Название: Bürgergesellschaft heute
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Издательство: Автор
Жанр: Зарубежная публицистика
isbn: 9783950493924
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Zu Beginn dieses Beitrags erfolgt eine kursorische Darstellung der antiken unmittelbaren politischen Praxis der sogenannten Bürgergemeinschaft, verbunden mit historisch-politischen Einblicken in die politische Lebenswelt in der Zeit der griechischen Klassik (1). Daran anschließend folgt ein Wechsel in die politische Theorie der Antike. Dabei werden die Grundlagen der politisch-anthropologischen Philosophie bei Aristoteles und dessen Vorstellungen von politischer Partizipation im Zuge des von ihm entwickelten „Staats nach bestem Ermessen“ erörtert (2). Im nächsten Schritt wird die Transformation von der antiken Bürgergemeinschaft zur modernen Bürgergesellschaft insbesondere anhand soziologischer Betrachtungen zumindest angedeutet (3). Es folgt – in Anbetracht gegenwärtiger weltweiter gesellschaftspolitischer Entwicklungen – ein Abschnitt über die aktuelle Bedeutung der Bürgergesellschaft, die meiner Ansicht nach auch heute noch bzw. wiederum verstärkt zu einem guten Teil als Bürgergemeinschaft zu verstehen ist, ohne hierbei die modernen politischen Entwicklungen und Errungenschaften, so z. B. Menschenwürde, Demokratie, Freiheitsrechte, in irgendeiner Art und Weise in Abrede stellen zu wollen (4). Abschließend wird aus dem zuletzt angeführten Punkt folgernd die Grundlegung von gemeinschaftspolitischer Empathie als Bürgerrecht und Bürgerpflicht verhandelt (5).
1. Antike politische Praxis: Organisationsform, Partizipation, Dichotomie
Zweifelsfrei kommt der griechischen Antike in Bezug auf Entwicklung und Grundverständnis des Politischen für Europa und darüber hinaus ein besonderer Stellenwert zu. Dabei vor allem der Zeit der sogenannten griechischen Klassik, beginnend mit den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Griechen und den Persern bis hin zur Inthronisierung des angehenden Makedonenkönigs Alexanders des Großen – somit von ca. 500 bis 336 v. Chr. In dieser Zeit der Klassik gelangten die griechischen Stadtstaaten (altgr.: Sg. Polis, Pl. Poleis), u. a. Athen, Sparta, Theben, zu ihrer historisch, politisch und kulturell einzigartigen Bedeutung von weltgeschichtlichem Rang, welche ohne die politische Organisationsform der Polis nicht in dieser Art und Weise möglich gewesen wäre. Und das – bemerkenswerter Weise – trotz vieler interner politischer Konflikte, innerhalb der Stadtstaaten selbst bzw. ebenso zwischen den griechischen Stadtstaaten untereinander, oder externer militärischer Bedrohungen aus anderen Regionen des Mittelmeerraums. In klassischer Zeit dürfte es mehr als 800 Siedlungen im Verständnis der Polis gegeben haben, die in ihrem Erscheinungsbild zwar vielfach variierten, jedoch „eine prinzipiell gleiche Binnenstruktur des Siedlungsraums“1 aufgewiesen haben. Dazu gehörte zumeist ein städtischer Kern mit politischer, ökonomischer und kultureller Infrastruktur, so z. B. die wirtschaftliche und/oder die politische Agora (der Versammlungsplatz für Handel und Politik im Zentrum angrenzend an Verwaltungs- und Kultgebäude) sowie ein dazugehöriges Umland des städtischen Kerns für die notwendige Landwirtschaft. So gehörte z. B. zur Polis Athen ganz Attika, wobei sich die Bürger überall in Attika „Athener“ nannten, selbst wenn sie in einem von der Stadt Athen weit entfernten Dorf lebten.2 In der Zeit der Klassik dürfte die wirkungsmächtigste Polis Athen zwischen 200.000 und 300.000 Einwohner gehabt haben, wobei die Mehrzahl davon in den ländlichen Gebieten gelebt hat.3
Kennzeichnend für das politische Selbstverständnis der Stadtstaaten war das Ideal der „politischen Selbstverwaltung und -regierung durch ihre Bürger und das Streben nach innerer und äußerer Unabhängigkeit“4. Im Vordergrund der Bemühungen der Stadtstaaten standen also insbesondere die Ziele von politischer Autarkie und politischer Autonomie, die untrennbar mit dem Streben nach der dauerhaften ökonomischen Versorgung der Einwohner mit den für das damalige Leben notwendigen wie wünschenswerten Gütern verbunden gewesen sind. Womit es nahe liegt, dass viele Stadtstaaten in regem wirtschaftlichen Austausch standen. Dennoch verfügten die meisten Poleis jeweils über ein eigenes Heer, ein eigenes Rechtswesen sowie über einen eigenen Kalender, und selbst im Zuge des mythischen Kults wurden innerhalb der einzelnen Stadtstaaten unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt.
Das politische Selbstverständnis der antiken Stadtstaaten der Klassik gründete sich auf zwei historisch-kategorischen Tatsachen der politischen Praxis (und zu einem überwiegenden Teil auch in der politischen Theorie), die im Zuge einer Auseinandersetzung rund um das Thema politischer Partizipation in der Antike angeführt werden müssen: die Teilung der Polis in freie und unfreie Menschen sowie das Paradigma des freien (männlichen) Bürgers innerhalb der Polis. Die Trennung von Freien und Unfreien kann trotz „aller Vielfalt der gesellschaftlichen und staatlichen Erscheinungsformen im antiken Griechenland“ als „ein grundlegendes Merkmal eines jeden antiken Staatswesens“5 angesehen werden, und zusätzlich ebenso auch die Beschränkung der Bürgerrechte und -pflichten auf den freien (männlichen) Bürger der Polis.
Aus politischer Perspektive war die Unterscheidung zwischen Freien und Unfreien eine alltägliche Normalität, eine gängige politische Praxis. Der Bürger galt zumeist als frei und konnte eine Reihe von Bürgerrechten für sich in Anspruch nehmen: politische Mitsprache, Rechtsansprüche, Besitzerwerb etc. Doch mit diesen Bürgerrechten waren zumeist auch Bürgerpflichten verbunden: Wehrpflicht, politische Partizipation nach den Vorgaben des geltenden Rechts, die Pflicht zur Übernahme politischer Ämter, einhergehend mit der Verpflichtung, öffentliche Aufgaben zum Wohle der Polis für eine gewisse Dauer zu übernehmen etc. Keine persönlichen und politischen Rechte wurden hingegen jenen zugestanden, die als unfrei galten, im Besonderen den sogenannten Sklaven im Stand der Unfreiheit. Innerhalb der Unfreien gab es jedoch soziale Unterschiede und das Spektrum der unterschiedlichen Tätigkeiten bzw. Verpflichtungen war durchaus groß. Zum einen gab es Staatssklaven (Amtsdiener, Wächter, Bauarbeiter bis hin zu den staatlichen – wie auch den privaten – Bergwerkssklaven). Zum anderen gab es Haussklaven bzw. -knechte und -mägde, die innerhalb des Oikos (der Haus- und Hofgemeinschaft) ebenso unterschiedlichen Tätigkeiten nachgingen, dabei als Küchenhilfe, Hauslehrer, Amme, Hausarzt etc. tätig gewesen sind. Gänzlich ohne politische Rechte waren weiters Frauen und Kinder, selbst wenn die Stellung der Frau von Polis zu Polis variieren konnte. Und auch die Rechte oder vielmehr Nichtrechte von Gästen (den Metöken) oder von Fremden (den Xenoi) waren in den Stadtstaaten per Gesetz unterschiedlich definiert.
Festzuhalten ist in Bezug auf die Zeit der griechischen Klassik:6 (i) Die Dichotomie der Unterscheidung „frei“ und „unfrei“, war eine gesellschaftspolitisch akzeptierte und in der politischen Praxis großteils unhinterfragte Tatsache, auch wenn in Dichtung und Philosophie gelegentlich über eine (mögliche) Rechtfertigung dieser Trennung diskutiert wurde. (ii) Die Unterscheidung „frei“ und „unfrei“, die Bestimmung des „freien Bürgers“ im Kontrast zum „unfreien Sklaven“, spiegelt nicht bloß einen formalen Rechtsstatus wider, sondern impliziert ein antikes politisches Selbstbewusstsein. Bereits bei Aischylos lässt sich diese Spur aufnehmen, wo die Athener – auf die Frage von Seiten der Perser nach dem Namen des Herrschers über die Athener – als freie Bürger bezeichnet werden, die keines Herren Sklaven und niemandes Untertan sind.7 (iii) Auf Seiten der Unfreien arbeiteten die Sklaven in den verschiedensten, mitunter auch in vertraulichen Bereichen bzw. Beziehungen und erhielten dafür unterschiedlich hohe soziale Anerkennung, was allerdings nichts an dem nicht vorhandenen allgemeinen Rechtsstatus, außer jenem des Besitzanspruchs des Herren, änderte. (iv) Sklaven waren dem Menschenhandel mit allen seinen Symptomen schutzlos ausgeliefert, galten als Ware, als Besitz und als Werkzeug. (v) Unfreie (Männer, Frauen, Kinder) waren aber СКАЧАТЬ