Название: Verbeult, verschlafen - durchgehalten
Автор: Albert Damblon
Издательство: Bookwire
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783429063559
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Meinem Vater fiel sofort etwas anderes auf, nachdem er die TÜV-Plakette gelesen hatte. „Der TÜV ist überfällig!“, sagte er fast streng. „Bitte überlegen Sie“, antwortete der Verkäufer, „ich war im Examen. Da hatte ich keine Zeit für die TÜV-Untersuchung, und nun ziehe ich um. Ich weiß nicht, wie ich alles machen soll. Der Wagen muss weg.“ Ein Auto vor der anstehenden TÜV-Untersuchung zu kaufen ist ein Risiko. Mir wurde es mulmig. War der Traum vom eigenen DKW Junior bereits ausgeträumt? Aus diesem Grund war ich überrascht, als mein Vater mich beiseitenahm und mir leise ins Ohr flüsterte: „Der Blechschaden ist nicht so schlimm, der TÜV sorgt mich mehr. Trotzdem, er muss verkaufen. Nach dem Gesetz haben wir zwei Monate Zeit bis zur endgültigen TÜV-Untersuchung. Die Zeit kannst du ausnutzen und meinetwegen mit dem Wagen spazieren fahren. Sollte er dann nicht mehr durch den TÜV kommen, was soll es. Du hast deinen Spaß gehabt.“ Um Spaß ging es, von giftigen Auspuffgasen wusste ich nichts. Ich verstand die Strategie meines Vaters. „Zwei Monate Fahrfreude, dein erstes Auto. Wenn wir uns darauf einlassen, muss er mit dem Preis herunter. 450 Mark sind für die kurze Zeit zu teuer.“ Sofort fing er an zu verhandeln. Die beiden Geschäftspartner zogen sich vor meinen Augen zurück. Es ging hin und her. Ich konnte und wollte nicht mithalten. Nach kurzer Zeit erlebte ich den Handschlag. Mein Vater kaufte für mich. Für 150 Deutsche Mark wurde der verbeulte DKW Junior Baujahr 1960 mein erstes Auto.
Schon ein paar Tage später fuhr ich zu einem Klassenkameraden aus der Volksschule. Er war KFZ-Mechaniker geworden. Mit prüfendem Blick schaute er sich meinen DKW an und gratulierte mir spontan. Die Einbuchtung an der Fahrerseite interessierte ihn kaum, da er mit dem technischen Zustand des Wagens zufrieden war. Mit billigen Ersatzteilen machte er ihn TÜV-fertig. Nachdem ich ihn in der Halle vorgefahren hatte, untersuchte der Techniker gründlich, ohne zu kritisieren. Selbst die Beule übersah er. Der Wagen bestand mit Bravour die Hauptuntersuchung.
Zwei Jahre lang begleitete mich der verbeulte Junior. Mit der Einbuchtung und mit vielem Studentengepäck fuhr ich mehr als einmal nach Salzburg. Die lange Strecke bewältigte er mit leisem, rhythmischem Knattern. Die ersten Fahrgemeinschaften wurden gegründet, denn meistens waren Kommilitonen mit mir unterwegs. Der DKW Junior hatte bald seinen Spitznamen weg. Weil er mehr Spaß machte als Ärger, hieß er nur das „Kirmeswägelchen“. In ihm fuhr ich wie in einem Autoscooter auf der Kirmes. So gesehen war er ein treuer Gefährte, halt ein wenig verbeult. Jahrzehnte später begriff ich, was Papst Franziskus unter der verbeulten Kirche verstand.
Brechen wir auf, gehen wir hinaus, um allen das Leben Jesu Christi anzubieten! Ich wiederhole hier für die ganze Kirche, was ich viele Male den Priestern und Laien von Buenos Aires gesagt habe: Mir ist eine „verbeulte“ Kirche, die verletzt und beschmutzt ist, weil sie auf die Straßen hinausgegangen ist, lieber als eine Kirche, die aufgrund ihrer Verschlossenheit und ihrer Bequemlichkeit, sich an die eigenen Sicherheiten zu klammern, krank ist.
(Evangelii gaudium)
Päpstliches Bekenntnis
Als Simon Petrus das sah, fiel er Jesus zu Füßen und sagte: Geh weg von mir; denn ich bin ein sündiger Mensch, Herr! Denn Schrecken hatte ihn und alle seine Begleiter ergriffen über den Fang der Fische, den sie gemacht hatten; ebenso auch Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, die mit Simon zusammenarbeiteten. Da sagte Jesus zu Simon: Fürchte dich nicht! Von jetzt an wirst du Menschen fangen. (Lk 5,8–10)
Die meisten Pfarrer kennen die grauen Briefumschläge, deren Absender das zuständige Amtsgericht ist. Sie enthalten die Austrittserklärungen von Kirchenmitgliedern. Nach wie vor öffne ich die Briefe mit Unbehagen.
Vor einigen Jahren bekam ich neben dem grauen Papier ein persönliches Schreiben. Ein Mann schilderte ausführlich, warum er aus der Kirche ausgetreten sei. Es schienen keine Glaubensgründe zu sein, sondern er hatte sich über den Papst und die Bischöfe geärgert. Er schrieb sich seine Enttäuschung über deren Amtsführung von der Seele. Meiner Meinung nach waren es die üblichen Vorwürfe. Papst und Bischöfe hätten kein Verständnis für die wiederverheiratet Geschiedenen, und sie würden nach wie vor Schwule und Lesben diskriminieren. Dabei hätten sie in ihrem „eigenen Laden“ sexuellen Missbrauch geduldet. Ich las den Brief unserem Seelsorgeteam vor, um mich beraten zu lassen. Eine Pastoral über den Umgang mit Austrittserklärungen gibt es noch nicht. Ich wollte dem Mann in einem Brief sachlich, ernsthaft und freundlich antworten. Dabei wollte ich Verständnis für Papst und Bischöfe wecken. Um meine Antwort habe ich lange gerungen. Die Reaktion kam schnell. Einige Wochen später schickte mir das Amtsgericht die Austrittserklärung seiner Frau. Klar war ich menschlich enttäuscht. So viel Mühe hatte ich mir gemacht. Wahrscheinlich wird meine Antwort noch den Austritt der Frau provoziert haben.
Als ich den Briefwechsel noch einmal durchlas, fiel mir auf, dass auch Verteidigung wie Angriff wirken kann. Das bekannte Sprichwort „Angriff ist die beste Verteidigung“ lässt sich umdrehen. „Verteidigung ist der beste Angriff.“ Vielleicht wäre es besser gewesen, zu päpstlichem und bischöflichem Fehlverhalten zu stehen. Ich hätte einfach zugeben sollen, dass Papst und Bischöfe Fehler machen. Die Kirchenleitung wurde im Lauf der Geschichte schuldig. Zugeben statt abblocken hätte dem Briefschreiber vielleicht mehr geholfen.
Dazu fällt mir ein, dass nicht nur die Kirchenleitung das Bild der Kirche verdunkelt. Ich als Priester bin beteiligt. Wenn ich ehrlich bin, erkenne ich mein Versagen. Dabei sollte mein Eingeständnis keine Floskel sein. Letztlich geht es um mein ehrliches Schuldbekenntnis. Auch die Gemeinde ist angesprochen. Sie macht Fehler, und manche Kirchenaustritte sind eine Reaktion auf das Fehlverhalten einer Gemeinde. Damals habt ihr meinem Sohn einen Kindergartenplatz verweigert, obwohl genug Plätze vorhanden waren. Aus Prinzip seid ihr nicht auf die Terminwünsche für meine Hochzeit eingegangen, so lauten die Vorwürfe, und vielleicht stimmen sie sogar. Dann geht es nicht um den Papst, sondern um den Pfarrer und das Kirchenvorstandsmitglied aus einer fehlbaren Gemeinde.
Die Gemeinde, die ihre Schuld bedenkt und bekennt, ist in guter Gesellschaft. Der Vorgänger von Papst Franziskus, der erste Papst, Petrus, beginnt seine Laufbahn mit einem klaren Schuldbekenntnis. „Herr, geh weg von mir; ich bin ein Sünder.“ Simon, der hier im Lukasevangelium zum ersten Mal den Papstnamen trägt, bekennt sich zu seiner Schuld, die auch im Verlauf der weiteren Jesusgeschichte offensichtlich wird. Vom Schluss des Evangeliums her gelesen verstehen wir, was gemeint ist. Der Hahn wird erst noch krähen. Nachdem der erste Papst seine Schuld bekannt hat, erhält er den Auftrag, Menschen zu fangen. Vielleicht scheitert unsere Kirche am Menschenfang, weil ihr ein öffentliches Schuldbekenntnis fehlt. Von einer falschen Sicherheit, alles in der Kirche sei richtig und gut, lassen sich die Zeitgenossen nicht mehr täuschen. Sie ahnen genau, wo in Kirche und Gemeinde etwas schiefläuft.
Es war schon eine kleine Sensation, als der Nachfolger Petri Johannes Paul II. im Heiligen Jahr 2000 um Vergebung für seine Kirche bat. In einer Erklärung benannte der Papst die Irrtümer, Gewalttaten und Verbrechen im Namen des katholischen Glaubens. Er bekannte die Sünde gegen die Einheit der Kirchen, er erinnerte an die Gewalt, die dem Volk Israel durch die Kirche angetan worden ist, er bat um Verzeihung für die Missachtung anderer Religionen und für die Schuld gegenüber den Frauen. Mit der Vergebungsbitte schloss Johannes Paul II. sein Bekenntnis ab. Die Presse entdeckte in dem Ereignis „wahrhaft historische Dimensionen“. Bischöfe in aller Welt folgten dem Papst, indem sie die Verfehlungen ihrer Ortskirche öffentlich bekannten. Zum ersten Mal sprachen Bischöfe und Papst wie sündige Menschen. Denn sie hatten die Schuld ihrer Kirche eingesehen, bereut und bekannt. So gesehen war es ein wichtiger Schritt von Johannes Paul II. Der Papst hatte die Strategie der Verteidigung aufgegeben. Fehler СКАЧАТЬ