Название: Klausurenkurs im Öffentlichen Wirtschaftsrecht
Автор: Stefan Storr
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Schwerpunkte Klausurenkurs
isbn: 9783811469044
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V. Einlegung eines Widerspruchs
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Nach § 80 Abs. 5 S. 2 VwGO ist der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung bereits vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Allerdings muss spätestens mit dem Antrag nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO ein fristgerechter Widerspruch eingelegt werden, dessen aufschiebende Wirkung wiederhergestellt werden soll[13]. Diese Sachentscheidungsvoraussetzung muss die MS Ltd. erfüllen.
Hinweis:
Eine andere Ansicht ist mit dem Argument vertretbar, das Gebot eines zumindest gleichzeitigen Widerspruchs sei wegen der hiermit verbundenen Verkürzung der Rechtsbehelfsfristen im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG problematisch[14]. Allerdings darf auch nach dieser Ansicht der Verwaltungsakt noch nicht bestandskräftig geworden sein.
VI. Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis
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Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis könnte zu verneinen sein, wenn die MS Ltd. zunächst gemäß § 80 Abs. 4 VwGO einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung an die Behörde stellen müsste. Jedoch normiert § 80 Abs. 6 S. 1 VwGO abschließend die Fälle, in denen zunächst die Behörde angerufen werden muss.
Ein Antrag der MS Ltd. auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung wäre demgemäß zulässig.
B. Begründetheit eines Antrags nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO
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Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 2 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist begründet, soweit die Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht vorliegen (I.) oder das Vollzugsinteresse der Stadtverwaltung S das Interesse des MS Ltd. an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nicht überwiegt (II.).
I. Formelle Rechtmäßigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung
1. Zuständige Behörde
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Die Stadtverwaltung müsste für die Anordnung der sofortigen Vollziehung zuständig gewesen sein. Nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO ist die Behörde zuständig, die auch den Ausgangsbescheid erlassen hat. Die Stadtverwaltung verfügte die Fortsetzungsuntersagung und ordnete die sofortige Vollziehung an. Sie war somit zuständig.
2. Verfahren
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Fraglich ist, ob es vor der Anordnung der sofortigen Vollziehung einer besonderen Anhörung gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG bedarf, da die MS Ltd. ausdrücklich nur zu der Untersagung angehört wurde. Eine Anhörung wäre erforderlich, wenn es sich bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung um einen Verwaltungsakt handelt. Dagegen spricht, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung nur einen unselbstständigen Annex zu einem Verwaltungsakt, eine Nebenentscheidung, darstellt[15]. Auch eine analoge Anwendung von § 28 Abs. 1 VwVfG scheidet mangels Regelungslücke aus, da § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 und Abs. 3 VwGO die formellen Anforderungen an die Vollziehbarkeitsanordnung abschließend regeln. Zudem bestehen für ein Vorgehen gegen die Vollziehungsanordnung keine Fristen und sie ist keiner Bestandskraft fähig, so dass kein Bedürfnis für eine Vorverlagerung des Rechtsschutzes besteht[16].
Trotz fehlender Analogievoraussetzungen stellt sich die Frage, ob sich ein Anhörungsgebot unmittelbar aus dem Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips nach Art. 20 Abs. 3 GG herleiten ließe[17]. Insbesondere im vorliegenden Fall könnte dies damit zu begründen sein, dass eine Anhörung zu der Untersagung nach § 15 Abs. 2 GewO erfolgt ist und – unter Zugrundelegung einer lebensnahen Sachverhaltsauslegung – die Behörde zu diesem Zeitpunkt zumindest in Erwägung gezogen haben muss, die sofortige Vollziehung anzuordnen. Es wäre somit ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen, die MS Ltd. auf diese Erwägung hinzuweisen. Jedoch ist hiergegen einzuwenden, dass das Gebot rechtlichen Gehörs nicht absolut gewährleistet wird, sondern Durchbrechungen kennt, wie § 28 Abs. 2 und 3 VwVfG erweisen. Rechtsstaatlichen Grundsätzen wird dadurch genügt, dass dem Betroffenen vorläufiger Rechtsschutz gem. § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO zusteht[18]. Die MS Ltd. musste somit zur Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht angehört werden.
3. Form
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Nach § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Diese Begründung muss über die Begründung des Verwaltungsakts hinausgehen, da gerade das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung darzulegen ist. Die Begründung darf sich nicht in Formeln, der Wiedergabe des Gesetzestextes oder einem Verweis auf die Begründung der Sachentscheidung erschöpfen[19].
Hier werden von der Behörde letztlich Argumente herangezogen, mit denen sie schon den Erlass der Untersagung begründet hat. Allerdings wird durch den im Wortlaut unterschiedlichen Begründungsaufwand deutlich, dass sich die Behörde der Warnfunktion des § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung bewusst war, indem sie das besondere Interesse hinsichtlich des sofortigen Stopps des Bewachungsbetriebs gesondert herausgearbeitet hat. Damit sind die Formanforderungen gewahrt.
Hinweis:
Sollte angenommen werden, die Anordnung sofortiger Vollziehung genüge wegen der unterlassenen Anhörung oder einer unzureichenden Begründung nicht den rechtlichen Anforderungen, stehen die Konsequenzen im Raum. Jedenfalls bei einem Begründungsmangel ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO wegen Rechtswidrigkeit der Vollziehungsanordnung[20] begründet, ohne dass das Gericht in eine materielle Rechtsprüfung einsteigt[21]. Dasselbe wäre anzunehmen, wenn von einem Anhörungsgebot ausgegangen wird[22]. Umstritten ist, ob das Verwaltungsgericht in diesen Fällen die aufschiebende Wirkung wiederherstellt[23] oder nur die Anordnung der sofortigen Vollziehung aufhebt[24], um die Verwaltung nicht zu hindern, diese formell korrekt zu wiederholen. Gegen die bloße Aufhebung der Anordnung spricht, dass § 80 Abs. 5 VwGO eine solche Entscheidungsbefugnis nicht vorsieht. Zudem hindert die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung die Verwaltung nicht an einer erneuten Anordnung, da die Bindungswirkung der gerichtlichen Entscheidung nur soweit reicht, wie das Gericht in der Sache entschieden hat, also nur hinsichtlich der formellen Rechtswidrigkeit der Anordnung bestünde[25]. Sachliche Unterschiede bestehen zwischen beiden Ansichten aber nicht. Nach beiden Ansichten ist der Antrag ohne weitere Sachprüfung erfolgreich. In der Klausur müsste daher hilfsgutachterlich weitergeprüft werden[26]. Nach richtiger Auffassung scheidet eine Nachholung der ordnungsgemäßen Begründung mit heilender Wirkung im Unterschied zur ordnungsgemäßen Wiederholung der Vollziehungsanordnung aus. Die Warn-, Rechtsschutz- und Kontrollfunktion des Begründungserfordernisses lassen sich nicht mit Erwägungen der Prozessökonomie beiseiteschieben[27].
II. Interessenabwägung
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