Название: Bloody Julie 2.0
Автор: Susanne Sievert
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783752917659
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Das Vieh hat sich zu einer Kugel zusammengerollt und schnurrt selig.
„Wie kommt eine Katze in ein Krankenhaus?“, frage ich Doris. „Es ist doch ein Krankenhaus, oder nicht?“
Bei meinen Worten hebt die Katze ihren Kopf und ich schwöre, das Mistvieh lächelt mich an! Die gelben Augen glänzen, als wolle es mir sagen, dass mir der größte Knall noch bevorsteht.
Doris’ knotige Hände liegen beschützend auf dem kleinen Körper. „Seit ich hier aufgewacht bin, ist Scratcher bei mir und leistet mir Gesellschaft. Kaum zu glauben, aber es ist eine einsame und leere Welt geworden …“
„‚Scratcher‘, ja?“, wiederhole ich.
Die Ähnlichkeit, der Name – auch wenn es unhöflich ist, fange ich an zu lachen. Scratcher, das bedeutet übersetzt „Kratzer“ und daran ist nichts witzig. Ist es Zufall? Nein, bestimmt nicht. Rosalie veränderte sich, wurde kränklich, bekam Albträume, nur weil eine Katze – diese Katze, davon bin ich völlig überzeugt – ihr das Gesicht zerkratzt hatte.
Mein Lachen bleibt mir im Hals stecken, zu gewaltig sind die Schmerzen. Tja, wie schnell man so ein Einschussloch vergessen kann.
Tadelnd schüttelt Doris den Kopf.
„Langsam, langsam, junge Dame. Ich habe dir doch gesagt, du sollst dich schonen, bis du soweit bist.“
Den letzten Satz habe ich schon mal gehört und so erwartungsvoll wie ihr Blick auf mir ruht, bedeutet er etwas.
„Schon klar“, antworte ich und höre mich eher genervt und nicht dankbar an.
Ganz ehrlich, wenn ich mich noch mehr zurückhalte, bin ich tot. Auf der anderen Seite sehe ich ein, dass sie recht hat. Ich muss fit werden, und zwar so schnell wie möglich. Jules ist hier. Er wartet auf mich, so wie immer, und ich will ihn nicht enttäuschen. Es muss einen Grund geben, warum er mich noch nicht hier herausgeholt hat und ich stattdessen mit Toten spreche. Ihm ist etwas passiert.
„Warum bist du hier, Doris?“ Statt einer Antwort höre ich ein Schnurren. Der Mund der alten Dame verzieht sich zu einem Grinsen und auf einmal sieht sie nicht mehr so nett aus.
„Ich bin schon lange hier“, antwortet sie. „Ich war nie weg. Und immer allein, abgesehen von Scratcher natürlich. Du bist die Erste, mit der ich spreche.“
Ihre Stimme hat nichts Beruhigendes mehr. Sie klingt lauernd und gefährlich. Verwirrt, aber vor allem misstrauisch wünsche ich mir, dass sie wieder verschwindet. Ihr Blick verheißt nichts Gutes. Es ist wie damals, als wir vor dem Haus meiner Eltern den Starr-Wettbewerb veranstalteten, bis der Krankenwagen eintraf. Da hatte ich noch nicht begriffen, dass Doris die Apokalypse eingeläutet hatte.
Sie hat dich aber nicht angegriffen. Abgesehen von dem Kies im Gesicht ist dir nichts passiert. Und was sagte sie? Sie ist schon lange hier? Die Sanitäter haben sie damals in ein Krankenhaus gebracht. Dieses hier? Bedeutet das …?
Ich führe den Gedanken nicht zu Ende, denn Scratcher hat sich aufgesetzt und setzt zum Sprung an. Die Ohren liegen weit nach hinten und am Rücken sträubt sich sein schwarzes Fell. Es ist nur eine Katze, aber zum Teufel, ich habe eine Scheißangst!
„Hilf mir, Doris“, flehe ich und meine damit nicht nur das Vieh mit den scharfen Krallen. „Roll mich hier raus, dann suchen wir Jules. Danach bringen wir dich und … Scratcher - feine Katze! - wohin auch immer du möchtest. Okay?“
Doris’ Schultern sacken nach unten und es sieht so aus, als würde sie sich tatsächlich etwas entspannen und über meinen Vorschlag nachdenken. Scratcher tut es ihr gleich und putzt sein Fell, als wäre nichts geschehen.
O Mann, ich hasse Katzen.
„Das klingt zu schön, um wahr zu sein, Herzchen“, murmelt Doris und ich wage zu hoffen. „Wie gerne würde ich nach Hause gehen. Ich vermisse meine Katzen, meinen Garten und, ach, die Backtage. Ich habe so viele Ideen für neue Kuchen, aber …“ Sie seufzt und setzt dann wieder ihr Teufelsgrinsen auf. „Es geht nicht, Julie. Niemals. Und weißt du warum?“
Puff, die Hoffnung löst sich auf.
Mein Atem stockt, ich traue mich nicht, zu antworten, aus Angst, was danach passiert. Doris dauert die Reaktion zu lange, sie springt auf und packt mit beiden Händen meine Arme. Sie drückt zu, verdammt, viel zu fest für eine alte Dame. Aus den Augenwinkeln sehe ich etwas Haariges und Schwarzes auf der Kante meines Bettes sitzen.
Ich habe es mit zwei Gegnern zu tun, bei denen ich nicht abschätzen kann, welcher gefährlicher ist. Eine alte Frau und eine Katze. Ach, machen wir uns nichts vor: Ich habe gegen beide nicht die geringste Chance.
„Warum, habe ich gefragt?!“
Mit der Frage spuckt sie Speichel in mein Gesicht und endlich erwache ich aus meiner Starre.
„Du bist nicht echt!“, antworte ich und atme schwer. „Ein Produkt meiner Fantasie, ein Geist, ein Wunschgedanke, was weiß ich?! Du kannst nicht hier sein! Ich will doch nur zu meinem Bruder, verdammt.“
Ich glühe – wahrscheinlich habe ich Fieber. Die schlimmsten Albträume hat man doch, wenn man fiebert, oder?
O Gott, denke ich. Ging es Rosalie etwa genauso? Aber ich wurde weder gekratzt noch gebissen. Moment mal … O nein!
An meinem Arm entdeckte ich einen Verband. Mein Herz macht einen Sprung und ehe ich vollständig begreife, was sich darunter verbirgt, bringt Doris mich wieder aus dem Konzept.
„Falsch“, brüllt sie und aus ihrem Mund höre ich ein Krächzen und Gurgeln.
Spinne ich? Ich schließe die Augen und will mich wieder unter der Decke verkriechen, bis der Albtraum vorüber ist. Aber das wird nicht funktionieren. Ich hoffe einfach, dass der Scheiß bald vorbei ist.
Als ich die Augen wieder öffne, trifft mich der Schlag. Doris hat sich verändert, und zwar nicht zu ihrem Vorteil. Sie ächzt und stöhnt und genau wie Scratcher faucht sie in mein Gesicht.
Oh, Fuck, Zombie!
„Du hörst nie zu“, schnauft Zombie-Doris und mir wird übel von dem Geruch, der aus ihrem Mund strömt.
Mit einem schmatzenden Geräusch lässt sie mich los. Ich wage einen Blick auf meine gequetschten Arme und würde am liebsten schreien. Doris’ Haut hat sich gelöst und klebt in Fetzen auf meiner eigenen.
„Ich höre ja zu!“ Angewidert wische ich über das Laken. „Aber ich kapier’s nicht!“
Scratcher faucht und schreit, dass ich eine Gänsehaut bekomme. Seine Laute ähneln dem Brüllen eines Babys. Bei dem Getöse fällt es mir immer schwerer, einen klaren Gedanken zu fassen.
„Du bist nicht soweit!“, krächzt Doris und setzt sich wieder auf den Stuhl. Sie starrt mich an und ich begreife immer noch nicht, was ihre Ermahnungen bedeuten. „Das alles hat ein Ende, wenn du soweit bist, glaub mir. Und dann, Kindchen, dann gehst du mit deinem Bruder nach Cherryhill. Nach Hause.“
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