Unmittelbar im Anschluss an die Audienz hatte ich die Aussage des Papstes noch als schlechten Witz gedeutet.55 Ich wollte den ersten Jesuiten auf dem Stuhl Petri, der sich den Namen Franz von Assisi gewählt hatte, verteidigen, ich wollte mir einfach nicht das Bild eines Papstes verderben lassen, der sich in pastoraler Hinsicht redlich um eine neue Gestalt von Kirche müht: in seinem Anprangern von Egoismus und Gleichgültigkeit, in seinem Einsatz für weltweite soziale Gerechtigkeit, für die Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen, für die Ärmsten der Armen, durch seine Gesten der Menschlichkeit, sein permanentes Mahnen, die Verlierer*innen des globalen und immer aggressiver agierenden Raubtierkapitalismus nicht zu vergessen.
Der deutsche Jesuit Bernd Hagenkord hat die ganze Rede mitverfolgt und – ähnlich wie ich – die letzten Sätze des Papstes als Scherz empfunden, wenngleich man sich fragen darf, ob der Humor hier passend, peinlich oder als Ausdruck patriarchaler Bevormundung total verfehlt war.56 Mehrmals wurde ich in der Nachberichterstattung gefragt, ob ich mich von der letzten Aussage des Papstes persönlich angegriffen fühlte. Das kann ich verneinen. In der Situation selbst empfand ich die Stimmung durchaus wertschätzend, freundlich und offen. Wie schwer die inhaltlichen Aussagen einzuordnen sind, ist mir erst im Nachhinein voll zu Bewusstsein gekommen. Der eigentliche Angriff während der Audienz kam aus meiner Sicht nicht so sehr durch den Papst selbst, sondern wenige Minuten später durch die nächste Rednerin. Die aus Osteuropa stammende Generaloberin, die unmittelbar nach mir ans Mikrofon trat, leitete ihr Statement mit einem Seitenhieb an mich ein: „Heiliger Vater, was die Schwester vorhin gesagt hat, ist uns ja gar nicht so wichtig. Aber …“ Diese Abwertung meines Anliegens durch eine Kollegin hat mich in dem Moment mehr verletzt als die letzten Sätze des Papstes.
Am Ende seiner Ansprache vor Beginn der Fragerunde hatte der Papst in Aussicht gestellt, dass er an der nächsten Mitgliederversammlung der Generaloberinnen in drei Jahren teilnehmen werde: „Wenn ich am Leben bin, gehe ich hin“.57 Das wäre ein Novum. Sollte er bis dahin nicht mehr am Leben sein, bat er die Präsidentin der UISG seinen Nachfolger einzuladen. Eines ist sicher: Sobald der Termin feststeht, werde ich mich anmelden, in der Hoffnung, unser Gespräch fortsetzen zu können.
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.