Die Zehn Gebote für Neugierige. Fabian Vogt
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Название: Die Zehn Gebote für Neugierige

Автор: Fabian Vogt

Издательство: Bookwire

Жанр: Религия: прочее

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isbn: 9783374057948

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СКАЧАТЬ so bestraft werden.“ Zum Beispiel heißt es in Exodus 21: „Wer einen Mann erschlägt, der soll getötet werden.“ Das ist ein Gesetz!

      Im Dekalog dagegen heißt es: „Du sollst nicht töten!“ Das ist kein Gesetz, das ist eine Lebensmaxime, ein ethischer Grundsatz. Deshalb wird hier auch nicht erklärt, was denn passiert, wenn jemand trotzdem einen Mord begeht. Konkret heißt das: Mit den Zehn Geboten könnte man als Richter kein Recht sprechen. Da verwundert es nicht, dass schon die Israeliten und später unzählige Rechtssysteme dieser Welt versucht haben, die Zehn Gebote mit Hilfe von Paragraphen zu operationalisieren – womit sie diesen großartigen Schatz an Lebensweisheit (gegen seine Intention) in eine Rechtsordnung verwandeln wollten.

      Die Zehn Gebote nutzen aber ganz bewusst keine Sprache der Justiz, sondern eine Sprache der Liebe. Das fängt schon damit an, dass sie den Menschen persönlich ansprechen: „Du sollst nicht stehlen!“ Ja, es geht um dich! Nicht um das Volk als Ganzes, nicht um die Sippe, den Stamm oder die Gemeinschaft, sondern um die und den Einzelnen. Jede und jeder wird von Gott eingeladen, nach den Grundbedingungen der Freiheit zu fragen. Deshalb drehen sich die Zehn Gebote auch alle um das Verhältnis von Gott und Mensch, beziehungsweise von Mensch und Mensch. Der Staat als solcher kommt darin gar nicht vor.

      Die Zehn Gebote sind also so etwas wie eine Zusammenstellung ethischer Maßstäbe, die dem Individuum helfen, sich nicht wieder von irgendetwas versklaven zu lassen. Dahinter steckt der Gedanke der Prävention und die wegweisende Einladung: „Frage dich, mit welcher Lebenseinstellung du am besten durchs Leben kommst.“

       2. Die Zehn Gebote sind keine Verbote, sondern Konsequenzen

      Wer die deutsche Übersetzung „Du sollst …“ oder „Du sollst nicht …“ hört, bekommt schnell den Eindruck, hier würden klare Vorschriften gemacht. Die Sprachwissenschaftler sind da vorsichtiger. Sie weisen gerne darauf hin, dass im Urtext eine grammatikalische Form benutzt wird, die nicht einfach „Los, mach mal“ bedeutet. Die hier benutzte Verneinung mit der hebräischen Silbe „Lo“ steht eher für einen Ausdruck massiver Ablehnung. Sie verweist auf etwas, um das ein Mensch auf keinen Fall bitten und das er sich auch niemals wünschen sollte. Also: eine recht nachdrückliche Redeweise. Hätte man einfach sagen wollen: „Mach das nicht“, dann hätte man vermutlich einen anderen Ausdruck benutzt.

      Viele Alttestamentler gehen deshalb davon aus, dass hier etwas viel Tiefgründigeres mit anklingt, nämlich: „Das machst du dann garantiert nicht.“ Im Sinne einer Reaktion. Und jetzt wird es spannend: Wenn das stimmt, dann stehen diese zehn Leitsätze nämlich alle in Beziehung zur Einleitung (die Erinnerung an die Befreiung) und bedeuten in etwa: „Wenn du wirklich frei bist, dann wirst du niemanden belügen.“ Oder: „Wenn du dich innerlich stark und beschenkt fühlst, dann hast du es nicht nötig, jemanden zu bestehlen.“ Oder: „Wenn du von der Liebe Gottes erfüllt bist, dann wirst du auch deine Eltern würdig behandeln.“

      Dann wären die Zehn Gebote so etwas wie die logische Konsequenz aus einem Leben in Freiheit: Wer mit sich, mit Gott und mit der Welt im Reinen ist, der kommt gar nicht auf die Idee, anderen oder sich selbst zu schaden. Warum sollte so jemand denn lügen, betrügen oder andere verletzen? All das machen Menschen nur, wenn sie ein Defizit-Gefühl haben und verzweifelt hoffen, sie könnten durch ihr (garstiges) Verhalten ihren Status verbessern. Anders ausgedrückt: Wer die Dinge tut, die in den Geboten genannt werden, zeigt damit vor allem, dass er seinen inneren Frieden (noch) nicht gefunden hat.

      Natürlich stecken im „Dekalog“ trotzdem auch Handlungsideale. Aber die sprachliche Differenzierung öffnet eine zusätzliche Perspektive: Unser Handeln verrät viel über unser Leben. Und unser Ziel sollte es immer sein, so zu leben, dass wir keinen Grund mehr haben, gegen die grundlegenden Werte des Daseins zu verstoßen.

       3. Die Zehn Gebote sind kein Regelwerk, sondern Haltungen

      Dass die Zehn Gebote nicht einfach nur ein Regelwerk sind, macht Jesus auf ganz eindrückliche Weise deutlich. Indem er sie wiederholt bricht. Ja, Jesus bricht demonstrativ die Zehn Gebote – oder zumindest einige Regeln, die im Lauf der Geschichte von ihnen abgeleitet wurden. Fromme Juden hatten zum Beispiel das Gebot der Sabbat-Heiligung so interpretiert, dass man am siebten Tag weder von einem Feld Ähren holen darf, um seinen Hunger zu stillen, noch einem Kranken zu Hilfe eilen.

      Jesus macht beides mehrfach in der Öffentlichkeit und weist seine Kritiker anschließend mit den Worten zurecht: „Der Sabbat ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den Sabbat.“ Wenn jemand also aus einem Gebot eine oberflächliche Verordnung macht, dann handelt er gegen dessen ursprüngliche Absicht. Die Maxime „Nutze einen Tag in der Woche, um zur Ruhe zu kommen“ wird pervertiert, wenn ich daraus schließe, ich müsste einen Verletzten blutend am Wegrand liegenlassen. Und als man Jesus daraufhin vorwarf, er würde das Gesetz zerstören, sagte er deutlich: „Ich will das Gesetz nicht aufheben, sondern erfüllen.“ Weil sich ein „Gesetz“ nur da erfüllt, wo es den Menschen frei macht.

      Jesus geht aber noch weiter: Um die eigentliche Bedeutung der Zehn Gebote zu veranschaulichen, spitzt er sie in der Bergpredigt nicht nur zu, er radikalisiert sie buchstäblich. „Ihr kennt das Gebot ‚Du sollst nicht töten‘. Ich aber sage euch: Schon wer auf seinen Bruder wütend ist oder ihn beleidigt, macht sich schuldig.“ Oder: „Ihr kennt das Gebot ‚Du sollt nicht ehebrechen‘. Ich aber sage euch: Schon wer eine Frau begehrlich ansieht, bricht die Ehe in seinem Herzen.“ Oder (was noch über die Zehn Gebote hinausgeht): „Ihr kennt das Gebot ‚Liebe deinen Nächsten‘. Ich aber sage euch: Liebt nicht nur eure Nächsten, sondern auch eure Feinde. Seinen Nächsten liebt jeder, nur wer auch seinen Feind lieben kann, zeigt, dass er das Geheimnis echter Liebe verstanden hat.“

      Das klingt hart. Aber Jesus will mit dieser Radikalisierung vor allem an das ursprüngliche Ziel der Gebote erinnern. Er macht unmissverständlich deutlich, dass es nicht um das Einhalten von Regeln, sondern um Lebenshaltungen geht, um eine befreite und befreiende Grundeinstellung. Juristisch hat ein Mann, der Lust bekommt, mit einer anderen Frau zu schlafen, noch nicht die Ehe gebrochen – aber er zeigt, dass ihm der Wert der „Treue“ verloren zu gehen droht. Und wenn ein Mensch einen anderen verbal verletzt oder demütigt, dann wird daran erkennbar, dass er vergessen hat, wie kostbar jedes Leben ist.

      Anders ausgedrückt: Der Dekalog sagt eigentlich weniger, wie etwas nicht sein soll, er beschreibt vor allem, wie etwas sein könnte. Und das macht ihn so kraftvoll.

      Die Tatsache, dass der Dekalog jahrhundertelang fälschlicherweise als „Benimm-Katalog mit höllischen Sanktionen bei Nicht-Einhalten“ verstanden wurde, hat übrigens auch dazu geführt, dass er in der Kirchengeschichte lange Zeit eher ein Schattendasein geführt hat. Zumindest waren die frühen Christen, die sich ja auch von einem (nach ihrem damaligen Verständnis) sehr gesetzesorientierten Judentum abgrenzen wollten, an den Zehn Geboten nicht sonderlich interessiert.

      Erst der Reformator Martin Luther befand im 16. Jahrhundert, die Zehn Gebote seien „der höchste Schatz, den Gott gegeben hat“. Weil er die lebensfördernde Kraft in ihnen wiederentdeckt hatte. Schon 1520 schrieb er daraufhin ein sehr erfolgreiches Buch mit dem Titel „Von den guten Werken“, in dem er den Dekalog als Grundprinzipien für ein heilvolles Leben darstellte. Diese positive Sichtweise habe ich gerne übernommen und erlaube mir deshalb in diesem Buch auch, bei jedem Gebot die befreiende Perspektive in den Mittelpunkt zu stellen.

      In Luthers sogenannten „Katechismen“ – einer Art Gebrauchsanleitung für den Glauben, die es in Kurz- und in Langform gibt – spielt der Dekalog als einer der drei zentralen Texte des Christentums (neben dem Vaterunser und dem Glaubensbekenntnis) sogar eine so entscheidende Rolle, dass er plötzlich zum СКАЧАТЬ