Название: Puzzeln mit Ananas
Автор: Pascale Gmür
Издательство: Bookwire
Жанр: Зарубежная психология
isbn: 9783039199501
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Für die erwähnte Klientin bildet die Spitex zusammen mit der kommunalen Fachstelle für Altersfragen und der Nachbarschaftshilfe eine stabile Versorgungskette für alle Lebensbereiche. «Wir gehen zwei Mal täglich zu ihr, üben mit ihr Treppensteigen oder helfen dort, wo es gerade notwendig ist», erklärt Regula Fehr. «Solche Fälle sind komplex, und auch diese Menschen wachsen einem ans Herz. Oft denke ich schon morgens bei der Fahrt zur Arbeit an diese Frau.» Regula Fehr schätzt es, Leute über eine längere Zeit begleiten zu können. «Es ist mir wichtig, etwas beizutragen, das tatsächlich hilft, damit Menschen nicht von zu Hause fortmüssen. Von klein auf wollte ich jenen etwas geben, denen es nicht so gut geht. Wenn Anerkennung und Dankbarkeit zurückkommen, freut es mich.»
Wenn das Blumengiessen schwerfällt
Manche Spitex-Basisorganisationen haben ein psychiatrisches oder ein psychosoziales Team für seelisch und sozial belastete Menschen, die manchmal akute Hilfe benötigen, meist jedoch eine langzeitige Begleitung. «Morgens aufzustehen, den Tag zu strukturieren und in eine Handlung zu kommen, ist gerade für schwer depressive Menschen ein grosses Problem», sagt Andrea Hilfiker. Die diplomierte Pflegefachfrau arbeitete lange in psychiatrischen Institutionen und leitet heute bei der Spitex Aarau das psychosoziale Team. Sie erzählt von einer Frau, die sie regelmässig für eine bis anderthalb Stunden besucht, um sie im Alltag zu unterstützen. «Sie hat einen wunderschönen Garten, schafft es aber nicht, hinauszugehen, obwohl sie sagt, es täte ihr gut. Wenn sie weiss, dass ich sie besuche, ist sie motiviert, aufzustehen und sich anzukleiden.» Sie tut dann zwar nichts weiter, als auf dem Sofa sitzend auf die Besucherin zu warten, doch mit ihr zusammen ist es möglich, den Garten zu giessen, Blumen zu schneiden, Unkraut zu jäten. «Indem ich sie in den Alltagsfertigkeiten unterstütze, kommt sie in eine Handlung. In unseren Gesprächen thematisieren wir immer wieder solch kleine, aber mögliche Schritte.»
Andrea Hilfiker sagt, es sei wichtig, die Leute zu Hause zu stützen und durch eine Krise begleiten zu können. Werden sie aus dem vertrauten Umfeld herausgerissen, verlieren sie den seelischen Halt erst recht. «Sie sollen erleben dürfen, dass sie es mit Unterstützung der Spitex und von Therapeutinnen und Therapeuten schaffen, die Krise durchzustehen, und zwar im privaten, wirklichen Leben. Wir übergeben ihnen viel Eigenverantwortung, deshalb braucht es eine vertrauensvolle Beziehung zwischen den Klientinnen, Klienten und uns. Die ambulante Betreuung ist vorwiegend Beziehungsarbeit, die Zeit, Fachwissen, Verständnis, Toleranz und viel Geduld braucht. Klar, manchmal ist der schützende Rahmen einer Institution notwendig, wenn jemand zum Beispiel suizidal ist, einen Drogenentzug machen muss oder eine krank machende Situation verlassen sollte.»
Oft sind es gerade die in einer psychiatrischen Klinik gemachten Erfahrungen, die den Willen stärken, alles daran zu setzen, um nicht wieder eingewiesen zu werden. Die Spitex zu akzeptieren, gehört dazu. «Es gibt Menschen, bei denen es extrem lange dauert, bis eine tragende Beziehung aufgebaut ist. Andere sitzen da wie ein offenes Buch. Beides ist gut. Von der somatischen Pflege sind wir uns gewohnt, dass sich etwas verbessern muss. In der psychosozialen Pflege lässt sich nicht immer etwas bewegen, manchmal geht es einzig darum, den Ist-Zustand aufrechtzuerhalten.» Und vielleicht kann ein jüngerer Mann, der unter Schizophrenie leidet, ermutigt werden, wieder Kontakt zu einem Kollegen aufzunehmen. Die Krankenkasse davon zu überzeugen, dass solche Spitex-Einsätze sehr wohl wirksam sind, wenn auch subtil, kann schwierig sein. Obwohl die Begründung der Pflegefachfrau eigentlich nachvollziehbar ist: «Wir haben erreicht, dass dieser Mann, bei dem Schizophrenie diagnostiziert wurde, seit über drei Jahren nicht mehr in der Klinik war und sich wohnlich eingerichtet hat. Was ebenfalls zu bedenken ist: Ein Klinikaufenthalt kostet x-mal mehr als unsere Arbeit.»
Angehörige zu Hause pflegen, um Geld zu sparen
Die drohenden Kosten für einen Platz in einer Institution sind insbesondere für ältere Menschen und ihre Angehörigen ein Grund, möglichst lange daheim zu wohnen. Es ist selbstverständlich nicht der einzige Grund, aber doch einer, der mehr oder weniger ausgesprochen mitzählt. Wenn Herr Bänziger seine von Demenz betroffene Frau jahrelang pflegt und betreut, will er für sie sorgen, mit ihr zusammenbleiben und sie vor dem Heimleben bewahren. Er möchte aber auch selbst weiterhin in dem schönen Haus wohnen, das er von seinen Eltern geerbt hatte und wo seine eigenen Kinder gross geworden sind. Mit dem Begleichen der hohen Heimrechnungen seiner Frau würde sein Vermögen dahinschmelzen, und er wäre bald einmal gezwungen, das Haus zu verkaufen. In Pflegeheimen übernehmen Krankenversicherungen, Wohngemeinde oder -kanton nur einen Teil der Pflegekosten, die übrigen Kosten für die Pflege sowie die Betreuungs- und Pensionskosten müssen die Privatpersonen grundsätzlich selbst tragen.15 Heute hat Herr Bänziger bedeutend weniger Ausgaben mit seiner eigenen Betreuungsarbeit, mit der Hilfe seiner Töchter und Söhne und den täglichen Spitex-Einsätzen. Er kann sich sogar überlegen, sich weiter zu entlasten und für einzelne Tage eine private Betreuerin zu engagieren, deren Arbeit er allerdings selbst bezahlen müsste.
Im Gegensatz zur Pflege16 wird die ambulante sowie stationäre Betreuung nicht von den Krankenkassen und der öffentlichen Hand mitfinanziert (siehe Kapitel «Die Spitex»). Es gibt in der Schweiz zwar vereinzelte Gemeinden, die Angehörige finanziell entschädigen, wenn sie alte Menschen betreuen. Doch dieser Beitrag ist eher bescheiden und erfordert einen administrativen Aufwand, der manche abschreckt, ein Gesuch zu stellen. Einfacher ist es für die Angehörigen, wenn die lokalen Spitex-Organisationen neue Wege gehen, um Betreuungsleistungen, welche über die ärztlich verordnete Hilfe und Pflege hinausreichen, kostenlos anbieten zu können – beispielsweise dank der Finanzierung durch Spenden.
Eine gemeinnützige, ambulante Betreuungsstruktur, wie sie die Spitex für die Pflege gewährleistet, fehlt in der Schweiz. Heute kommt es vor, dass Menschen, die zwar Betreuung bräuchten, aber keine eigentliche Pflege, ihr Zuhause verlassen und zu früh in ein Heim ziehen müssen: Laut Statistik der sozialmedizinischen Institutionen weist ein Viertel der Pflegeheimbewohnerinnen und Pflegeheimbewohner einen nur geringen Pflegebedarf auf, wobei dieser Anteil in einigen Kantonen niedriger und in anderen weitaus höher ist.17 Erklärbar sind diese Unterschiede mit den regionalen Kapazitäten der Spitex und anderer ambulanter Dienste, mit deren Bekanntheitsgrad und der gesundheitspolitischen Haltung. Im Kanton Basel-Stadt zum Beispiel erfolgt die Anmeldung in ein Heim erst nach der obligatorischen Bedarfsabklärung durch eine Pflegeberaterin, die prüft, ob alle ambulanten Möglichkeiten an Pflege und Betreuung ausgeschöpft wurden.
Eine umfassende Betreuung stärkt nicht nur die Eigenständigkeit, sondern auch die Gesundheit: Wer gut umsorgt wird, fühlt sich besser, bleibt länger aktiv und braucht weniger Pflege. Für die Mitarbeitenden der Spitex ist es selbstverständlich, sich umfassend um ihre Klientinnen und Klienten zu kümmern und die erforderlichen Prioritäten zu setzen. «Erfahrene Pflegepersonen bewegen sich auf der Expertenebene, können innerhalb der Vorgaben und Standards variieren und wissen auch, dies zu begründen», sagt Max Moor, Geschäftsleiter des Spitex Verbands Aargau, und erwähnt ein alltägliches Beispiel: Die Pflegefachfrau kommt für die Körperpflege zu einer Frau, deren Beweglichkeit aufgrund ihres Rheumas eingeschränkt ist. Bei der Begrüssung merkt die Pflegefachfrau, dass es der Klientin allein um das Gespräch geht und entscheidet sich in eigener Verantwortung für das, was heute wichtiger ist. «Nur wenn wir diese Handlungsräume sinnvoll gestalten, können wir tatsächlich und wirtschaftlich effizient dazu beitragen, dass kranke und alte Menschen in ihrem Zuhause bleiben können.»
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