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СКАЧАТЬ Lehrerfortbildungen zeigten das bekannte Muster: Es gab diejenigen, die begeistert waren, und diejenigen, die nur deswegen kamen, weil die Veranstaltung akkreditiert war, günstig lag, und sie noch Weiterbildungspunkte brauchten. Der Aha-Effekt bei den Lehrern, die häufig in den 70er und 80er Jahren studiert hatten, bestand in vielen Fortbildungen in der Feststellung, dass man Exegese auch ganz anders machen kann, als sie es im Studium kennengelernt hatten, und dass Bibelauslegung durchaus eine lustvolle Beschäftigung sein kann.

      Sandra Huebenthal *1975, Dr. theol., ist Professorin für Exegese und Biblische Theologie an der Universität Passau. Sie studierte Kath. Theologie in Frankfurt/Sankt Georgen und Dublin. Seit 2011 ist sie in der Leitung der hochschuldidaktischen Weiterbildung Theologie Lehren Lernen in Trägerschaft des Katholisch-Theologischen Fakultätentags und der Deutschen Bischofskonferenz. Sie ist seit 2015 bei der Deutschen Gesellschaft für Hochschuldidaktik (dghd) akkreditiert.

      Unter Hochschullehrenden wird gerne geflachst, dass wir in den exegetischen Lehrveranstaltungen gegen die Lehrer und Pfarrer unserer Studierenden ankämpfen, und tatsächlich ist weit mehr als nur ein Körnchen Wahrheit in dieser lapidaren Feststellung enthalten. In der Tat sind es zumeist die früheren Erfahrungen mit hermeneutischen und methodischen Zugängen und ihrer Vermittlung, die den Lernenden die Freude an der Bibel nehmen. Die Eindrücke sind so nachhaltig, dass die Studierenden ihre Vorbehalte in die späteren Arbeitsfelder Pastoral und Schule mitnehmen und dort unbewusst weitergeben. Wer sich durch exegetische Vorlesungen, Pro- und Hauptseminare quälte, wird in der eigenen beruflichen Tätigkeit selten überzeugt Freude an der Bibel und ihrer Auslegung verkörpern, und wer im Studium lernte, dass Exegese immer hochwissenschaftlich sein muss, um wirklich Exegese zu sein, wird sich schwer tun, kreative und originelle Auslegungsangebote zu machen.

      Wie vertrackt die Situation ist, lässt sich an zwei Beispielen aus meinem exegetischen Alltag verdeutlichen. Eine meiner Standardfragen in exegetischen Grundkursen lautet: »Wenn Sie das Gleichnis XY auslegen wollen, was lesen Sie als erstes?« Auf die eigentlich nahe liegende Antwort: »den biblischen Text«, kommen die wenigsten. Gewöhnlich überlegen die Studierenden, welcher Kommentar am besten geeignet sein könnte. Man mag einwenden, zunächst den Text zu lesen, verstehe sich doch von selbst, doch die Realität sieht oft anders aus. Ich habe zu viele Studierende erlebt, die unterschiedliche Auslegungen vorstellen konnten, aber nicht so recht wussten, was genau im Text steht, um an diesen Automatismus zu glauben. Hinzu kommt, dass die Kommentarliteratur mitunter wenig hilfreich für die Auslegung eines Textes ist. Als ich in der Abschlussphase meiner Promotion eingeladen war, einen Einkehrtag zu Jesaja 58 zu gestalten, stellte ich zu meinem Entsetzen fest, dass keiner der Kommentare, die in unserer gut sortierten Bibliothek standen, bei der Frage der Auslegung von Jesaja 58 weiterhelfen konnte. Über den Wachstumsprozess und literarische Schichten des Buches war sehr viel zu erfahren, weniger schon über das literarische, religionsgeschichtliche und soziale Umfeld, und Impulse für die Auslegung blieben die Kommentare gänzlich schuldig. Ich fragte mich damals, wie sich auf dieser Grundlage Predigten entwickeln lassen, und einer meiner Lehrer der Exegese des Alten Testaments gestand ein, dass er auf diese Frage auch keine Antwort habe.

      Es bleibt der Eindruck, dass Bibelauslegung eine Sache für Fachleute ist, bei der man sich erst nach Jahren des Trainings fremder Sprachen und komplizierter Methoden aus der Deckung trauen darf und selbst dann in den Augen der gestrengen Fachleute selten Gnade findet. Oder anders herum formuliert: dass man bei der Exegese eine Menge falsch machen kann und wenig Spaß verspürte, wenn man nicht zu den »happy few« gehört, die sich dieser Sache mit Haut und Haaren verschreiben.

      Welche Schlüsse lassen sich daraus ziehen? Die Fähigkeit, gute Exegesen zu schreiben, ist etwas, das jahrelange Erfahrung und Training braucht. Gute Exegeten mögen wie Zauberer sein, doch sie lassen sich nicht einfach herbeizaubern. Nach Jahrzehnten einer hermeneutischen Monokultur an den Universitäten ist es nicht verwunderlich, wenn die ehemaligen Studierenden und heutigen Multiplikatoren in Pastoral und Schule glauben, dass Exegese wenig mit ihrer Lebenswirklichkeit zu tun hat und dass sie – da sie nur selten in der Praxis anwenden können, was sie im Hörsaal lernten – den Eindruck haben, mit ihren vermeintlich unwissenschaftlichen Zugängen Theologen zweiter Klasse zu bleiben, die im Grunde nichts Wesentliches über die Bibel sagen oder zur Weitergabe ihrer Auslegung beitragen können.

      Wenn Exegese die Lernenden nicht zu eigenen Auslegungen befähigt und ihnen den Spaß und die Entdeckerfreude lässt, müssen wir uns nicht wundern, wenn sich das »exegetische Trauma« in den Gemeinden und Schulen fortsetzt und die Bibel ein Schattendasein führt. Es erklärt, warum Prediger biblische Texte mitunter steinbruchartig als Impuls- und Stichwortgeber verwenden, um die eigene Meinung zu untermauern, und warum biblische Geschichten im Unterricht Gefahr laufen, pädagogisch oder katechetisch verzweckt zu werden. Dann kann es schon mal passieren, dass Zachäus am Text vorbei zu einer »tollen Geschichte gegen Mobbing« wird und das Gleichnis vom Senfkorn an der Realität nahöstlicher Botanik vorbei dafür herhalten muss, im Selbstversuch mit dem Blumentopf zu lernen, dass das Kleine beschützt und gepflegt werden muss, damit es groß werden und seinerseits Schutz bieten kann.

      1. Erste Einsichten

      Es ist für Hochschullehrende schwierig, diesen Kreislauf stillschweigend weitergegebener Frustration und Resignation aufzubrechen. Und dennoch liegt genau hier unsere Aufgabe und unsere Verantwortung als Hochschullehrer. Wie groß die Reichweite unserer Arbeit ist, hat Torsten Meyer unlängst eindrücklich beschrieben. Die 1990 geborenen Lehramtsstudierenden, die uns heute in den Lehrveranstaltungen gegenübersitzen, werden bis 2125 eine Wirkung als Lehrer haben – denn erst dann sind die letzten Schüler, die sie unterrichtet haben, aus dem Berufsleben geschieden.1 Auf eine im Alter von 40 Jahren berufene Professorin übertragen, die noch wenigstens fünfundzwanzig Jahre in der Hochschullehre tätig sein wird, ergibt das eine Reichweite bis etwa 2150 – rund 150 Jahre. Selbst wenn die Zahlen ein wenig geschönt sind, um das Bild eingängiger zu machen, lässt sich erahnen, welchen Einfluss Hochschullehrende besitzen. Um es drastisch auszudrücken: Wenn ich es in meiner Lehre nicht schaffe, den beschriebenen Kreislauf aufzubrechen und bei den Studierenden Begeisterung für die Bibel und ihre Auslegung zurückzugewinnen, ist die Generation ihrer Schülerinnen und Schüler mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls verloren.

      Diese Erkenntnis kann ebenso erdrückend wie befreiend sein, in jedem Falle aber zeigt sie, welche hohe Verantwortung wir als Lehrende haben. Wenn man die Vermutung hinzunimmt, dass es zumeist Methodik und Hermeneutik – und zwar exegetische wie didaktische – sind, die zu »Bibelfrust« führen,2 ist das Grund genug, sich intensiver mit der Frage nach den eigenen methodischen und hermeneutischen Grundüberzeugungen und der Frage der eigenen Lehre auseinanderzusetzen.

      Dabei können kleine Veränderungen große Wirkung haben, zum Beispiel wenn man biblische, insbesondere neutestamentliche Texte nicht mehr in Perikopen einteilt und dadurch wichtiger Bedeutungsebenen beraubt, sondern wieder ganze Bücher liest. Was für Ruth und Jona im Alten Testament schon in meiner eigenen Oberstufenzeit vor zwanzig Jahren der Fall war, setzt sich nun langsam auch für das Markusevangelium durch3 und gilt, wie neueste Versuche im Hörsaal zeigen, auch für die übrigen neutestamentlichen Erzähltexte. Es wäre durchaus einen Versuch wert, frühchristliche Identitätssuche auch anhand der Briefliteratur – der echten Paulusbriefe wie der Deuteropaulinen oder der Katholischen Briefe – zu betrachten. Man muss ja nicht gleich den Römerbrief lesen; auch die Briefe an Philemon und Titus oder die Briefe des Jakobus und Judas können Augenöffner sein, wenn man sie jenseits der Frage von Gemeinde- und Ämterstruktur, Gegnersuche und Authentizitätsfragen betrachtet.

      Dem Zauber einer guten Exegese kann man sich in der Tat nur schwer entziehen. Wobei »gut« ausdrücklich auch »handwerklich gut« mit einschließt. Schlussendlich ist es das, wozu wir Studierende – in den Zeiten von Bologna ebenso wie schon davor – befähigen wollen: zu richtig guter Exegese. Über die Frage, was genau eine gute Exegese ausmacht, lässt sich trefflich streiten und vermutlich handelt es sich dabei um eine СКАЧАТЬ