Die Shoah. Achim Bühl
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Название: Die Shoah

Автор: Achim Bühl

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9783843806732

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СКАЧАТЬ Rademacher (1906–1973), mit der Umsetzung des »Madagaskar-Plans« beauftragt wurde. In diesbezüglichen Aufzeichnungen Rademachers heißt es:

      »Da Madagaskar nur Mandat wird, erwerben die dort ansässigen Juden nicht die deutsche Staatsangehörigkeit. Allen nach Madagaskar deportierten Juden wird dagegen vom Zeitpunkt der Deportation ab von den einzelnen europäischen Ländern die Staatsangehörigkeit dieser Länder aberkannt. Sie werden dafür Angehörige des Mandats Madagaskar.« (Schmid 1983: 29)

      Der Sachverhalt, dass der »Madagaskar-Plan« vorübergehend zu einem Stopp der Ghettoisierung der Juden im Generalgouvernement führte, ist als Beleg dafür zu werten, dass die »Übersee-Unternehmung« von Seiten des Nazi-Regimes durchaus ernsthaft verfolgt wurde. In der Ausarbeitung des Reichssicherheitshauptamts zum Madagaskar-Projekt vom August 1940 wird die Zahl der Juden, die nach Madagaskar verschleppt werden sollten, mit vier Millionen angegeben. Wie im Wannsee-Protokoll so wird auch hier die Zahl länderspezifisch aufgelistet. Neben Deutschland, dem Generalgouvernement, dem Protektorat Böhmen und Mähren werden die Benelux-Länder sowie Dänemark, Norwegen, die Slowakei und Frankreich aufgeführt. Gegen die Ernsthaftigkeit des »Madagaskar-Plans« spricht nicht, dass auch die südostafrikanische Insel weder auf Grund ihrer Fläche noch wegen ihrer Unwirtlichkeit dazu geeignet war, derart viele Juden aufzunehmen, und auf der Insel sporadisch gar die Pest ausbrach, insofern diese Tatbestände verdeutlichen, dass der »Madagaskar-Plan« eine weitere Wegmarke in Richtung des Übergangs von der räumlichen zur genozidalen Elimination der Juden darstellte. Im Papier heißt es: »Zur Vermeidung dauernder Beziehungen anderer Völker mit Juden ist eine Überseelösung insularen Charakters jeder anderen vorzuziehen.« Die deutsche Niederlage gegen Großbritannien und der dadurch versperrte Seeweg beendeten indes auch diesen in Erwägung gezogenen Plan der »Endlösung«.

      Das Ende des »Madagaskar-Plans« führte zu neuerlichen Deportationen. Im Herbst 1940 wurden 70 000 Franzosen aus Elsaß-Lothringen, das dem Deutschen Reich angegliedert werden sollte, in das unbesetzte Frankreich deportiert, worunter sich auch viele französische Juden befanden. Am 22. und 23. Oktober 1940 wurden 6000 Juden aus Baden und der Saarpfalz gleichfalls nach Vichy-Frankreich deportiert, die im französischen Lager Gurs interniert wurden. Anfang des Jahres 1941 fanden weitere Deportationen in die polnischen Ostgebiete statt, unter den Betroffenen befanden sich 5000 Juden aus Wien sowie 4000 Juden aus den annektierten polnischen Gebieten. Die Planung des Überfalls auf die Sowjetunion stoppte vorerst die Deportationen aus logistischen wie militärischen Gründen.

      Für die Forschung mag es unbefriedigend sein, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit nie einen schriftlichen Befehl Hitlers zur Ermordung der europäischen Juden gab oder aber dieser vernichtet wurde beziehungsweise in Archiven unauffindbar blieb. Die Geschichtswissenschaft muss die Existenz einer gewissen »Blaupause« hinnehmen, welche die Frage offenlässt, wann und wie genau der Beschluss gefasst wurde, die Ermordung von Millionen europäischer Juden als »finales Konzept« diverser Planungen zu beschreiten. Bis heute wird über den genauen Zeitpunkt eines mündlich erfolgten »Führerbefehls« unter Historikern gestritten. Gemäß klassischer Studien der Shoah-Forschung soll ein mündlicher »Führerbefehl« bereits im Frühjahr oder aber im Frühsommer 1941 unmittelbar nach dem Überfall auf die Sowjetunion erfolgt sein. Jüngere Studien verkoppeln die Beschlussfassung bezüglich der Ermordung der europäischen Juden nicht wie in älteren Studien mit der »Siegeseuphorie« (Juli 1941), sondern mit der Stagnation des Ostfeldzugs. Diesbezügliche Arbeiten gehen davon aus, dass ein »Sibirien-Plan« ähnlich wie der »Madagaskar-Plan« als territoriales Konzept ernsthaft verfolgt wurde (»Abschiebung in den Osten«), dieser jedoch scheiterte als deutlich wurde, dass der Vormarsch der deutschen Wehrmacht ins Stocken geriet und ein naher Sieg in weite Ferne rückte. Vertreter dieses Ansatzes benennen als Zeitpunkt einer Beschlussfassung über die Ermordung der europäischen Juden meist November 1941.

      Als Ansatz existiert darüber hinaus die Position, dass der Entscheidungsprozess im engsten Kreis der Nazigrößen (Hitler, Göring, Himmler) ein zweiphasiger Vorgang war. Zunächst habe Einigkeit über die Ermordung der sowjetischen Juden bestanden. Der einsetzende Massenmord im Osten, der Siegesrausch in der Anfangsphase des »Unternehmens Barbarossa« wie die alsbald zur Verfügung stehende Technik in Gestalt des Zyklon B habe zu einer weiteren Radikalisierung des Mordplans geführt, der schließlich sämtliche europäische Juden innerhalb des deutschen Machtbereichs (»Endlösung«) umfasste. Eine zweistufige Entschlussfassung geht häufig mit der Ansicht einher, dass die Entscheidung für den Überfall auf die Sowjetunion das Votum für eine genozidale Elimination der sowjetischen Juden einschloss. Lege man eine entsprechende Planungsphase im Vorfeld des Überfalls auf die Sowjetunion zugrunde, so sei dieser »erste Genozid-Beschluss«, für den gleichfalls keine schriftlichen beziehungsweise eindeutigen Dokumente vorliegen, im Frühjahr 1941 erfolgt. Das Wirken der Einsatzgruppen im Osten als mobile Erschießungskommandos in den ersten Wochen des Kriegs, der von der deutschen Wehrmacht ausgegebene »Kommissarbefehl« vom 6. Juni 1941, der die Tötung von Politkommissaren der Roten Armee anordnete, sowie die zuvor getätigte Anweisung Hitlers an die Wehrmachtführung am 3. März 1941: »Die jüdisch-bolschewistische Intelligenz als bisheriger Unterdrücker muss beseitigt werden« verdeutlichten die Qualität des Eliminatorischen, die schon im Vorfeld des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion als »Führerwunsch« erkennbar gewesen sei. Mit den Anweisungen Hitlers für den geplanten Ostfeldzug habe die Eliminatorik die Grenze vom Vernichtungsgedanken zum genozidalen Massenmord überschritten. Zwar sei den Aussagen der Leiter der Einsatzgruppen in den Nachkriegsprozessen nicht zu trauen, gleichwohl sei es auffallend, dass die Mehrheit ausgesagt habe, ihnen sei bereits vor dem Überfall auf die Sowjetunion bei einer Einweisung in Berlin am 17. Juni oder bei einem Treffen kurz darauf der geheime Befehl zur Erschießung aller (sowjetischen) Juden mündlich erteilt worden. In einer schriftlichen Mitteilung Heydrichs vom 2. Juli 1941 sei zwar »lediglich« von der Exekution aller »Juden in Partei- und Staatsstellungen« die Rede, Heydrich habe jedoch die Mitteilung bereits im Juni 1941 vor den Einsatzgruppen- und Einsatzkommandoführern durch die Bemerkung, »dass das Ostjudentum das Reservoir des Bolschewismus sei, und deshalb nach Ansicht des Führers vernichtet werden müsse« interpretativ gerahmt. Der Hinweis darauf, dass in der Anfangsphase ein unterschiedliches Agieren der Einsatzgruppen festzustellen sei, stelle kein schlüssiges Gegenargument bezüglich des Vorliegens des »ersten Genozid-Beschlusses« im Frühjahr 1941 dar, insofern angesichts der Tragweite des Mordprogramms davon auszugehen sei, dass die einen eher, die anderen später begriffen, was von ihnen erwartet wurde. Während die einen anfänglich »nur« die jüdischen Männer im wehrfähigen Alter exekutierten, hätten die anderen bereits bei ihren ersten »Aktionen« Männer, Frauen und Kinder jeglichen Alters erschossen. Insofern sei zwar von der Sache her eine Radikalisierung bezüglich der Ermordung der sowjetischen Juden in den ersten Wochen des Vernichtungskriegs erfolgt, diese sei jedoch nicht auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung zurückzuführen, sondern vielmehr dem Kommunikations- und Verständnisprozess geschuldet, der sich angesichts der singulären Ungeheuerlichkeit des Vorgangs gleichwohl recht rasch mit der Intention des Befehlsgebers gedeckt habe. Der Massenmord an den sowjetischen Juden seitens der Einsatzgruppen bilde dergestalt betrachtet die erste Phase der systematischen Ermordung der europäischen Juden, welche die zweite Phase »getriggert« habe, insofern mit dem Angriff auf die Sowjetunion alle Dämme gebrochen seien. Zweistufige Modelle gehen im Unterschied zu klassischen Shoah-Studien davon aus, dass der »erste Genozid-Beschluss«, sich »lediglich« auf die sowjetischen Juden bezog, während erst der »zweite Genozid-Beschluss« die Ermordung sämtlicher europäischer Juden innerhalb des deutschen Machtbereichs vorsah. Je nach Autor ist dieser dann im Juli 1941 oder erst im September 1941 erfolgt. Für Juli 1941 wird häufig das Ermächtigungsschreiben Görings für Heydrich vom 31. Juli 1941 als Beleg angeführt:

      »In Ergänzung der Ihnen bereits mit Erlass vom 24.1.39 übertragenen Aufgabe, die Judenfrage in Form der Auswanderung oder Evakuierung einer den Zeitverhältnissen entsprechend möglichst günstigsten Lösung zuzuführen, beauftrage ich Sie hiermit, alle erforderlichen Vorbereitungen in organisatorischer, sachlicher und materieller Hinsicht zu treffen für eine Gesamtlösung der Judenfrage im deutschen Einflussgebiet in Europa. Sofern hierbei die Zuständigkeiten anderer Zentralinstanzen berührt werden, sind diese zu СКАЧАТЬ