Название: Nikolaus muss sterben
Автор: Irene Dorfner
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Leo Schwartz
isbn: 9783754176658
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3.
Die Wohnung war weiträumig abgesperrt worden. Das hatte Friedrich Fuchs, der Leiter der Spurensicherung, veranlasst. Niemand wagte es, den Tatort zu betreten, denn alle kannten den fünfundvierzigjährigen Fuchs und seine ungezügelten Wutausbrüche, denen sich niemand freiwillig aussetzen wollte. Der Verletzte befand sich im Krankenwagen und wurde versorgt.
„Ist er ansprechbar?“, wandte sich Leo an den Notarzt.
„Nein, keine Chance. Stellen Sie sich darauf ein, dass das auch noch dauern wird – wenn er überhaupt wieder zu sich kommt. Die Kopfverletzung gefällt mir nicht. Können wir fahren?“
„Hatte er Papiere bei sich?“
„Nein. Die Identität ist geklärt, sprechen Sie mit einem Ihrer Kollegen. Der dort hinten war vor uns da“, zeigte er auf einen Uniformierten und schloss die Tür des Rettungswagens, der sich dann mit Blaulicht und Martinshorn entfernte.
Leo wies sich gegenüber dem Kollegen aus.
„Sie sind mir nicht unbekannt, Herr Schwartz. Sie erinnern sich an mich?“
Leo musterte das arrogante Gesicht, das ihm tatsächlich bekannt vorkam, allerdings erinnerte er sich nicht an den Namen.
„Engelbrecht, Kurt Engelbrecht.“
Leo schüttelte den Kopf, damit konnte er nichts anfangen, das war aber auch nicht wichtig.
„Wer ist das Opfer?“
„Jürgen Schulze, zweiundvierzig Jahre alt. Verheiratet, zwei Kinder. Zum Glück war er allein zuhause“, fasste Engelbrecht zusammen.
„Es heißt, der Täter war der Nikolaus? Das ist doch ein Scherz, oder?“
„Keine Ahnung, ich mache nur meinen Job und gebe das weiter, was Zeugen aussagten. In diesem Fall ist die Zeugin die Nachbarin Huber. Sie hat das Opfer gefunden und Polizei und Notarzt gerufen. Sie sagte aus, dass sie einen Mann in einem Nikolauskostüm gesehen hat. Einbrüche dieser Art werden zwar vermehrt gemeldet, aber wenn Sie mich fragen, ist die alte Frau nicht ganz dicht. Sie fantasiert und hat vermutlich zu viele Krimis gesehen. Als ich mit ihr sprach, lief der Fernseher, wie vermutlich den ganzen Tag lang.“
„Können wir uns darauf verlassen, dass es ein Mann war?“ Leo war sauer, wie respektlos Engelbrecht über die Zeugin sprach. Wie sie den Tag verbrachte, ging diesen Kotzbrocken wirklich nichts an.
„Mann oder Frau? Keine Ahnung. Das herauszufinden ist nicht meine Aufgabe.“ Engelbrecht steckte seinen Notizblock ein und sah auf die Uhr.
Jetzt erinnerte sich Leo an den Kollegen, der immer genau nach Vorschrift und keine Sekunde länger als nötig arbeitete. Ein unsympathischer Typ, mit dem er schon einmal zusammengerumpelt war.
„Sie bleiben hier, bis ich Sie persönlich abziehe. Wir haben uns verstanden?“
„Das dürfen Sie nicht anweisen, das darf nur mein Vorgesetzter.“
„Im Moment bin nur ich da und Sie müssen mit mir Vorlieb nehmen. Es gilt, was ich sage, auch wenn Ihnen das nicht gefällt. Ich wiederhole es noch einmal, damit Sie mich auch richtig verstehen: Sie bleiben!“
Engelbrecht war sauer. Er hatte noch einige Weihnachtseinkäufe zu erledigen, die er sich für heute vorgenommen hatte. Nach der Frühschicht hatte er am Nachmittag Zeit, sich um diese lästige Aufgabe zu kümmern. Daraus wurde jetzt nichts. Er sah dem Kollegen Schwartz hinterher und nahm sein Handy. Trotz mehrfacher Versuche erreichte er den Altöttinger Polizeichef nicht, weshalb ihm nichts anderes übrig blieb, als sich Schwartz‘ Anweisungen zu fügen.
Die Zeugin Josefa Huber war völlig aufgelöst. Diana saß gemeinsam mit ihr in deren viel zu warmen Wohnzimmer. Obwohl Leo schwitzte, ließ er die Lederjacke, die er fast das ganze Jahr trug, an. Er wies sich Frau Huber gegenüber aus, die sich aber nicht für seinen Ausweis interessierte und ihm Platz anbot. Leo sank förmlich in dem Sessel ein, der schon viele Jahre auf dem Buckel hatte. Ungefragt schenkte Josefa Huber Kaffee ein und stellte Leo eine Tasse hin, dazu gab es ein Stück Christstollen. Leo mochte den nicht, denn er hasste die kandierten Früchte darin.
Die betagte Frau Huber erzählte Leo nochmals alles von vorn, auch wenn er sie nicht danach fragte. Die Informationen sprudelten nur so aus ihr heraus.
„Und Sie sind sich sicher, dass das ein Mann war?“, hakte er nach. Der Kaffee schmeckte vorzüglich.
„Sie meinen, dass so etwas eine Frau anrichten könnte?“
„Warum nicht? Wir müssen jede Möglichkeit in Betracht ziehen.“
Frau Huber trank vom Kaffee und aß ein Stück Christstollen. Sie dachte nach und Leo wollte ihr die Zeit geben.
„Sie haben mich verunsichert, Herr Schwartz. Ich bin mir jetzt nicht mehr sicher, dass das ein Mann war. Die Person trug Turnschuhe, so wie sie die jungen Leute alle tragen. Nur Sie beide nicht“, bemerkte sie mit Blick auf Leos Cowboystiefel und Dianas Winterstiefel, die einen sehr hohen Absatz hatten.
Leo musste schmunzeln, denn Frau Huber bezeichnete ihn als jung, was ihm schon lange nicht mehr passiert war.
„Was können Sie uns über die Familie Schulze erzählen?“
„Sehr nette Leute, auch die Kinder. Sie leben sehr zurückgezogen, man sieht sie kaum. Natürlich gibt es ab und zu Streit, aber das ist normal. Die Kinder verhalten sich vorbildlich. Kein Geschrei und kein Lärm. Wenn man es nicht wüsste, könnte man nicht vermuten, dass nebenan kleine Kinder leben. Ich habe keine Kinder und somit auch keine Enkel, was ich sehr bedaure“, fügte sie nachdenklich hinzu. „Aber so ist das Schicksal nun mal. Entschuldigen Sie, das interessiert Sie sicher nicht, Sie wollen mehr über die Familie Schulze wissen. Herr Schulze arbeitet in Altötting beim Bauhof, Frau Schulze ist zuhause und kümmert sich um die Kinder und den Haushalt. Ja, das ist altmodisch, aber das soll jeder für sich selbst entscheiden. Der kleine Emil kommt nächstes Jahr schon in die Schule. Ein sehr aufgeweckter Junge, der viel zu schnell groß wird.“
Diana machte sich Notizen. Bei dem Namen Emil schüttelte sie den Kopf. Ja, es war modern, Kindern altdeutsche Namen zu geben – aber Emil? Es gab so viele schöne Namen, warum dieser?
„Wie heißt das andere Kind?“, wollte sie der Vollständigkeit halber wissen.
„Yannick. Es hat lange gedauert, bis ich mir den Namen merken konnte. Yannick ist vier Jahre alt.“
„Haben Sie eine Ahnung, wo sich Frau Schulze und die Kinder aufhalten?“
„Nein. Ich habe mich darüber gewundert, dass sie nicht da sind, normalerweise sind sie das immer.“ Frau Huber rührte in ihrer Tasse. „Ich verstehe das nicht, denn noch eine Stunde bevor ich Herrn Schulze in dem schrecklichen Zustand fand, meinte ich, Frau Schulze reden zu hören. Allerdings habe ich sie nicht gesehen, die Kinder auch nicht. Vielleicht täusche ich mich auch.“
Leo hatte genug gehört. Er bat Diana, noch etwas zu bleiben, falls Frau Huber noch СКАЧАТЬ