann, der aus dem engen Verhältniß zwischen Mutterbruder und Schwestersohn bei den Deutschen ( Tacitus Germania c. 20), aus Cäsars Bericht, daß die Briten, je zehn oder zwölf ihre Frauen gemeinsam haben, und aus allen anderen Berichten der alten Schriftsteller über Weibergemeinschaft bei Barbaren ohne Zaudern den Schluß zieht, bei allen diesen Völkern habe Vielmännerei geherrscht! Man meint einen Staatsanwalt zu hören, der sich bei Zurechtmachung seines Falls jede Freiheit erlauben kann, der aber vom Vertheidiger für jedes Wort den formellsten juristisch gültigen Beweis beansprucht.

      Die Gruppenehe sei eine pure Einbildung, behauptet er, und fällt damit weit hinter Bachofen zurück. Die Verwandtschaftssysteme bei Morgan seien bloße Vorschriften gesellschaftlicher Höflichkeit, bewiesen durch die Thatsache, daß die Indianer auch einen Fremden, Weißen, als Bruder oder Vater anreden. Es ist, als wollte man behaupten, die Bezeichnungen Vater, Mutter, Bruder, Schwester seien bloße sinnlose Anredeformen, weil katholische Geistliche und Aebtissinnen ebenfalls mit Vater und Mutter, Mönche und Nonnen, ja selbst Freimaurer und englische Fachvereinsgenossen in solenner Sitzung, als Bruder und Schwester angeredet werden. Kurz, MacLennan's Verteidigung war elend schwach.

      Noch aber blieb ein Punkt, wo er nicht gefaßt worden war. Der Gegensatz von exogamen und endogamen »Stämmen,« auf dem sein ganzes System beruhte, war nicht nur unerschüttert, er wurde sogar allgemein als Angelpunkt der gesammten Geschichte der Familie anerkannt. Man gab zu, MacLennan's Versuch, diesen Gegensatz zu erklären, sei ungenügend und widerspreche den von ihm selbst aufgezählten Thatsachen. Aber der Gegensatz selbst, die Existenz zweier einander ausschließender Arten von selbständigen und unabhängigen Stämmen, wovon die eine Art ihre Weiber innerhalb des Stamms nahm, während dies der andern Art absolut verboten war – dies galt als unbestreitbares Evangelium. Man vergleiche z. B. Giraud-Teulon's Origines de la famille(1874) und selbst noch Lubbock's Origin of Civilisation (4. Auflage, 1882).

      An diesem Punkt setzt Morgan's Hauptwerk an: Ancient Society(1877), das Werk, das der gegenwärtigen Arbeit zu Grunde liegt. Was Morgan 1871 nur noch dunkel ahnte, das ist hier mit vollem Bewußtsein entwickelt. Endogamie und Exogamie bilden keinen Gegensatz; exogame »Stämme« sind bis jetzt nirgends nachgewiesen. Aber zur Zeit, wo die Gruppenehe noch herrschte – und sie hat aller Wahrscheinlichkeit nach überall einmal geherrscht – gliederte sich der Stamm in eine Anzahl von, auf Mutterseite blutsverwandten Gruppen, Gentes, innerhalb deren strenges Eheverbot herrschte, so daß die Männer einer Gens ihre Frauen zwar innerhalb des Stammes nehmen konnten, und in der Regel nahmen, aber sie außerhalb ihrer Gens nehmen mußten. So daß, wenn die Gens streng exogam, der die Gesammtheit der Gentes umfassende Stamm eben so sehr endogam war. Damit war der letzte Rest der MacLennan'schen Künstelei endgültig abgethan.

      Hiermit aber begnügte sich Morgan nicht. Die Gens der amerikanischen Indianer diente ihm ferner dazu, den zweiten entscheidenden Fortschritt auf dem von ihm untersuchten Gebiet zu machen. In dieser, nach Mutterrecht organisirten Gens entdeckte er die Urform, woraus sich die spätere, vaterrechtlich organisirte Gens entwickelt hatte, die Gens wie wir sie bei den antiken Kulturvölkern finden. Die griechische und römische Gens, allen bisherigen Geschichtschreibern ein Räthsel, war erklärt aus der indianischen, und damit eine neue Grundlage gefunden für die ganze Urgeschichte.

      Diese Wiederentdeckung der ursprünglichen mutterrechtlichen Gens als der Vorstufe der vaterrechtlichen Gens der Kulturvölker, hat für die Urgeschichte dieselbe Bedeutung, wie Darwin's Entwicklungstheorie für die Biologie und Marx' Mehrwerthstheorie für die politische Oekonomie. Sie befähigte Morgan, zum ersten Mal eine Geschichte der Familie zu entwerfen, worin wenigstens die klassischen Entwicklungsstufen im Ganzen und Großen, soweit das heute bekannte Material erlaubt, vorläufig festgestellt sind. Daß hiermit eine neue Epoche der Behandlung der Urgeschichte beginnt, ist vor aller Augen klar. Die mutterrechtliche Gens ist der Angelpunkt geworden, um den sich diese ganze Wissenschaft dreht; seit ihrer Entdeckung weiß man, in welcher Richtung und wonach man zu forschen, und wie man das Erforschte zu gruppiren hat. Und dementsprechend werden jetzt auf diesem Gebiet ganz anders rasche Fortschritte gemacht als vor Morgan's Buch.

      Die Entdeckungen Morgan's sind jetzt allgemein anerkannt, oder vielmehr angeeignet von den Prähistorikern auch in England. Aber fast bei keinem findet sich das offene Zugeständniß, daß es Morgan ist, dem wir diese Revolution der Anschauungen verdanken. In England ist sein Buch so weit wie möglich todtgeschwiegen, er selbst mit herablassendem Lob wegen seiner früheren Leistungen abgefertigt worden; an den Einzelheiten seiner Darstellung klaubt man eifrig herum, von seinen wirklich großen Entdeckungen schweigt man hartnäckig. Ancient Society ist in der Originalausgabe vergriffen; in Amerika ist für so etwas kein lohnender Absatz; in England wurde das Buch, scheint es, systematisch unterdrückt, und die einzige Ausgabe dieses epochemachenden Werks, die noch im Buchhandel circulirt, ist – die deutsche Übersetzung.

      Woher diese Zurückhaltung, in der es schwer ist, nicht eine Todtschweigungs-Verschwörung zu sehen, besonders gegenüber den zahlreichen bloßen Höflichkeitscitaten und andern Beweisen von Kamaraderie, wovon die Schriften unsrer anerkannten Prähistoriker wimmeln? Etwa weil Morgan ein Amerikaner ist, und es sehr hart ist für die englischen Prähistoriker, daß sie, trotz alles höchst anerkennenswerthen Fleißes im Zusammentragen von Material, für die bei der Ordnung und Gruppirung dieses Materials geltenden allgemeinen Gesichtspunkte, kurz für ihre Ideen, angewiesen sind auf zwei geniale Ausländer, auf Bachofen und Morgan? Den Deutschen konnte man sich noch gefallen lassen, aber den Amerikaner? Gegenüber dem Amerikaner wird jeder Engländer patriotisch, wovon ich in den Vereinigten Staaten ergötzliche Beispiele gesehn. Nun kommt aber noch dazu, daß MacLennan der sozusagen amtlich ernannte Stifter und Führer der englischen prähistorischen Schule war; daß es gewissermassen zum prähistorischen guten Ton gehörte, nur mit der höchsten Ehrfurcht von seiner verkünstelten, vom Kindermord durch Vielmännerei und Raubehe zur mutterrechtlichen Familie führenden Geschichtskonstruktion zu reden; daß der geringste Zweifel an der Existenz von einander absolut ausschließenden exogamen und endogamen »Stämmen« für frevelhafte Ketzerei galt; daß also Morgan, indem er alle diese geheiligten Dogmen in Dunst auflöste, eine Art von Sakrileg beging. Und obendrein löste er sie auf in einer Weise, die nur ausgesprochen zu werden brauchte, um sofort einzuleuchten; so daß die bisher zwischen Exogamie und Endogamie rathlos umhertaumelnden MacLennan-Verehrer sich fast mit der Faust vor den Kopf schlagen und ausrufen mußten: Wie konnten wir so dumm sein und das nicht schon lange selbst finden!

      Und wenn das noch nicht der Verbrechen genug waren, um der offiziellen Schule jede andere Behandlung außer kühler Beiseiteschiebung zu verbieten, so machte Morgan das Maß übervoll, indem er nicht nur die Civilisation, die Gesellschaft der Waarenproduktion, die Grundform unserer heutigen Gesellschaft, in einer Weise kritisirte, die an Fourier erinnert, sondern von einer künftigen Umgestaltung dieser Gesellschaft in Worten spricht, die Karl Marx gesagt haben könnte. Es war also wohlverdient, wenn MacLennan ihm entrüstet vorwirft, »die historische Methode sei ihm durchaus antipathisch,« und wenn Herr Professor Giraud-Teulon in Genf ihm dies noch 1884 bestätigt. Wankte doch derselbe Herr Giraud-Teulon noch 1874 ( Origines de la famille) hülflos im Irrgarten der MacLennan'schen Exogamie herum, aus dem ihn Morgan erst befreien mußte!

      Auf die übrigen Fortschritte, die die Urgeschichte Morgan verdankt, brauche ich hier nicht einzugehn; im Verlauf meiner Arbeit findet sich das Nöthige darüber. Die vierzehn Jahre, die seit dem Erscheinen seines Hauptwerkes verflossen, haben unser Material für die Geschichte der menschlichen Urgesellschaften sehr bereichert; zu den Anthropologen, Reisenden und Prähistorikern von Profession sind die vergleichenden Juristen getreten und haben theils neuen Stoff, theils neue Gesichtspunkte gebracht. Manche Einzelhypothese Morgan's ist dadurch schwankend oder selbst hinfällig geworden. Aber nirgendwo hat das neu gesammelte Material dazu geführt, seine großen Hauptgesichtspunkte durch andere zu verdrängen. Die von ihm in die Urgeschichte gebrachte Ordnung gilt in ihren Hauptzügen noch heute. Ja, man kann sagen, sie findet mehr und mehr allgemeine Anerkennung in demselben Maß, worin seine Urheberschaft dieses großen Fortschritts verheimlicht wird.

      London, СКАЧАТЬ