Das Wesen des Christentums . Feuerbach Ludwig
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Читать онлайн книгу Das Wesen des Christentums - Feuerbach Ludwig страница 9

Название: Das Wesen des Christentums

Автор: Feuerbach Ludwig

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9783966511766

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      So ist die Sonne das gemeinschaftliche Objekt der Planeten, aber so, wie sie dem Merkur, der Venus, dem Saturn, dem Uranus, so ist sie nicht der Erde Gegenstand. Jeder Planet hat seine eigne Sonne. Die Sonne, die und wie sie den Uranus erleuchtet und erwärmt, hat kein physisches (nur ein astronomisches, wissenschaftliches) Dasein für die Erde; und die Sonne erscheint nicht nur anders, sie ist auch wirklich auf dem Uranus eine andere Sonne als auf der Erde. Das Verhalten der Erde zur Sonne ist daher zugleich ein Verhalten der Erde zu sich selbst oder zu ihrem eignen Wesen, denn das Maß der Größe und der Stärke des Lichts, in welchem die Sonne der Erde Gegenstand, ist das Maß der Entfernung, welches die eigentümliche Natur der Erde begründet. Jeder Planet hat daher in seiner Sonne den Spiegel seines eignen Wesens.

      An dem Gegenstande wird daher der Mensch seiner selbst bewußt: das Bewußtsein des Gegenstands ist das Selbstbewußtsein des Menschen. Aus dem Gegenstande erkennst du den Menschen; an ihm erscheint dir sein Wesen: der Gegenstand ist sein offenbares Wesen, sein wahres, objektives Ich. Und dies gilt keineswegs nur von den geistigen, sondern selbst auch den sinnlichen Gegenständen. Auch die dem Menschen fernsten Gegenstände sind, weil und wiefern sie ihm Gegenstände sind, Offenbarungen des menschlichen Wesens. Auch der Mond, auch die Sonne, auch die Sterne rufen dem Menschen das Γνωθι σαυτον, Erkenne dich selbst, zu. Daß er sie sieht und sie so sieht, wie er sie sieht, das ist ein Zeugnis seines eignen Wesens. Das Tier wird nur ergriffen von dem zum Leben notwendigen Lichtstrahl, der Mensch dagegen auch noch von dem gleichgültigen Strahl des entferntesten Sternes. Nur der Mensch hat reine, intellektuelle, interesselose Freuden und Affekte – nur der Mensch feiert theoretische Augenfeste. Das Auge, das in den Sternenhimmel schaut, jenes nutz- und schadenlose Licht erblickt, welches nichts mit der Erde und ihren Bedürfnissen gemein hat, erblickt in diesem Lichte sein eignes Wesen, seinen eignen Ursprung. Das Auge ist himmlischer Natur. Darum erhebt sich der Mensch über die Erde nur mit dem Auge; darum beginnt die Theorie mit dem Blicke nach dem Himmel. Die ersten Philosophen waren Astronomen. Der Himmel erinnert den Menschen an seine Bestimmung, daran, daß er nicht bloß zum Handeln, sondern auch zur Beschauung bestimmt ist.

      Das absolute Wesen, der Gott des Menschen ist sein eignes Wesen. Die Macht des Gegenstandes über ihn ist daher die Macht seines eignen Wesens. So ist die Macht des Gegenstands des Gefühls die Macht des Gefühls, die Macht des Gegenstands der Vernunft die Macht der Vernunft selbst, die Macht des Gegenstands des Willens die Macht des Willens. Den Menschen, dessen Wesen der Ton bestimmt, beherrscht das Gefühl, wenigstens das Gefühl, welches im Tone sein entsprechendes Element findet. Nicht aber der Ton für sich selbst, nur der inhaltsvolle, der sinn- und gefühlvolle Ton hat Macht über das Gefühl. Das Gefühl wird nur durch das Gefühlvolle, d. h. durch sich selbst, sein eignes Wesen bestimmt. So auch der Wille, so auch die Vernunft. Was für eines Gegenstandes wir uns daher auch nur immer bewußt werden: wir werden stets zugleich unsres eignen Wesens uns bewußt; wir können nichts anderes betätigen, ohne uns selbst zu betätigen. Und weil Wollen, Fühlen, Denken Vollkommenheiten sind, Wesenheiten, Realitäten, so ist es unmöglich, daß wir mit Vernunft die Vernunft, mit Gefühl das Gefühl, mit Willen den Willen als eine beschränkte, endliche d. i. nichtige Kraft empfinden oder wahrnehmen. Endlichkeit nämlich und Nichtigkeit sind eins; Endlichkeit ist nur ein Euphemismus für Nichtigkeit. Endlichkeit ist der metaphysische, der theoretische, Nichtigkeit der pathologische, praktische Ausdruck. Was dem Verstande endlich, ist nichtig dem Herzen. Es ist aber unmöglich, daß wir uns des Willens, des Gefühls, der Vernunft als endlicher Kräfte bewußt werden, weil jede Vollkommenheit, jede Kraft und Wesenheit die unmittelbare Bewahrheitung und Bekräftigung ihrer selbst ist. Man kann nicht lieben, nicht wollen, nicht denken, ohne diese Tätigkeiten als Vollkommenheiten zu empfinden, nicht wahrnehmen, daß man ein liebendes, wollendes, denkendes Wesen ist, ohne darüber eine unendliche Freude zu empfinden. Bewußtsein ist das Sich-selbst-Gegenstand-Sein eines Wesens; daher nichts Besonderes, nichts von dem Wesen, das sich seiner bewußt ist, Unterschiednes. Wie könnte es sonst sich seiner bewußt sein? Unmöglich ist es darum, einer Vollkommenheit als einer Unvollkommen-heit sich bewußt zu werden, unmöglich, das Gefühl als beschränkt zu empfinden, unmöglich, das Denken als beschränkt zu denken.

      Bewußtsein ist Selbstbetätigung, Selbstbejahung, Selbstliebe, Freude an der eignen Vollkommenheit. Bewußtsein ist das charakteristische Kennzeichen eines vollkommenen Wesens; Bewußtsein ist nur in einem gesättigten, vollendeten Wesen. Selbst die menschliche Eitelkeit bestätigt diese Wahrheit. Der Mensch sieht in den Spiegel; er hat einen Wohlgefallen an seiner Gestalt. Dieses Wohlgefallen ist eine notwendige, unwillkürliche Folge von der Vollendung, von der Schönheit seiner Gestalt. Die schöne Gestalt ist in sich gesättigt, sie hat notwendig eine Freude an sich, sie spiegelt sich notwendig in sich selbst. Eitelkeit ist es nur, wenn der Mensch seine eigne individuelle Gestalt beliebäugelt, aber nicht, wenn er die menschliche Gestalt bewundert. Er soll sie bewundern; er kann sich keine schönere, keine erhabenere Gestalt als die menschliche vorstellen. Allerdings liebt jedes Wesen sich, sein Sein und soll es lieben. Sein ist ein Gut. »Alles«, sagt Bacon, »was des Seins würdig, ist auch würdig des Wissens.« Alles, was ist, hat Wert, ist ein Wesen von Distinktion; darum bejaht, behauptet es sich. Aber die höchste Form der Selbstbejahung, die Form, welche selbst eine Auszeichnung ist, eine Vollkommenheit, ein Glück, ein Gut, ist das Bewußtsein.

      Jede Beschränkung der Vernunft oder überhaupt des Wesens des Menschen beruht auf einer Täuschung, einem Irrtum. Wohl kann und soll selbst das menschliche Individuum – hierin besteht sein Unterschied von dem tierischen – sich als beschränkt fühlen und erkennen; aber es kann sich seiner Schranken, seiner Endlichkeit nur bewußt werden, weil ihm die Vollkommenheit, die Unendlichkeit der Gattung Gegenstand ist, sei es nun als Gegenstand des Gefühls, oder des Gewissens, oder des denkenden Bewußtseins. Macht es gleichwohl seine Schranken zu Schranken der Gattung, so beruht dies auf der Täuschung, daß es sich für eins mit der Gattung hält – eine Täuschung, die mit der Bequemlichkeitsliebe, Trägheit, Eitelkeit und Selbstsucht des Individuums aufs innigste zusammenhängt. Eine Schranke nämlich, die ich bloß als meine Schranke weiß, demütigt, beschämt und beunruhigt mich. Um mich daher von diesem Schamgefühl, von dieser Unruhe zu befreien, mache ich die Schranken meiner Individualität zu Schranken des menschlichen Wesens selbst. Was mir unbegreiflich, ist auch den andern unbegreiflich; was soll ich mich weiter kümmern? es ist ja nicht meine Schuld; es liegt nicht an meinem Verstande; es liegt am Verstande der Gattung selbst. Aber es ist Wahn, lächerlicher und zugleich frevelhafter Wahn, das, was die Natur des Menschen ausmacht, das Wesen der Gattung, welches das absolute Wesen des Individuums ist, als endlich, als beschränkt zu bestimmen. Jedes Wesen ist sich selbst genug. Kein Wesen kann sich, d. h. seine Wesenheit verneinen; kein Wesen ist sich selbst ein beschränktes. Jedes Wesen ist vielmehr in sich und für sich unendlich, hat seinen Gott, sein höchstes Wesen in sich selbst. Jede Schranke eines Wesens existiert nur für ein andres Wesen außer und über ihm. Das Leben der Ephemeren ist außerordentlich kurz im Vergleich zu länger lebenden Tieren; aber gleichwohl ist für sie dieses kurze Leben so lang, als für andere ein Leben von Jahren. Das Blatt, auf dem die Raupe lebt, ist für sie eine Welt, ein unendlicher Raum.

      Was ein Wesen zu dem macht, was es ist, das ist eben sein Talent, sein Vermögen, sein Reichtum, sein Schmuck. Wie wäre es möglich, sein Sein als Nichtsein, seinen Reichtum als Mangel, sein Talent als Unvermögen wahrzunehmen? Hätten die Pflanzen Augen, Geschmack und Urteilskraft – jede Pflanze würde ihre Blume für die schönste erklären; denn ihr Verstand, ihr Geschmack würde nicht weiter reichen, als ihre produzierende Wesenskraft. Was die produzierende Wesenskraft als das Höchste hervorbrächte, das müßte auch ihr Geschmack, ihre Urteilskraft als das Höchste bekräftigen, anerkennen. Was das Wesen bejaht, kann der Verstand, der Geschmack, das Urteil nicht verneinen; sonst wäre der Verstand, die Urteilskraft nicht mehr der Verstand, die Urteilskraft dieses bestimmten, СКАЧАТЬ