Название: Weiße Wölfe am Salmon River
Автор: Lutz Hatop
Издательство: Автор
Жанр: Домашние Животные
isbn: 9783957446992
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Aber ein einziges Mal schien es zwischen Marc und Hartmut zu kriseln, der Grund war Ella, denn Hartmut hatte sich in einem zweiten Versuch um sie bemüht. Deutlich hatte sie ihn zurück gewiesen, vor Marc, Gerhard und seiner Frau Susanne. Zu provokativ ging Hartmut auf Ella zu, stellte Marc bloß. Marc und Hartmut benötigten nicht nur eine Aussprache, um die Krise zu beseitigen.
Marc war zwischenzeitlich in sein Elternhaus eingezogen, fast jeden zweiten Tag schaute Hartmut von Halden nach ihm. An einem Montagabend war es wieder so weit. Hartmut klingelte an der Haustür, Marc öffnete die Tür einen Spalt breit, worauf Hartmut sofort seinen Fuß dazwischen steckte. Als er dieses menschliche Wrack namens Marc vor sich sah, traf ihn das zutiefst. Obgleich er zweimal in der Woche vorbei schaute, war die Entwicklung in den letzten vier Tagen verheerend. Marc hatte sich weder gewaschen noch seine Kleidung gewechselt, entsprechend waren seine Ausdünstungen.
Hartmut fackelte nicht lange, rief Gerhard und Susanne an, die er um sofortige Unterstützung bat. Vierzig Minuten später trafen beide endlich ein. Nachdem sie sich verständigt hatten, packten beide Männer Marc, entkleideten ihn und steckten ihn in die Badewanne. Während Hartmut auf Marc aufpasste, sammelte Gerhard sämtliche Flaschen ein und vernichtete alle weiteren Alkoholvorräte in der Toilette. Susanne versuchte gleichzeitig, Ordnung in das Haus zu bekommen, ein mühseliges Unterfangen. Mit Unterstützung beider Männer hatten sie bis zum späten Nachmittag das Gröbste geschafft. Susanne musste nach Hause ihre beiden Kinder vom Kindergarten abholen.
Größer war der Aufwand, Marc einigermaßen nüchtern zu bekommen. Nach acht Stunden endlich wieder leidlich ansprechbar, setzten sich beide Männer mit Marc an den Tisch. Vor ihm lag ein Berg von Post. Missmutig nahm Marc einen Briefumschlag nach dem anderen in die Hand und legte diesen sogleich desinteressiert auf die Seite. Gleichermaßen wollte er mit einem großen braunen Umschlag verfahren, Hartmut nahm diesen jedoch entgegen, öffnete ihn und hielt den Inhalt, einen Brief Marc direkt vor Augen. Der Brief war von seinen Eltern und mit der Hand geschrieben. Sofort war Marc hellwach, mit zittrigen Händen begann er zu lesen:
Lieber Marc, wenn du diesen Brief liest, sind wir nicht mehr am Leben. Zuallererst bitten wir dich um Verzeihung, denn die nächsten Zeilen werden dich mit Sicherheit aufwühlen. Nun aber der pragmatische Teil. Du bist unser Alleinerbe, das Haus gehört dir. Die beiden vermieteten Wohnungen in Ulm und Neu-Ulm ebenso. Barvermögen und Aktien auch, allein das sind um die 400.000 DM. Dein Vater meint, dass allein die beiden Wohnungen einen Wert von 300.000 DM haben. Verkaufe sie. Lieber Marc, dein Vater und ich lieben dich über alles, du bist und warst für uns das wichtigste überhaupt.
Aber: wir sind nicht deine Eltern. Wir haben dich im Alter von zwei Wochen von einer jungen Mutter bekommen und dich adoptiert. Sie muss sehr jung gewesen sein, 14 oder 15. Sie konnte dich wohl nicht behalten. Besonders ich habe es einfach nicht über mein Herz gebracht, dir die Wahrheit zu sagen, dein Vater wollte das immer. Ich hatte fürchterliche Angst, dass du uns verlässt und deine leibliche Mutter suchen wirst. Sie wird, wenn ich diese Zeilen schreibe, Mitte dreißig sein. Glaub mir bitte, ich habe keine Ahnung wie sie heißt, geschweige denn wo sie lebt. Mir ist durchaus bewusst, dass du beim Lesen dieser Zeilen viel durchmachen musst, denke aber bitte daran, dein Leben geht weiter, wirf es bitte nicht weg. Sprich mit unserem Notar, Herrn Dr. Ralf Schmidt und regle alles. Und behalte uns bitte in guter Erinnerung, vergiss uns nicht.
Marc legte den Brief auf die Seite, ein Ruck ging durch seinen Körper. Er blickte seine beiden Freunde an, bedankte sich für die Hilfe und versprach, sein Leben wieder zu ordnen. Hartmut machte einen Vorschlag, der beide, Marc und Gerhard geradezu paralysierte.
„Was haltet ihr davon, im Spätsommer eine Kajak-Expedition in Kanada zu machen?“
Erst ungläubiges Schweigen, dann nahmen beide begeistert den Vorschlag auf.
„An welche Flüsse hast du dabei gedacht? Mensch Hartmut, das ist eine Superidee. Marc, davon träumen wir doch schon lange, was meinst du?“
Marc nickte nur unterstützend, er hatte Kopfschmerzen.
„Ich habe einen fürchterlichen Kater. Ich glaube, ich muss mich erst mal hinlegen und wieder richtig nüchtern werden. Dann kümmere ich mich um das Haus hier und meine privaten Sachen. Lasst uns doch am Mittwoch im Vereinsheim zusammensitzen und mal grob planen.“
Am darauffolgenden Tag suchte Marc den Notar auf, betraute ihn mit der Regelung seiner Vermögensverhältnisse und beauftragte einen Immobilienmakler zum Verkauf des Hauses und der beiden Eigentumswohnungen. Schon jetzt stellte sich heraus, dass die Vermögenswerte bei deutlich über 2 Millionen DM lagen, da kurz zuvor der Euro eingeführt wurde, besaß er ungefähr 1,5 Millionen Euro an aktuellen Vermögenswerten. Nach Erledigung der Pflicht folgte die Kür, zum ersten Mal seit dem Tod seiner Eltern und von Ella freute sich Marc auf das Treffen mit seinen Freunden. Mit Absicht fuhr er zwei Stunden früher zum Vereinsheim der Ulmer Kanuten, welches direkt am Flussufer der Donau unterhalb der Eisenbahnbrücke lag.
Marc betrat, nachdem er Neoprenanzug, Helm und Schwimmweste angelegt hatte, die große zweigeschossige Bootshalle im Erdgeschoss, ging zu den Boxen der Wildwasserkajaks und zog seinen knallgelben Gattino aus dem Regal. In Paddlerkreisen galt dieses Kajak als Dickschiff und nicht mehr zeitgemäß. Marc war die Meinung der anderen egal. Das Boot war für ihn immer wieder richtig, egal ob schweres oder leichtes Wildwasser, selbst für Wanderfahrten war es einsetzbar. Das Kajak lässig über die rechte Schulter gehängt, das Paddel in der linken Hand marschierte er die 150m zur Kiesbank an der Donau. Normalerweise war diese mehrere Meter breit, aufgrund des leichten Hochwassers aber nur mehr einen halben Meter. Nachdem er das Boot abgelegt hatte, blickte er zufrieden auf die Eisenbahnbrücke. Bedingt durch das Hochwasser bildeten sich an der unteren Seite der großen Steinpfeiler kräftige Kehrwasser.
Mit Kehrwasser bezeichnet man im Wildwasser Bereiche, in denen sich die Strömung flussaufwärts kehrt oder zumindest stark verlangsamt. Diese „Umkehr“ (oder Verlangsamung) der Fließrichtung des Wassers wird durch Wirbelbildung hinter angeströmten Hindernissen in Fließgewässern hervorgerufen. Die Technik des Hineinfahrens in ein Kehrwasser ist die wichtigste Voraussetzung zur Befahrung eines sportlichen Flusses.
Noch war niemand außer ihm auf dem Wasser, er hatte die ganze Brücke für sich alleine. Er zog das Boot hangaufwärts auf den Grashang, setzte sich auf dem Trockenen in das Kajak, schloss die Spritzdecke und rutschte mit Tempo in die Donau. Auf dem Wasser war es sofort wieder da, dieses unglaublich gute Gefühl! Er und das Kajak bildeten eine Einheit. Mit kräftigen Schlägen drückte er das Kajak dicht am Ufer entlang langsam flussaufwärts. Ein kleines Kehrwasser ausnutzend, legte er beim Ausfahren in die schnelle Strömung das Boot auf die Kante, hielt sich mit einer hohen Paddelstütze sicher im Wasser und fädelte mit einem kräftigen Ziehschlag in das Kehrwasser hinter dem ersten Brückenpfeiler ein. Auf diese Weise überquerte er die gesamte Breite der Donau bis zur Mündung eines Nebenarmes der Blau. So pendelte er ein paarmal über die Donau, immer wieder neue Spielarten austestend. Die früher vorhandene Sicherheit stellte sich langsam wieder ein. Nach zwei Stunden intensiven Trainings kehrte er zwar ausgepowert, aber glücklich an das Ufer zurück.
Am Ufer wurde er bereits von seinen beiden Freunden Hartmut und Gerhard erwartet, die ihn freudig begrüßten. Er wurde langsam wieder der alte. Marc zog sich noch schnell um, räumte Boot und Material auf und ging zu seinen beiden Freunden in die Gaststätte des Vereinsheimes. Die hatten sich bereits zwei Weißbiere bestellt. Lachend nahm er am Tisch Platz, „Ich kann's noch, ein super Gefühl. Ihr habt schon bestellt?“
Marc legte nach und bestellte sich ebenfalls Bier und etwas zu essen. Mit wichtigem Gesicht begann Hartmut:
„So Jungs, ich habe mir einiges überlegt. Unser Ziel ist Kanada, der äußerste Nordwesten, Wildnis pur und traumhafte Flüsse.“
Gerhard СКАЧАТЬ