GLOBALE PROVINZ. Georg Rainer Hofmann
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Название: GLOBALE PROVINZ

Автор: Georg Rainer Hofmann

Издательство: Bookwire

Жанр: Математика

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isbn: 9783864082788

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СКАЧАТЬ werden. War der Motor warm, konnte man den Choke wieder zurückstellen. Die Karosserien rosteten an allen Ecken und Enden. Immerhin waren diese Autos schon etwa einige Jahre benutzbar. Das modernste Auto war damals wohl der »Audi quattro« – er hatte zwar schon einen Allradantrieb, aber (noch) keinen Abgaskatalysator.

      Noch auf Jahre hinaus sollte die akademische Informatik – nicht nur an der THD – von Personen geprägt werden, die irgendetwas anderes gelernt oder studiert hatten, und dann im langsam aufkommenden Boom des Metiers Informatik als Quereinsteiger auftraten. Einer der Mitarbeiter im Rechenzentrum der THD war ein gelernter Frisör, der uns – als ich später wissenschaftlicher Mitarbeiter war – am frühen Morgen im Rechnerraum durchaus die Haare schneiden konnte, so dies gewünscht wurde. Auch die meisten Informatik-Professoren an der THD waren selbstredend noch keine echten Informatiker. Studierte Elektrotechniker waren für die Praktische Informatik zuständig, die Theoretische Informatik wurde von Mathematikern vertreten. Informationstechnologie wurde damals von (vor allem männlichen) Experten für (hauptsächlich männliche) Nutzer gemacht. Der Frauenanteil in der Informatik-Professorenschaft an der THD lag bei exakt null Prozent.

      Die Informatik war erst wenige Jahre zuvor überhaupt in das Portfolio der akademischen Lehre aufgenommen worden. Die THD hatte dabei allerdings eine wichtige Vorreiterrolle gespielt. Die Darmstädter Hochschullehrer Alwin Walther und Robert Piloty waren frühe Informatik-Pioniere. Es war indes nicht klar, ob sich die Informatik dauerhaft an den Hochschulen würde etablieren können. Sie hätte durchaus das gleiche Schicksal wie die einst mit vielen Hoffnungen bedachte Kybernetik erleiden und wieder in der Versenkung verschwinden können. Die THD hatte mit großem Mut eine der ersten Informatik-Fakultäten namens »Fachbereich Informatik« in Deutschland gegründet. Das war zu meinem Studienbeginn gerade erst zehn Jahre her. Der erste Doktorand in der Informatik in Darmstadt war im Jahr 1975 übrigens Wolfgang Coy, der später als Professor an der Universität Bremen und an der Humboldt-Universität zu Berlin tätig wurde. Viele Jahre später sollte, nach der Anzahl der Studierenden gerechnet, das Fach Informatik eine sehr wichtige Rolle in der akademischen Ausbildung spielen – und das nicht nur am Hochschulstandort Darmstadt.

       Exkurs – Das Informatik-Lehrbuch von Koch und Rembold aus dem Jahr 1977

      Wenn man das so liest, dann muss man sehen, dass in diesen frühen Jahren so etwas wie die »wissenschaftliche Literatur« der Informatik nur rudimentär existierte. Gegen Ende des Jahres 2013 würdigte man das Erscheinen eines der ersten Lehrbücher im Carl Hanser Verlag, München. Seitens des Verlags war man fast überrascht, dass die Informatik als universitäre Disziplin mit der Gründung der ersten Informatikfakultät an der TU Karlsruhe erst gut 40 Jahre alt war. Wir erleben erst seit den letzten 40 Jahren das Aufkommen der »Computerwissenschaften« in Deutschland mit allen massiven Folgen für Gesellschaft und Wirtschaft.

      Die unglaublich breite und schnelle Expansion eines neuen Faches und seine Durchdringung aller Bereiche wurden durch eine erste Generation von Informatikern in Gang gesetzt, die von ihrer Ausbildung her noch eher Mathematiker oder Elektroingenieure waren. In diesem Kontext war das erste, 1977 im Carl Hanser Verlag erschienene Buch zur Ausbildung von angewandten Informatikern ein Wegbereiter. Es war die »Einführung in die Informatik für Naturwissenschaftler und Ingenieure« von Günter Koch und Ulrich Rembold, wobei dem Ersteren, als »Zeitzeugen« der Geschichte der Informatik als Studienfach, das Verdienst zukommt, die Initiierung, Konzeption und den größten Teil der Texte des Buches verfasst zu haben. Dieses Pionierwerk wird bis heute verlegt und ist aktuell unter seinem Ursprungstitel lieferbar.

      Es konnte sich als Lehrbuch der Informatikingenieure vieler Generationen so lange halten, weil die in den 70er-Jahren von Koch und Rembold dazu verfassten Konzepte und Grundlagen weitsichtig geplant und formuliert worden waren. Die »Einführung in die Informatik für Naturwissenschaftler und Ingenieure« gehört zu den publizistischen Meilensteinen der Informatik und ihre Autoren zu den maßgeblichen Pionieren.¶

      Das Rhein-Main-Gebiet und auch die Stadt Darmstadt waren in den 1980er-Jahren noch stark vom Kalten Krieg geprägt. Wiesbaden, Darmstadt, auch Babenhausen und Aschaffenburg waren wichtige US-amerikanische Garnisonsstädte. Einen nicht geringen Teil des Frankfurter Flughafens hatte die U.S. Air Force in Benutzung. Mein Auto hatte ein recht einfaches UKW-Radio, das war meistens auf »AFN Frankfurt« (American Forces Network Frankfurt) eingestellt. Ein eher einfaches Radio war nicht so diebstahlgefährdet – teure Autoradios wurden damals gerne und öfters aus den Autos gestohlen. Der AFN residierte in der Frankfurter Bertramstraße neben dem Hessischen Rundfunk. Sonntagnachmittags lief bei AFN immer »Casey’s coast to coast«. Das war die US-amerikanische Hitparade, präsentiert von Moderator Casey Kasem.

      Man kann sich den Entwicklungszustand der Informationsgesellschaft um das Jahr 1982 klarmachen, wenn man bedenkt, was es damals alles noch nicht gab und wie Studierende damit zurechtkamen. Es gab keine Mobiltelefone, zum Telefonieren musste man entweder zu Hause sein – oder aber einen öffentlichen Telefonzellen-Münzfernsprecher benutzen. Die Telefone in den Büros der THD waren für Studierende tabu. Zuhause im Odenwald hatten wir erst seit wenigen Jahren ein privates Telefon zur Verfügung. Ein Telefonapparat und sein Anschluss wurden von der staatlichen Deutschen Bundespost auf Antrag zugeteilt und quasi »amtlich« installiert. Der Telefondienst war eine staatliche Leistung, für die kein »Preis«, sondern »Gebühren« zu bezahlen waren. Dokumente wurden per Briefmarkenpost verschickt. Wenn es schneller gehen sollte, konnte man die Zustellung am Zielort per rotem »EXPRESS«-Aufkleber beschleunigen, der natürlich extra Porto kostete. Die SMS der damaligen Zeit waren umschlaglose Papp-Postkarten, die man mit bereits aufgedruckter Briefmarke im Postamt kaufen konnte. Kurze Texte ließen sich auch mithilfe von Fernschreibern »Telex« national – und auch international – elektronisch in Echtzeit verschicken.

      Es gab noch keinerlei elektronische Kommunikation zwischen den Hochschullehrern der Informatik und den Studierenden. Übungsaufgaben wurden als kopierte Übungsblätter im Anschluss an die Vorlesungen ausgeteilt. Sie wurden zum Teil in Live-Tutorials von Studenten der höheren Semester betreut. Musterlösungen dazu gab es als Papier-Aushänge in den spezifischen »Schaukästen« in den Gängen der Institute – zum Ansehen oder manuellen Abschreiben vor Ort. Studien-Skripte und Materialien konnte man im Institut des Professors als Kopiervorlage ausleihen oder aber als Buch, das der Professor verfasst hatte, im Handel kaufen. Studierende erhielten einen kleinen Rabatt, wenn sie per vom Professor ausgestellten »Hörerschein« im Buchhandel nachweisen konnten, dass sie die zum Buch passende Vorlesung besuchten.

      Selbst in der Informatik war die notwendige Literatur damals nur in Papierform verfügbar. Studierende konnten sie in der »Hessischen Landes- und Hochschulbibliothek Darmstadt« ausleihen. Der Zugriff auf wissenschaftliche Arbeiten war ein ultra-langsamer Vorgang, der pro Zugriff einige Tage Zeit kostete. Manche Bücher waren ständig anderweitig ausgeliehen und standen damit faktisch nicht zur Verfügung. Zeitschriften waren oft gar nicht ausleihbar, sondern wurden nur in den Lesesaal der Hochschulbibliothek ausgegeben. Da saß man dann stundenlang und schrieb zu zitierende relevante Textstellen per Hand ab. Die einzige Alternative zur Handschrift war die mechanische Schreibmaschine. In der Stadt gab es Schreibbüros, die die handschriftlichen Vorlagen der Abschlussarbeiten und Dissertationen der THD-Absolventen mit Schreibmaschinen abtippten und in einen ordentlichen Schriftsatz brachten. Für Vervielfältigungen existierten aber schon Xerographie-Kopierer. Das waren riesige Apparate, man konnte sie per Münzeinwurf in Betrieb nehmen. Sie standen an zentraler Stelle in der Nähe der großen Hörsäle. Kopien waren teuer – der Preis von einer D-Mark pro Seite war nicht ganz unüblich.

      In der ersten Hälfte der 1980er-Jahre gab es noch lange nicht das, was später als »Social Network« oder als »Messenger Service« bekannt werden sollte. Daher war die Kommunikation in der Studentenschaft noch sehr viel mehr als in den 2010er-Jahren, oder gar zu Beginn der 2020er-Jahre, auf persönlicher Präsenz basierend. Dauernd war irgendwo ein »Happening« oder ein »Event« fällig. Angekündigt werden konnte das damals nur per Plakataushang oder über das Verteilen von Handzetteln, also nicht elektronisch. Die Mensa war in der Regel den ganzen СКАЧАТЬ