Название: Dem Neuen entgegen leben
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Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783957446046
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Der Geist meiner Mutter verwirrte sich unter dramatischen Umständen immer mehr. Als sie nachts mehrmals nur leicht bekleidet, barfuß, weggelaufen war, konnten wir sie nicht mehr beschützen, und Vater brachte sie in die Psychiatrie der Landesklinik. Sie kam nie wieder zu uns zurück. Da war ich fast 14 Jahre alt, konnte eine Lehre in der Photobranche machen und war auf mich selbst gestellt. Meine drei Jahre jüngere Schwester wurde in einer Pflegefamilie untergebracht. Mein Weg zur Arbeitsstelle war morgens und abends je eineinhalb Stunden weit. Wenn ich nach Hause kam, war Vater manchmal da, lag auf der Couch und las. Gesprochen haben wir wenig.
Mit 19 Jahren wurde ich von meinem Freund ungewollt schwanger und mein Vater zwang mich zu heiraten. Ich bekam einen Sohn und lebte lange 14 Jahre an der Armutsgrenze, in denen ich fast immer für das tägliche Auskommen sorgte. Mein Mann kam abends immer sehr spät angetrunken nach Hause. Ich hatte gelernt, auszuhalten. Keine Arbeit war mir zu viel oder unangenehm. Dann aber, irgendwann, ließ ich mich scheiden.
1936 – als die Welt für mich noch in Ordnung war
Mit 35 heiratete ich ein zweites Mal, durchlitt eine Krebserkrankung, hatte mehrere Fehlgeburten und eine Totgeburt. Wieder hatte ich einen Ehemann, der nicht mit Geld umgehen konnte, und ich weiß heute nicht mehr, wie ich es mit ihm ausgehalten habe. Ich durchlitt Mangel bei drei Konkursen meines Mannes. Auch hier sorgte ich mit vielen Arbeitsstellen für unser Auskommen und versuchte Pläne fürs Überleben mit meinem Mann zu entwickeln. Manchmal gibt es aber auch Situationen im Leben, in denen alle Ampeln auf Grün stehen. Wir lebten zu dieser Zeit im Südwesten von München. Durch Fügung und glückliche Umstände gelang es mir mit 52 Jahren, mich erfolgreich selbständig zu machen.
In einer Mittagspause führte mich mein Dackel beim Gassi gehen zu einem kleinen Jungen, der vor der Haustüre am Boden auf einer Decke saß und Spielsachen verkaufte. Mein Hund stupste mit der Nase an einen wunderschönen bunten Gummiball, der mir vor die Füße rollte. Genau so einen Ball hatte ich mir als Kind immer gewünscht – nun erfüllte ich mir diesen Wunsch. Wir handelten einen Preis aus, und ich gab dem Jungen das Doppelte. Der Ball lag viele Jahre auf dem Boden in meinem Büro – manchmal kullerte ich ihn.
Durch Heilung einer schweren Burn-out-Situation, mit homöopathischer Behandlung, lernte ich Jahre später diese wunderbare Heilweise kennen und ich begann berufsbegleitend das Studium. Die Hauptausbildung fand in Griechenland, auf der Insel Alonissos, bei der Internationalen Academie für klassische Homöopathie statt. Ich flog von 1996 bis 2000 zweimal pro Jahr für einige Wochen dorthin. Ich vergesse nie das Glücksgefühl – den Moment des Abhebens des Fliegers vom Boden. Dies war für mich die glücklichste Zeit meines Lebens. Lernen an einem wunderschönen Ort. Aude sapere – wage zu wissen, stand vor der Academie im Boden in Sandstein eingelegt. Ich konnte bisher vielen Menschen, und auch mir selbst, mit diesem Wissen helfen.
Während dieser Zeit war mein Mann bereits sehr schwer erkrankt und später als Pflegefall bei uns zu Hause. Das konnte ich fünf Jahre alles mit zwei Pflegediensten bewältigen. Als ich 67 Jahre alt war, übergab ich meinen seit 17 Jahren erfolgreichen Betrieb an meinen Meister. In der gleichen Woche starb mein Mann. Innerhalb einer Woche war mein Lebensinhalt – mein Betrieb und mein pflegebedürftiger Mann – nicht mehr da.
Wie wohl mein Leben verlaufen wäre, wenn es diesen schrecklichen Krieg nicht gegeben hätte? Wenn sich meine Eltern um uns Kinder hätten sorgen können? Wenn Krankheit, Not und Hilflosigkeit nicht so selbstverständlich meine Kindheit begleitet hätten?
Ich hätte gerne die höhere Schule mit Abschluss Abitur machen wollen, um einen Beruf meiner Wahl zu verwirklichen. Ich hätte mir auch einen Mann gewünscht, der mit Geld umgehen kann und dem die Familie wichtiger als der Alkohol war.
Seit 10 Jahren lebe ich wieder in meiner Heimat in Düsseldorf in großer Freiheit, einem selbst geschaffenen Auskommen und genieße den Spätherbst meines Lebens.
Margarete Gritli Blickensdörfer
1944 in Homburg/Saar geboren. Sie lebte bei ihren Großeltern, bis sie mit der Einschulung zu ihren Eltern und jüngeren Geschwistern in die Pfalz zog. Als sie selbst eine eigene Familie gründete, machte ihr ein weiterer Umzug zu schaffen.
Drei Generationen – drei Erfahrungen mit Krieg
Ich bin bald 70 Jahre alt, lebe die meiste Zeit meines Lebens in friedlichen Zeiten, hier, in Deutschland. Seit vielen Jahren bin ich Mitglied einer kirchlichen Friedensgruppe: im Mennonitischen Friedenszentrum Berlin, MFB. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass wir, die wir in einem demokratischen Land, im Europa des einundzwanzigsten Jahrhunderts leben, alles tun müssen, um Frieden zu bewahren. Das heißt für mich, in der kleinsten „Zelle“, der Familie und in der Nachbarschaft bereits anfangen, friedlich miteinander umzugehen. UND: NIE WIEDER KRIEG!
Ich möchte berichten, wie mich selbst die beiden letzten Weltkriege als Kind „gestreift“, meine Kinderseele belastet haben. Als werdendes Kind, im Mutterleib noch, zog ich mit meiner Mutter über Land, um Essbares zu beschaffen von Bauernhöfen des Saarlandes und aus „dem Reich“(so wurde Großdeutschland damals genannt). Meine Mutter marschierte weite Strecken, nahm einen Zug, wenn einer fuhr. Einmal musste sie sogar mit einem Boot einen Fluss überqueren, der als Grenze galt zwischen einer englisch besetzten und ihrer, der französisch besetzten Zone. Sie hatte erfahren, dass sie dort zwei Ziegen kaufen könne. Die Reise war beschwerlich, das Verhandeln bzw. „Fuggern“, wie es dort hieß, dauerte lang, doch letztlich konnte sie mit ihren beiden Ziegen und den streng kontrollierten Frachtpapieren auf dem Boot Platz nehmen. Ihre Nerven hatten sich nach dem Verladen der beiden störrischen Ziegen langsam wieder beruhigt, als sie gerade noch den letzten Schnipsel Papier im mahlenden Maul einer der beiden Ziegen entdeckte. Zu spät! Die Papierschnipsel stammten von den Frachtpapieren! Ziegen knabbern alles, schlucken fast alles! Auch wichtige Dokumente, die sie „als gekauft“ und nicht „als gestohlen“ auswiesen. Trotzdem schaffte es meine Mutter, sie nach Hause zu bringen. Diese beiden Ziegen, d.h. die Milch, die sie täglich für die werdende Mutter, wie für meine Großmutter gaben, waren sehr wichtig für uns drei!
Vertraute Männer gab es zu der Zeit nicht im dreistöckigen Haus! Im Erdgeschoss lebte eine ängstliche kinderlose Frau, deren Mann „als vermisst“ galt, so, wie mein Vater ebenfalls damals vermisst war. Meine Mutter hatte ihre Wohnung im dritten Stock, hielt sich jedoch die meiste Zeit bei ihrer Mutter, in der Mitte des Hauses auf. Sie gaben einander Halt in den schweren Zeiten des tobenden Zweiten Weltkrieges, rieben ihre verschiedenen Charaktere aneinander. In lauten Disputen „unterhielten“ sie sich manchmal und trockneten hernach vergossene Tränen der Reue.
Hinter dem großen Haus bepflanzten sie einen Gemüsegarten, am äußersten Ende „wohnten“ die oben genannten Ziegen in einem kleinen Stall. Außer den Ziegen gab es zwei Kaninchen, sowie freilaufende Hühner, die Eier lieferten. Einen Gockel gab es auch! Wenn die Tiere genügend gefüttert worden waren, vertrieben sie mit ihren Erzeugnissen Hunger und Not. Ich, im Bauch meiner Mutter, profitierte als „persona incognita“ mit! Mir ging es gut – zumindest, was die Ernährung anging!
Die Ängste, die immer wieder ausgehalten werden mussten, und die tiefe Trauer wegen des Todes zweier sehr junger Söhne meiner Großmutter bzw. Brüder meiner Mutter, bedrückten die Seelen der СКАЧАТЬ