Название: Zwischen Kollar und Krawatte
Автор: Martin Stewen
Издательство: Bookwire
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783429064884
isbn:
MARTIN STEWEN
Zwischen Kollar und Krawatte
Klerikalismus und (k)ein Ende?
MARTIN STEWEN
Zwischen Kollar und Krawatte
KLERIKALISMUS UND (K)EIN ENDE?
echter
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹http://dnb.d-nb.de› abrufbar.
1. Auflage 2020
© 2020 Echter Verlag GmbH, Würzburg
Umschlag: wunderlichundweigand.de (Foto: Shutterstock)
Satz: Crossmediabureau
E-Book-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim, www.brocom.de
ISBN
978-3-429-05479-3
978-3-429-05096-2 (PDF)
978-3-429-06488-4 (ePub)
Inhalt
Vorwort
1. Klerikalismus – Wie das Amen in der Kirche
2. Klerikalismus – Ein Selbstversuch
3. Lösungen, kein Make-up bitte: Es geht nur radikal
4. Nicht das Ende
Anmerkungen
Vorwort
Spätestens als im Jahr 2018 die Missbrauchsskandale im US-Bundesstaat Pennsylvania öffentlich gemacht wurden, erreichte die Diskussion dazu auch den hinterletzten Winkel kirchlichen Lebens. Jede und jeder hatte eine Meinung, was jetzt passieren müsste. Papst Franziskus ist nicht zu beneiden – vor allem auch, wenn ihm Gegner wie der ehemalige Nuntius in Washington, Carlo Maria Viganò, mit Blick auf die Taten des amerikanischen Erzbischofs Theodore McCarrick deutliche Vorwürfe machten. Inmitten all dieser Auseinandersetzungen schrieb der deutsche „Vater aller Missbrauchsenthüller“, der Jesuiten-Pater Klaus Mertes, wie gewohnt analytisch brillant und ohne Umschweife auf den Punkt gebracht:
Inzwischen zerfleischt sich die Hierarchie untereinander vor laufenden Kameras. Das ist ein Hinweis darauf, dass die Aufklärung vorankommt. Denn auch dies gehört zu allen Aufklärungsprozessen von Machtmissbrauch: Aufklärung spaltet zunächst einmal. Die Hierarchie muss nun durch diese Spaltung hindurchgehen, um die tieferen Gründe für die Einheit überhaupt erst (wieder) zu finden.1
Das tut ohne Zweifel weh. Aber wie ist das denn nun mit dem Marsch durch die Spaltung? Macht die Kirche die Augen zu und rennt da mal fix durch, weil man sich des Problems, so schnell es geht, entledigen will? Oder wird geschaut, was sich rechts und links am Wege so tut? Wird wirklich nach Lösungen gesucht, die Zukunft haben?
Als im September 2018 die von der Deutschen Bischofskonferenz in Auftrag gegebene Studie zu sexuellem Missbrauch durch Kleriker der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, rollte der nächste Donner durch Deutschland: In knapp sieben Nachkriegsjahrzehnten, so ein Befund der Studie, haben sich 1.670 Kleriker an 3.677 Minderjährigen vergangen. Dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Reinhard Kardinal Marx, sowie dem DBK-Missbrauchsbeauftragten, Bischof Stefan Ackermann, raubte es bei der Vorstellung der Studie fast den Atem. Zu Recht. Nach dem – mancherorts aber doch eher verhaltenen – Confiteor kam das Wundenlecken: Was soll man angesichts der Katastrophe nun tun?
Auf der Ebene der Weltkirche hat Papst Franziskus durchgegriffen und sogar fehlbare Bischöfe wie den früheren chilenischen Erzbischof Francisco José Cox Huneeus und seinen Mitbruder, den ehemaligen Bischof Marco Antonio Ordenes Fernández, aus dem Klerikerstand entlassen. Mehr solcher Schritte dürfen noch zu erwarten sein. Auf der Ebene der Bistümer läuft das Ringen zaghafter. Auch einige Ordensgemeinschaften tun sich noch schwer mit der Aufklärung. Was soll man tun, was ist zukunftsträchtig, was ist angemessen? Viel war zu hören: So forderte der DBK-Missbrauchsbeauftragte Ackermann eine „Kultur der Achtsamkeit“ – ein Vokabular, das mir seit meinen Studienzeiten in den 1990er Jahren noch geläufig ist. Bei der Jugendsynode im Oktober 2018 wollte Kardinal Marx den Eindruck überwinden, „dass Kirche letztlich Männerkirche ist“2. Ach?
Und infolge von Papst Franziskus’ Feststellung, Klerikalismus sei die Wurzel allen Übels, wollten plötzlich alle Kirchenoberen auch noch Klerikalismus abschaffen. Alles wird jetzt anders, offener, sensibler, partizipativer, völlig unklerikalistisch. Tönt gut und nett. Und hoffnungsvoll. Es wird einem wohlig ums Herz: Jetzt wird alles anders. — Aber dann ist da auch noch der kleine Teufel auf der anderen Schulter. Der die hässlichen Fragen stellt: Wie soll all das denn bitte gehen? Und noch viel mehr: Wer soll all das denn machen? Oder besser: Wer muss das machen? Und: Wer will es am Ende wirklich machen? Angesichts all der Bischöfe, die plötzlich Klerikalismus abschaffen wollen, kam mir ein Facebook-Posting in den Sinn, das diese Hirten der Kirche verglich mit „Fröschen, die ihren eigenen Teich trockenzulegen“ beabsichtigen.
Da will also jemand ernsthaft Klerikalismus in der Kirche abschaffen? Eine Kirche voller Kleriker ohne Klerikalismus? Keine hochwürdigen Herren mehr? Das Ende der Kaste der Besonderen? Keine Männerriege mehr, die im Dunst des Unnahbaren, Unberührbaren, Unfehlbaren ihr so ganz eigenes Leben lebt, von dem unsere Mütter und Großmütter einst sagten: „Das ist der Herr Pfarrer, der macht das alles schon richtig.“ — Schön wäre es ja, gelänge dieses Vorhaben: eine Kirche, in der real wird, was Paulus seinen Gemeindemitgliedern in Galatien in die Taufurkunde geschrieben hat:
Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid eins in Christus Jesus. Wenn ihr aber zu Christus gehört, dann seid ihr […] Erben kraft der Verheißung (Gal 3,28f).
Immer mehr rumorte es in meinem Hirn und Herzen. Die mediale Weichspülerei, die uns wissen ließ, dass bald die ganze katholische Kirche ihr Antlitz erneuern wird, ließ meine Nackenhaare zu Berge stehen. Dieser Blenderei wollte ich nicht trauen. Und da auch ich als Vertreter dieser Kirche nach ihr gefragt werde und für sie hinstehen muss – vielmehr: für sie hinstehen will –, wollte ich hier nicht mehr folgen. Wer diese Kirche effektiv verändern will, der muss sich doch ihren Probleme stellen – offen, konstruktiv und realistisch. Realistisch. Nicht populistisch mit Dutzenden von Konjunktiven. Natürlich braucht es den Traum, es braucht die Träumer. Aber irgendwann muss man sich auch wieder von den Fakten einholen und erden lassen. Und dazu gehört auch, Unveränderliches zu benennen, anzunehmen und den Umgang damit zu gestalten. Und zuzugeben, dass diese Kirche nun mal ihre „Flecken und Falten“ (Epheser 5,27) hat, mit denen wir bis zu einem bestimmten Grad leben müssen. Natürlich muss man wohl auch immer wieder fragen, ob alles Veränderungspotential tatsächlich schon ausgeschöpft ist.
Meine Gedanken fasste ich in Worte, die am 8. Oktober 2018 als Artikel СКАЧАТЬ