Название: Lebendige Seelsorge 1/2019
Автор: Verlag Echter
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9783429064211
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In der Faszination durch die Katastrophe oszilliert aber auch eine Dialektik von Heilsversprechen und Elendspropaganda, die zugleich Hysterie und Hoffnung produziert. Denn die Welt ist noch zu retten, wenn wir alle am Gottesdienst der Vorsorge und Sicherheit teilnehmen. Schon heute ist die Religion des Sorgens und Schützens die eigentliche Zivilreligion der Deutschen. Sie folgen dabei den grünen Hohepriestern, die sie weg von Gott Vater und hin zu Mutter Erde führen. Dieser Kult der Natur, der den Verlust der Gnade kompensiert, gipfelt in „Biophilia“ (Wilson), der Liebe zum Lebendigen an sich.
Die Öko-Religion hat durchaus ihre Priester, ihre Pilgerfahrten und ihren Heiligen Gral. Nur dass die jungen Glaubenshelden heute Ölplattformen besetzen und die Rainbow- Warrior gegen finstere Atommächte in See sticht. Das sind die Kreuzritter der heilen Welt. Nicht-Regierungsorganisationen stehen für eine neue Religiosität, die auf den Namen „Umweltbewusstsein“ getauft ist. Umwelt heißt der erniedrigte Gott, dem die Sorge und die Heilserwartung gelten. Die Heilssorge unserer Zeit artikuliert sich als Sorge um das ökologische Gleichgewicht. Und das bedeutet im Klartext: Für die fundamentalistischen Grünen ist Natur selbst die Übernatur. So funktioniert das Umweltbewusstsein als Quelle einer neuen Religiosität.
Dieses grüne Glaubenssystem ist natürlich viel stabiler als das rote, das es ablöst. Die Natur ersetzt das Proletariat – unterdrückt, beleidigt, ausgebeutet. Die Enttäuschung des linken Heilsversprechens hat apokalyptische Visionen provoziert, nämlich solche vom Untergang der Umwelt. Für eine funktionalistische Betrachtung liegt der Zusammenhang auf der Hand: Weil die Hoffnung auf Erlösung enttäuscht wurde, interessiert man sich wieder für Schöpfung – unter dem Namen Umwelt. Und dabei muss man nicht einmal auf den Rausch der Revolution verzichten.
DIE ÖKO-RELIGION IST DER NEUE GLAUBE FÜR DIE GEBILDETE MITTELKLASSE
Wer profitiert also vom Niedergang der christlichen Kirchen? Vor allem diejenigen Organisationen, die den unverändert starken religiösen Impuls in ein neues Glaubensschema umleiten können. Sie alle entfesseln mit dem Gesetz des Herzens den Wahnsinn des Eigendünkels. Die Öko-Religion ist der neue Glaube für die gebildete Mittelklasse, in dem man Technikfeindlichkeit, Antikapitalismus und Aktionismus unterbringen kann.
Hier gilt es nun, ein naheliegendes Missverständnis auszuschalten. Ökologie als Heilsreligion zu beschreiben, wie wir es gerade getan haben, bedeutet nämlich nicht, das ökologische Komplexitätsbewusstsein zu denunzieren, sondern es von einem neuheidnischen Naturkult zu unterscheiden, der allerdings die Sympathie der Massenmedien auf seiner Seite hat. Diejenigen, die sich mit religiöser Inbrunst der Natur zuwenden, sind von der Geschichte enttäuscht. Und weil sie sich nicht mehr in die Arme der Kirche zu werfen wagen, beten sie grüne Rosenkränze. Die Natur ersetzt Gott als externe Instanz des Urteils über die Gesellschaft. So hat sich das Devotionsbedürfnis auf die Natur verschoben: die Umwelt als Übernatur. Diejenigen, die es entrüstet als Zumutung von sich weisen, Gott Vater anzubeten, huldigen ganz selbstverständlich einem Kult der Mutter Erde. Und der hat alle Evidenzen der modernen Medienwelt auf seiner Seite; das Foto vom blauen Planeten ist wohl das am häufigsten reproduzierte. Die ikonische Qualität der aus dem Weltraum gesehenen Erde hat der Öko- Religion eine unvergleichliche Aura verschafft. Dieses Bild steht für die Sakralisierung der Erde und die große Rückwendung des menschlichen Interesses von der Vermessung des Unermesslichen zur Sorge um die eigene Endlichkeit.
Das Wunder ist der theologische Begriff für die Ausnahme, die das Gesetz der Natur nicht akzeptieren kann. Da wiegt es besonders schwer, wenn ausgerechnet der Philosoph Hans Blumenberg, der überzeugend wie kein anderer die für die Selbstbehauptung der Neuzeit konstitutive wissenschaftliche Neugier legitimierte, am Ende seiner Beschreibung der kopernikanischen Welt den blauen Planeten Erde als das Wunder der Ausnahme feiert. In dieser Pastorale scheint sich der Philosoph mit den neuen Hirten des Seins zu treffen. Sie wollen die Schöpfung bewahren, statt auf die Erlösung hoffen. Doch die entscheidende Differenz liegt in der Hybris der Schöpfungsbewahrer, die sich als Hirten des Seins aufspielen. Und Blumenberg hat sie mit ironischer Schärfe benannt: Der Mensch besorgt die Sache Gottes, nicht als dessen Nachahmer, sondern als dessen Schadensbereiniger, Nachhilfelehrer, wenn nicht gar als dessen Nachlassverwalter.
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