Название: Lebendige Seelsorge 2/2017
Автор: Erich Garhammer
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9783429063238
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Claudia Bausewein
geb. 1965 in München, Prof. Dr. med., Internistin; seit über 30 Jahren in der Hospizbewegung und Palliativmedizin; wiederholte Aufenthalte in England, darunter fünf Jahre am Cicely Saunders Institute des King’s College London; seit 2012 Direktorin der Klinik und Poliklinik für Palliativmedizin am Klinikum der Universität München und Lehrstuhlinhaberin für Palliativmedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Der englische Begriff „Palliative Care“ bringt noch besser zum Ausdruck, was hinter Palliativmedizin steckt. Das Wort „care“ – Fürsorge, Versorgung geht über die reine medizinische Betreuung hinaus und macht auch deutlich, dass es nicht nur um ärztliche Betreuung geht, sondern dass den vielfältigen und komplexen medizinischen, psychosozialen und spirituellen Problemen der Betroffenen oft nur durch ein multiprofessionelles und interdisziplinäres Team begegnet werden kann. Die Palliativmedizin und die Hospizbewegung sind eng miteinander verbunden, haben sie doch dieselben Wurzeln in Dame Cicely Saunders, die 1967 St. Christopher’s Hospice in London gründete.
Die Entwicklung der Hospizbewegung und Palliativmedizin in Deutschland in den letzten 30 Jahren ist beeindruckend. Aus einer Initiative Einzelner ist die Hospizbewegung mit über 80.000 ehrenamtlichen Helfern zu einer Bürgerbewegung geworden. Die Palliativmedizin hat sich als medizinisches Fachgebiet etabliert und durch die Einrichtung von Lehrstühlen Einzug in Universitäten gefunden.
Palliativmedizinische und hospizliche Betreuung wird in verschiedenen Bereichen des Gesundheitswesens angeboten, abhängig von der Situation und den Bedürfnissen der Patienten. In den über 300 Palliativstationen werden Patienten mit komplexen Beschwerden betreut, die einer Krankenhausbehandlung bedürfen. Ziel ist aber eine Entlassung nach Hause oder in ein stationäres Hospiz. Dort können die Patienten auch über einen längeren Zeitraum bleiben, bis sie sterben. Im ambulanten Bereich gibt es in vielen Gegenden Deutschlands immer mehr multi-professionelle Teams in der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV), die Patienten zu Hause betreuen und häufig ermöglichen, dass sie auch zu Hause sterben können. Unterstützt werden die spezialisierten Palliativdienste durch ambulante Hospizvereine mit vielen ehrenamtlichen Helfern.
LINDERUNG VON BELASTENDEN SYMPTOMEN
Im Fokus der palliativmedizinischen Betreuung steht die Linderung von belastenden Symptomen, die durch die Erkrankung entstehen, und nicht die Behandlung der Grunderkrankung (z. B. eines Tumorleidens). Die am häufigsten beklagten Symptome sind Schmerzen, Schwäche, Gewichtsverlust, Atemnot, Übelkeit, Erbrechen und Verstopfung. Die Behandlung dieser Beschwerden erfolgt überwiegend über Medikamente, unterstützt durch Gespräche, Atemtherapie und Physiotherapie. Zudem haben Patienten oft Ängste und Sorgen, wie es weitergeht, oder leiden unter einer Depression. Aber auch spirituell-existentielle Fragen beschäftigen Menschen am Lebensende. Solange Patienten unter unkontrollierten Beschwerden leiden, ist es schwer für sie, sich mit wichtigen Fragen, die am Lebensende auftauchen, auseinanderzusetzen.
KOMMUNIKATION
Die Kommunikation mit dem Patienten und seinen Angehörigen spielt eine große Rolle bei jeder medizinischen Behandlung. Am Lebensende bekommt sie aber noch einmal eine besondere Bedeutung, da es vielen Menschen schwerfällt, über Sterben und Tod zu sprechen. Es ist oft einfacher, über eine erneute Chemotherapie zu sprechen oder neue Untersuchungen anzuordnen, als über die Ernsthaftigkeit der Situation zu reden und, dass trotz aller medizinischen Bemühungen die Krankheit voranschreitet und das Leben vorzeitig beenden wird. Was Menschen mit fortgeschrittenen Erkrankungen v. a. brauchen, ist ein wahrhaftes und einfühlsames Gespräch, in dem sie ihre Sorgen und Nöte äußern können. Sich als Mensch akzeptiert und verstanden zu fühlen, in seiner Ganzheit mit allen Freuden und Leiden, seien sie körperlicher, psychischer, sozialer oder spiritueller Natur. Die entscheidende Frage ist oft nicht, was dem Patienten gesagt wird, sondern wie der Kontakt gesucht wird. Durch einen wahrhaften Umgang mit all den Informationen, die der Patient braucht und möchte, bekommt der Patient die Möglichkeit, das zu regeln, was für ihn wichtig ist, und sich mit der Frage nach dem Sinn seines Lebens und Sterbens auseinanderzusetzen. Dabei bestimmt der Betroffene in der Begleitung und in den Gesprächen die Inhalte und die Intensität.
Entscheidend ist oft nicht, was dem Patienten gesagt wird, sondern wie der Kontakt gesucht wird.
BETREUUNG IN DER STERBEPHASE
In den letzten Lebenstagen ist es Aufgabe der Palliativmedizin, ein würdevolles und friedliches Sterben zu ermöglichen. Um unnötiges Leiden zu vermeiden, müssen die körperlichen Beschwerden, sei es bereits bestehende oder neu dazugekommene, weiter therapiert werden. Das ist in der Regel gut möglich.
In dieser Zeit brauchen die Angehörigen häufig mehr Unterstützung als der Patient. Die Zeit des Abschieds ist besonders schwer und viele wissen nicht, was sie erwartet, wenn ein Mensch stirbt. Erklärung, was in der Sterbephase passiert und welche Veränderungen voraussichtlich auftreten werden, gibt ihnen Sicherheit. Es ist wichtig, den Angehörigen Raum für ihre Sorgen und Ängste zu geben und sie zu unterstützen, beim Patienten zu sein, aber auch auf sich selbst zu achten.
WAS BEWEGT MENSCHEN AM LEBENSENDE? WAS HILFT IHNEN?
Das Sterben wirkt wie ein Brennglas für das Leben, vieles wird noch einmal dicht und konzentriert.
Die Fragen und Themen, die Menschen am Lebensende beschäftigen, sind so vielfältig wie das Leben selbst. Und doch gibt es eine Reihe von existentiellen Fragen, die immer wieder auftauchen, vielleicht aber nicht immer ausgesprochen werden. Warum bin ich krank geworden? Warum muss ich (jetzt schon) sterben? Warum kann ich meine Kinder nicht groß werden sehen? Was habe ich in meinem Leben erreicht? Habe ich die Menschen um mich herum genug geliebt? Warum lässt Gott das zu? Viele dieser spirituellen und existentiellen Fragen sind grundsätzliche Fragen des Lebens, die eigentlich nicht erst am Lebensende gestellt werden sollten. Das Sterben wirkt aber wie ein Brennglas für das Leben, vieles wird noch einmal dicht und sehr konzentriert. Dann bekommen diese Fragen unter Umständen eine besondere Vehemenz.
Viele dieser existentiellen und spirituellen Fragen haben keine Antworten, zumindest keine einfachen. Patienten erwarten auf diese Fragen von den professionellen Betreuern, seien es Ärzte, Psychologen oder Seelsorger, auch keine Antworten. Diese Antworten kann, wenn überhaupt, nur der Betroffene selbst finden. Aufgabe der Betreuer und Begleiter ist es vielmehr, einen geschützten Raum und eine entsprechende Atmosphäre zu schaffen, damit die notwendigen Prozesse stattfinden können, um Antworten zu finden. Oder es mit auszuhalten, wenn es keine Antworten gibt. Damit Menschen ihren eigenen Weg am Lebensende gehen können, ist es wichtige Voraussetzung, unter möglichst wenig belastenden Krankheitsbeschwerden zu leiden, aber genauso ein offenes Ohr, Zeit und Absichtslosigkeit, den Patienten irgendwo hinführen zu wollen.
Häufig bewegen die Menschen auch Sorgen und Ängste: Was passiert beim Sterben? Werde ich starke Schmerzen haben? Gibt es einen Todeskampf? Viele fürchten die Zeit des Sterbens mehr, als tot zu sein. Für andere ist die Vorstellung des nicht mehr Seins äußerst beängstigend. Wichtig ist es zunächst, dass die Sorgen und Ängste ausgesprochen werden können. Oft hilft es schon, wenn sie abgeladen werden dürfen und ein anderer sie hört. Viele Ängste beruhen auf eigenen Vorstellungen, früheren Erfahrungen oder Erzählungen anderer, müssen aber nicht unbedingt mit der Realität übereinstimmen.
So ist Sterben selbst nicht automatisch ein schmerzhafter Prozess. Wenn Schmerzen auftauchen, hängen sie in der Regel mit der Grunderkrankung zusammen und waren vermutlich auch schon vorher da. Auch können wir eine Agonie СКАЧАТЬ