Siebenkäs. Jean Paul
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Название: Siebenkäs

Автор: Jean Paul

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783754175224

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СКАЧАТЬ Tage, 5 Stunden, 48 Minuten und 45 Sekunden lang nicht knurrte und nicht brummte.

      Anno 1785 hätt' er die Medaille nicht gewonnen; er war am dritten Tage, am Sonnabend, so toll über seine schweigende Frau, daß er noch toller wurde über den Störenfried Everard. Überhaupt konnte dieser Minnesinger und Minnesöldner nächstens wieder ins Haus kommen und die Göttin Zwietracht, die in Voltairens Henriade als Direktrice und Ambassadrice die besten poetischen Dienste verrichtet, in das häusliche Volklied eines Advokaten einführen als Maschinengöttin, um den Knoten des ehelichen Bandes zu lösen und einen neuen zu knüpfen mit dem Venner. Siebenkäs schrieb ihm also folgende akademische Streitschrift:

      »Ew. Hochwohlgeb. Gnaden erkühn' ich mich in diesem kleinen Memoriale die Bitte vorzutragen:

      Dieselben möchten zu Hause bleiben und mir Ihre Besuche entziehen. Sollten Sie einiger Haartouren von meiner Frau benötigt sein: so erbietet sich Endesunterschriebener zu den Lieferungen und will sie abschneiden. Wollen Dieselben ein jus compascui oder eine Koppeljagd bei mir exerzieren und selber kommen: so werd' ich diese Gelegenheit mit Vergnügen ergreifen, mir aus Ihnen eigenhändig so viel Haare, als zu einem Andenken nötig sind, mit den Wurzeln wie Monatrettige auszuziehen. Ich bin oft in Nürnberg (der hohe Rath wollt' es nicht haben) mit einem adligen betagten PrügelknechtSo hieß man sonst (s. Klübers Anmerkungen zu de la Curne de Sainte-Palaye vom Ritterwesen) die Aufseher bei den Turnierübungen, deren schwache Nachbilder noch einige adlige Hauslehrer geben. Damals nannte man die ritterschaftlichen Hofmeister »Bubenzuchtmeister«, und man will wünschen, daß unsere in und außer Gymnasien diesen Namen in einer Zeit, die alle guten Reste des Ritterwesens wieder hervorsucht, wenn nicht führen, doch verdienen. auf die benachbarten Dörfer schmausen gegangen, d. h. mit einem Informator, der sich aus den Seitenhaaren drei kleiner Patrizier in den Lehrstunden eine schöne mausfarbne Beutelperücke zusammengezauset und exzerpiert hatte, die der Mann noch aufhaben wird. Er lag diesem Seidenbau ob, oder vielmehr er blattete die kleinen Köpfe darum außen ab, damit er besser mit seinen Strahlen die Früchte innen zeitigen konnte, wie man im August aus denselben Gründen die Weinstöcke entlaubt. Der ich ansonsten verharre etc.«

      Es ärgert mich, wenn ichs dem Leser nicht beibringen kann, daß der Advokat diesen bittern Brief ohne die geringste Bitterkeit der Seele hinschrieb: dieses holzersparende Mitglied hatte sich so sehr in die fortglänzenden Satiren der drei lustigen Weisen aus London – Butler, Swift, Sterne –, dieser drei Leiber des satirischen Riesen Geryon oder dieser drei Parzen gegen den Toren, hineingelesen, daß das Mitglied nicht mehr wußte, ob es bitter sei oder nicht – über das satirische Kunstwerk vergaß er die Auslegung, ja er vergab sogar einer Stachelrede auf sich selber für ihren Wuchs und Bau gern die längsten Stacheln. Ich berufe mich auf seine »Auswahl aus den Papieren des Teufels«, deren satirische Giftblasen und Giftstacheln nur in seinem Dintenfasse und in seiner Schreibfeder, d. h. in seinem Kopfe, aber nicht in seinem Herzen waren.

      Ich bitte die Leser hier, den Geist der Sanftmut jedem Laute – weil unsere Worte mehr als unsere Taten die Menschen erzürnen –, aber noch mehr jedem Blatte einzublasen; denn wahrlich wenn Ihnen Ihre Korrespondenten ein schriftliches Pereat längst verziehen haben, so schwillet doch, wenn das Sauerampfer-Blättchen wieder in die Hände fällt, der alte Sauerteig des Hasses wieder auf. – Dafür können Sie im andern Falle auf eine gleiche Ewigkeit einer erschriebenen Wärme vertrauen; wahrhaftig, hätte ein langer schneidender Dezemberwind mein Herz zu allen Bewegungen für ein anderes, das sonst wahre Johannes-Briefe, weiche Hirten- und Hirtinnen-Briefe an mich erlassen, steif und unbiegsam gemacht: so verschlage dies wenig, sobald ich nur diese Schäfer-Briefe aus meinem Briefgewölbe voll Brieftaschen oder Brief-Ranzen wieder heraus zöge. Der Anblick der geliebten Hand, des willkommnen Siegels und der lieblichen Worte und der papierne Spielraum so mancher Entzückung würfe auf das starre Herz wieder den Sonnenschein der veralteten Liebe; es würde sich wie ein beschienener Blumenkelch wieder der kleinen Vorzeit auftun, und alle Gedanken würden, und wäre ich erst vorgestern beleidigt, sagen: »Ach, ich habe dem Verfasser (der Verfasserin) bisher wohl zu viel getan.« – So trieben viele Heilige des 1ten Säkuls Teufel aus Besessenen aus, bloß durch – Briefe.

      Eben diesen Sonnabend kam wie ein jüdischer Sabbat der Pelzstiefel gleichsam gerufen. Ich hab' es oft gesehen, daß ein Gast das Heftpulver und Bindewerk zwischen zwei keifenden Ehehälften geworden, weil sie aus Scham und Not gezwungen waren, wenigstens so lange miteinander freundlich zu tun und zu sprechen, als der Gast zuhorchte. Jeder Eheherr sollte einen oder ein paar Gäste in Vorrat haben, welche kämen, wenn er litte unter der Eheherrin, die den stummachenden Teufel zu lange im Leibe hätte; sie müßte doch wenigstens, solange die Herren blieben, reden und den eisernen Diebapfel des Schweigens – der mit dem Zankapfel auf einem Aste wächset – aus dem Munde nehmen. – Der Schulrat stellte sich ganz dicht vor Lenette Wendeline, wie vor seine Schülerin, und fragte sie, ob sie das erste Kreuz ihrer Ehe so geduldig getragen habe wie eine Kreuzschwester Hiobs. Sie schlug tief die großen Augen nieder und wickelte einen fingerlangen Faden an einen Zwirn-Schneeball und atmete voller. Ihr Mann vertrat sie und sagte: »Ich war ihr Kreuzbruder und trug das Querholz der Last – ich ohne Murren, sie ohne Murren. – Im 12ten Jahrhundert zeigte man noch den nachgelassenen Misthaufen, worauf Hiob geduldet hatte. Unsere zwei Sessel sind die Misthaufen und sind annoch zu sehen.« – »Gutes Weib!« sagte Stiefel mit dem sanftesten Pianissimo aus dem Grobgedackt und Schnarrwerk der männlichen Brust und legte seine große blütenweiße Hand auf ihr vorquillendes Stirn-Rabenhaar. Siebenkäs hörte ein vielfaches sympathetisches Echo dieser Worte in seiner Seele und legte seinen Arm um die Schultern Lenettens, die über die ehrende Freundlichkeit des andern Mannes im Amte selig errötete; er drückte sanft ihre linke Seite an seine rechte und sagte: »Wahrlich das ist sie – sie ist sanft und still und geduldig – und nur gar zu emsig – wäre nicht der ganze Heerbann der Hölle in der Gestalt des Venners gegen unser kleines Gartenhaus des Glücks angerückt, um es abzudecken: Herr Rat, wir hätten lange froh darin gehauset bis weit in den Winter unserer Jahre. Denn meine Lenette ist gut, und zu gut für mich und für viele andere.« – Hier umgürtete der gerührte Stiefel ihre mit dem Knaul gefüllte Hand am Sitz des Pulses mit seinen fünf Fingern – denn die leere hatte der Mann –; und das Wundwasser für unsere Schmerzen, dessen große Tropfen, durch die gebundnen Hände nicht verwischt, aus ihren gesenkten Augen zitternd auf die Wangen zogen, machte die männlichen Herzen unendlich weich; ohnehin konnte ihr Mann niemand lange loben, ohne daß ihm die Augen überflossen. Er fuhr schneller fort: »Sie sollt' es auch recht gut bei mir haben, aber mein Mütterliches wurde mir so grausam vorenthalten. Und auch da noch hätte ich sie ohne Erbschaft glücklich gemacht wie sie mich, wir hatten keinen Zwist, keinen einzigen trüben Augenblick – nicht wahr, Lenette, nichts als Ruh' und Liebe hatten wir – bis der Venner kam! – Der nahm uns viel.« – Der Schulrat hob erboset die geballte Faust in die Lüfte und sagte, mit ihr in diese hauend: »Du Höllenkind! Du Räuberhauptmann und Flibustier! Du seidner Katilina und Schadenfroh! – Gedenkst du das und deine andern Streiche einmal zu verantworten? – – Hr. Armenadvokat, das erwart' ich wenigstens von Ihnen, daß Sie, wenn er wieder um Haare ansucht, ihn bei seinen Haaren hinausgeleiten oder dieser Pelz-Made, wie Sie selber sagen, mit einem Stiefelknecht auf die Achsel klopfen und mit einer Beißzange die Hand drücken – mit einem Worte, ich leid' ihn nicht mehr hier.«

      Und hier schob Siebenkäs, um fremde und eigne Rührung auszukühlen, die Nachricht ein, er habe alles schon getan und dem Venner die nötigen Inhibitoriales übermacht. Der Pelzstiefel schnalzte freudig mit der Zunge und nickte billigend mit dem Kopfe; denn eine hohe Obrigkeit war ihm zwar Christi Unterkönig, und ein Graf ein Halbgott, und ein Kaiser ein ganzer; aber eine einzige Todsünde, die einer von ihnen beging, kostete diesem seine ganze gebückte Freundschaft, und gegen einen lateinischen Donatschnitzer, der sogar aus einem kronengold-haltigen Kopfe gekommen wäre, hätt' er sich ohne Bedenken in einem ganzen lateinischen Osterprogramma aufgemacht. Der Weltmann behauptet den aufrechten Anstand und die gekrümmte Seele; der Schulmann hat oft beide nicht. Lenettens letzte Wolken verzogen sich alle, da sie hörte, daß dem Venner ein papierner Verwahrstock und spanischer Reiter unter ihre Stubentüre gesetzt worden. »Nun СКАЧАТЬ