Tod oder Taufe - Die Kreuzfahrer am Rhein. Jakob Matthiessen
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Название: Tod oder Taufe - Die Kreuzfahrer am Rhein

Автор: Jakob Matthiessen

Издательство: Автор

Жанр: Исторические детективы

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isbn: 9783839269923

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СКАЧАТЬ einem Schweif wie ein Schwert hätte sich am Himmel gezeigt. Auch zwei himmlische Reiter wurden geschaut. Einer mit einem großen Holzkreuz, der andere mit einem krummen Säbel. Und, so hatte es der Pfarrer berichtet, der Säbelträger wurde von dem Kreuz zermalmt, blutrote Wolken seien daraufhin am Himmel erschienen.

      Peter schnalzte ungeduldig und Lene kam folgsam aus dem Bach getrottet. Er musste unbedingt ein Stück weiter das Feld hinauf, vielleicht konnte er von dort aus noch besser sehen.

      Viele Menschen, viel mehr, als Peter je gesehen hatte, marschierten nun über den Handelsweg auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses. Immer näher kamen die Reiter an der Spitze des Zuges, viele in leuchtenden Kleidern und mit Schwertern. Echte Ritter! Daneben Knappen, die die Lanzen trugen. Vergessen war die Pflugschar. Peter ließ Lene am Feldrand grasen.

      Eine Vielzahl von Karren, bunt durcheinandergewürfelt, von Ochsen und Pferden gezogen. Auf den meisten Wagen sah Peter lange Stangen. Zeltstangen! Das mussten Zeltstangen sein. Wie es wohl sein würde, mit Zelten zu lagern? Wild pochte Peters Herz. Je näher der Zug kam, desto deutlicher sah er, wie viele Pilger es waren. Dass es so viele Menschen auf der Welt überhaupt gab! Sapperlot! Und sie zogen an seinem Acker vorbei.

      Mainz – in der Synagoge

      Eine rote Rose vibrierte auf dem hell gekachelten Steinboden der Synagoge. Geheimnisvoll warf die Sonne ihr Licht durch das runde Giebelfenster mit dem rubinroten Glas. Die hohen weiß verputzten Wände ließen den Raum trotz der wenigen und schmalen Fenster licht und einladend erscheinen. Chaim geleitete Raimund an der achteckigen Bimah vorbei, auf der während des Gottesdienstes der Aufgerufene die heiligen Texte vortrug. Raimund bewunderte die fein ziselierten Bögen, von denen dieser erhöhte Bereich umgeben war. Doch wies ihn Chaim in einen Nebenraum, der sonst dem Talmudunterricht diente.

      Wie so oft in den letzten Monaten standen sie gemeinsam an dem Lehrerpult. Raimund griff in sein Wams, entnahm ihm eine schlichte hölzerne Mappe und legte sie neben das in Leder eingebundene Buch, welches aufgeschlagen bereitlag. Ein kunterbunter Papagei umspielte mit seiner Laute die hebräischen Buchstaben, die mit höchster Präzision auf das kostbare Pergament geschrieben waren.

      »Lass uns mit dem hundertvierten Psalm weitermachen, der Hymne der Schöpfung«, sagte Chaim. »Wir haben letzten Montag mit dem neunten Vers abgeschlossen.«

      Raimund öffnete die Holzmappe, deren Innenseiten von einer honigfarbenen Wachsschicht überzogen waren. Links hatte er den Psalm aus der Übersetzung des großen Gelehrten Hieronymus eingeritzt. »Im zehnten Vers heißt es: Qui emittis fontes in convallibus inter medium montium pertransibunt aquae potabunt omnes bestiae agri expectabunt onagri in siti sua.«

      »Dann lass uns auch im Sefer Tehillim nachschauen.« Chaim beugte sich über das Buch der Lieder und deutete auf eine der Zeilen. »Sieh, hier ist die Stelle.«

      Chaims Finger fuhren von rechts nach links über eine Zeile mit den hebräischen Buchstaben, ohne das Pergament zu berühren. »Dort heißt es: Há-meschaléach ma’ajaním ba-nechalím, bejn harím jehalechún.«

      »Leider sagen mir diese Zeichen nichts«, sagte Raimund mit Bedauern in der Stimme. »Aber im Hebräischen klingt es viel weicher als im Lateinischen. Es ist mehr ein Singen, selbst wenn du es sprichst.«

      »Es sind ja auch die Lieder Davids«, antwortete Chaim schmunzelnd. »Nun sag schon, wie hast du es übersetzt?«

      Raimund schaute auf die rechte Seite der Wachstafel.

      »Auf Gottes Befehl hin füllen sich Auen aus den Quellen,

      sie fließen zwischen Bergen,

      die Tiere des Feldes trinken,

      wilde Esel löschen ihren Durst.«

      »Gut getroffen.« Chaim beugte sich nochmals über die Passage im Sefer Tehillim. »Im hebräischen Text steht in etwa: ›Der, der die Quellen sich ergießen lässt in Auen.‹ Den Ausdruck Gottes Befehl, den sollte man vielleicht besser weglassen. Der Satz wird auch zu lang, und der Rhythmus geht verloren.«

      Einen Moment lang schloss Chaim die Augen. Er kämmte mit seinen kräftigen Fingern durch seinen Bart und sagte schließlich: »Was hältst du von Du füllst Auen aus den Quellen.«

      »Mmmmh, das gefällt mir gut.« Und nach einem Moment des Nachdenkens fügte Raimund hinzu: »So belassen wir es.«

      »Der Rest stimmt ganz gut mit dem hebräischen Text überein, wobei man es vielleicht noch flüssiger ausdrücken kann.«

      »Hast du einen Vorschlag?«

      Chaim schloss erneut die Augen und sagte in einem leichten Singsang:

      »Du füllst Auen aus den Quellen,

      sie fließen zwischen saftig grünen Berghängen dahin.

      Die Tiere des Feldes trinken,

      wilde Esel löschen ihren Durst.«

      »Saftig grün, ist das deine Erfindung?« Raimund sah auf den Text auf der Wachstafel. »Das steht jedenfalls nicht in der Vulgata. Kommt das im hebräischen Text vor?«

      Abrupt öffnete Chaim die Augen und blickte auf das Buch vor sich auf dem Pult. »Nein, das steht nicht dort. Aber ich finde, es klingt so schön und man kann sich die Tiere des Feldes und die wilden Esel auf den grünen Hängen besser vorstellen.«

      »Mhhh. Ich weiß nicht.« Raimunds Stirnfalten zogen sich zusammen. »Ich finde nicht, dass wir etwas hinzudichten sollten.«

      »Du bist ja mal wieder richtig pedantisch!«, erwiderte Chaim unwirsch, wobei jedoch ein Lächeln seine Lippen umspielte.

      »Es ist Gottes Wort, da kann man gar nicht vorsichtig genug sein«, antwortete Raimund ernst. »Aber lass uns einen Kompromiss schließen. Ich setze eine Klammer um saftig grün, dann können wir das später entscheiden, wenn wir den gesamten Psalm niedergeschrieben haben.«

      Raimund nahm einen Griffel aus seinem Wams. Das eine Ende war zugespitzt und das andere abgeflacht. Mit Letzterem rieb er vorsichtig über das weiche Bienenwachs auf der rechten Innenseite der Mappe und die Schriftzeichen verschwanden. Dann drehte er den Griffel um und ritzte mit dem spitzen Ende den Text, den Chaim gerade vorgelesen hatte, in die Fläche ein. Sanft zog die Griffelspitze durch das weiche Wachs und die Buchstaben reihten sich in akkuraten Strichen und perfekten Bögen aneinander.

      Kritisch betrachtete Raimund das Geschriebene und reichte Chaim die Wachstafel. Der nickte wohlwollend beim Lesen und gab sie Raimund schließlich mit anerkennendem Blick zurück.

      »Lass uns weitermachen.«

      Raimund schaute auf die linke Seite der Mappe und las: »Im nächsten Vers heißt es: Super ea volucres caeli habitabunt de medio petrarum dabunt voces. Wie lautet es im Hebräischen?«

      Das Tappen von Schritten riss die beiden Gelehrten aus ihrer Arbeit.

      Auf einem Acker nahe Gerstendorf

      Schier endlos schob sich der Menschenzug auf dem Treidelpfad dahin und immer mehr Gestalten strömten hinter dem Hügel hervor. Doch waren es kaum noch stolze Ritter auf Pferden mit ihren Knappen. Es waren Bauern mit Sensen und Spießen, Ochsenwagen, beladen mit Kisten, Säcken, Gänsen und Hühnern in ihren Käfigen. СКАЧАТЬ