Название: Fälschung
Автор: Ole R. Börgdahl
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783847620372
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»Es ging um einen van Gogh aus den Bührle-Sammlungen in Zürich. Es gab ein Selbstbildnis, das van Gogh im Sommer 1888 ursprünglich sogar für Paul Gauguin gemalt hatte. Der Industrielle Emil Georg Bührle glaubte in den Dreißiger- oder Vierzigerjahren eine Zweitfassung ersteigert zu haben. Es existieren aber eindeutige Dokumente, die belegen, dass es nie eine Zweitfassung aus van Goghs Hand gegeben hat und dass das besagte Bild von einer gewissen Judith Gérard stammte. Diese Dame war mit Gauguin bekannt. Vor seiner zweiten Südseereise hat Gauguin das Original des van-Gogh-Portraits bei ihrem Stiefvater zur Aufbewahrung gelassen. Aus irgendeinem Grund hat sich Madame Gérard an dem Bild versucht und die Zweitfassung gemalt. Laut ihrer eigenen Aussage hat sie ihr Werk aber aufrichtig mit ihrem eigenen Namen signiert. Erst Jahre später fand sie das van-Gogh-Portrait dann leicht verändert in einer Ausstellung wieder. Am ungeheuerlichsten war aber, dass ihre eigene Signatur durch eine gefälschte van-Gogh-Signatur übermalt worden war. Es ist also der klassische Fall einer Fälschung, mit dem Unterschied, dass der Schwindel eigentlich bekannt war und dieser Herr Bührle es hätte wissen können, als er mehrere Zehntausend Franken für die Fälschung hingelegt hat.«
»Gut, Sie meinen, unser Gauguin könnte eine ähnliche Historie haben«, stellte Simon fest.
Claudius Brahm schüttelte den Kopf. »Entschuldigung, ich wollte etwas ganz anderes sagen. Madame Gérard war eine Zeitgenossin van Goghs und auch Gauguins. Ihr Bild hätte bei einer Materialuntersuchung glänzend abgeschnitten. Es stammte aus der Zeit um 1899. Sie hat natürlich Zugriff auf die Farben und Leinwände jener Zeit gehabt und auch das Alter ihres Gemäldes stimmt in etwa mit der Schaffenszeit van Goghs überein, Sie verstehen, was ich meine?«
Simon überlegte. »Obwohl ihre Geschichte sicherlich eine Ausnahme ist, werden wir natürlich auch so etwas in Betracht ziehen, nicht umsonst betreiben wir diesen Aufwand mit unserer Recherche.«
»Aber ich will Sie nicht beunruhigen. Eigentlich sieht es doch ganz gut aus.«
Claudius Brahm nickte den beiden zu und sah dann noch einmal über das Ölgemälde. Er schaltete dazu die Stehlampe wieder ein und hielt sie schräg vor die Signatur des Bildes. Simon und Heinz Kühler stellten sich neben ihn und folgten seinem Blick.
»Sie wissen, dass ich früher als Restaurator gearbeitet habe«, sagte Claudius Brahm schließlich. »Mein Interesse gilt daher immer noch gerne dem Material, das heißt, ich achte auch auf Dinge, die viele meiner Kollegen gar nicht wahrnehmen, gar nicht wahrnehmen können, weil sie nie richtig am Objekt gearbeitet haben. Das Bild hier ist ja eigentlich noch nicht so alt, im Vergleich zu einem Rembrandt oder einem Dürer. Die Bildung von Rissen, von Alterssprüngen, also von den sogenannten Craquelés, tritt aber in der Regel schon bei Ölgemälden auf, die älter als vierzig Jahre sind. Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit. Das Erscheinungsbild des Craquelé ist vielschichtiger, es ist fast schon eine Wissenschaft für sich. Neben den Alterssprüngen gibt es Frühschwundrisse, die von der Maltechnik und dem Material abhängen, es gibt Zerrsprünge, Drucksprünge und Spiralsprünge, die von äußeren Belastungen herrühren. Es gibt den Girlandensprung, der schon mit der Aufspannung der Leinwand im späteren Bild verankert ist.«
»Ich weiß, worauf Sie hinauswollen«, unterbrach ihn Heinz Kühler. »Was ist mit den sogenannten künstlichen Craquelés, den gefälschten Craquelésformen?«
»Gut, sehr gut«, antwortete Claudius Brahm. »Also ich will sagen, Ihr Labor sollte besonders auf die Craquelés achten. Sie sollten nach Aufzeichnungen, Aufmalungen oder sogar nach Einritzungen schauen. Bei unserem Objekt hier können Sie sehr schön erkennen, dass die Craquelierung zwar erst in einigen wenigen Bereichen vorhanden ist, aber sie ist vorhanden. Oft ist die Craquelierung jedoch nicht allein altersbedingt. Es wird Stellen geben, da werden sich voraussichtlich niemals Risse bilden, was auch mit der Maltechnik zu tun hat. Vor zweihundert oder dreihundert Jahren, als die Künstler mit Ölfarbe zu arbeiten begannen, wurde damit beinahe modelliert. Darum sehen viele Bilder heute auch wie ausgetrocknete Salzseen aus. Sie verstehen, die Rissbildung ist auf der ganzen Oberfläche zu finden. Wichtig bei dem Gauguin hier ist nur, dass die Craquelés alle echt sein sollten, aber ich denke ein vernünftiges Labor hat einen Blick dafür und Sie werden doch sicherlich ein vernünftiges Labor zur Hand haben, nicht wahr?«
Simon verstand, was Claudius Brahm meinte. Er wusste genau, dass er trotzdem jetzt und hier kein abschließendes Urteil erhalten würde. Wenn er Glück hatte könnte ein vorläufiges Gutachten vorliegen, wenn auch die Laboruntersuchungen abgeschlossen waren. Simon hatte sich zu dem nicht dazu geäußert, woher das Bild stammte oder wem es gehörte. Claudius Brahm hatte auch nicht danach gefragt. Er durfte noch drei Fotoaufnahmen von dem Gauguin machen. Die Diskretion bei diesem Auftrag war dabei selbstverständlich. Claudius Brahm verwendete keine Spielzeugkamera, wie er die kleinen Digitalfotoapparate bezeichnete, die höchstens mit ein oder zwei Megapixeln Auflösung ausgestattet waren, sondern hatte eine Profikamera mit acht Megapixeln, ein Gerät, das bestimmt mehrere Tausend D-Mark gekostete haben musste.
*
Die vorläufige Expertise war schon am nächsten Dienstag fertig. Sie lag in der Post, persönlich an Simon adressiert, so wie er es gewünscht hatte. Bei den Laboruntersuchungen gab es Probleme. Zwei Proben wurden durch Lösungsmittel unbrauchbar gemacht, sodass das Bild einen weiteren Tag im Labor blieb und neue Farbabstriche genommen werden mussten. Das Gemälde wurde dann aber wieder unverzüglich dem Kunst- und Auktionshaus Blammer zurückgegeben. Es dauerte aber trotzdem noch eine weitere Woche, bis endlich der Untersuchungsbericht vorlag. Edmund Linz hatte bereits am Freitag davor nach den Ergebnissen gefragt. Simon konnte ihm nur aus dem Gutachten des neu beauftragten Kunstsachverständigen zitieren. Sie stellten gemeinsam fest, dass sowohl Professor Lehner, als auch Claudius Brahm zu demselben Ergebnis kamen. Der Malstil, die Motivwahl, die Symbolik, generell alle Indizien sprachen für ein Werk aus der Hand des französischen Malers Paul Gauguin. Aber es gab eine Einschränkung, beide Expertisen machten ihre Aussagen von den Ergebnissen der Laboruntersuchungen abhängig. Simon empfahl den Gauguin weiterhin bei Blammer zu verwahren. Er hatte sich Edmund Linz neue Lebensverhältnisse schildern lassen. In Edmund Linz Wohnung gab es keinerlei Möglichkeiten, das Bild vor einem Diebstahl zu schützen, es überhaupt vor irgendetwas zu schützen. Edmund Linz sah es ein. Er hatte selbst auch noch eine andere Überlegung, warum er das Gauguin-Gemälde besser bei Blammer lassen wollte. Er teilte seine Gedanken zwar nicht mit, aber Simon konnte sich schon denken, dass es etwas mit dem Bankrott zu tun hatte. Nach Möglichkeit schwiegen sie sich jedoch über dieses Thema aus.
Als Simon den Laborbericht endlich in Händen hatte, rief er Heinz Kühler zu sich. In dem versiegelten Umschlag, den er bekommen hatte, befanden sich das Original und eine Kopie des Berichts. In der Kopfzeile standen zunächst die Angaben zum Labor und zu dem Untersuchungsobjekt:
Dr. Dr. Mannzahn (Dipl.-Chem.) Mikroanalytisches Labor
Dr. Guller (Dipl.-Phys.) München
Paul Gauguin: Julie des Bois, 50,5 x 51,3 cm
Naturwissenschaftliche Untersuchung zum Malmaterial und zum maltechnischen Aufbau
Simon und Heinz Kühler nahmen jeder ein Exemplar. Es begann mit einer Beschreibung dessen, was das Gemälde zeigte. Alle Objekte, selbst die Darstellung des kleinen Mädchens wurden eher nüchtern beschrieben, ohne jegliche Interpretation des Stils und der Symbolik. Es war schließlich auch ein, auf Fakten aufbauender Bericht und keine Prosa, wie man es oft in den Expertisen der Kunstsachverständigen fand. Die beiden Männer saßen still nebeneinander und lasen gleichzeitig das Gutachten.
Bildträger und Grundierung:
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