Brandt-Gefahr. Klaus Vater
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Название: Brandt-Gefahr

Автор: Klaus Vater

Издательство: Автор

Жанр: Исторические детективы

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isbn: 9783955520281

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СКАЧАТЬ Dienstvorschriften gäbe es nicht aus Jux und Tollerei, lautete dessen Credo.

      Hinter Keunitz entdeckte er den Kommissar Eduard Strattmann. Der war Personalrat, allerdings nicht freigestellt. Er gehörte der einflussreichen «Keulenriege» in der Berliner SPD an, also dem rechten Flügel der Partei, der vor Jahren Willy Brandt in harten Auseinandersetzungen mit der Parteilinken als Landesvorsitzenden der SPD durchgedrückt hatte. Strattmann war ein bulliger Kerl und ein sturer Hund. Im Dienst galt er als ziemlich humorlos. Er war im Ruhrgebiet aufgewachsen und nach dem Krieg in Berlin hängengeblieben, der Liebe wegen. Nun wohnte er mit seiner Familie in einer bequemen Vierzimmerwohnung in Wilmersdorf. Er war ein hartgesottener Antikommunist, dem nachgesagt wurde, dass er mit Blick auf die Sowjetunion nur eines genießen könne: Russische Eier, jene mit unechtem Kaviar und Remoulade bekrönten Sattmacher.

      Otto Kappe hatte bisher nicht mit Strattmann zusammengearbeitet. Man kannte sich natürlich von Besprechungen sowie von Feiern. Und von Polizeiparaden in den Fünfzigern, auf denen sie nebeneinander marschiert waren, der Sozi Eduard Strattmann und der Adenauer-Bewunderer Otto Kappe, während Gertrud und Strattmanns Betty am Straßenrand miteinander gequasselt, zu der Blechmusik des Polizeiorchesters geschunkelt und ihren Männern zugewinkt hatten.

      Kappe und Strattmann achteten einander. Beide wussten gute Kriminalarbeit zu schätzen, und beide waren sehr engagiert. Daher begegnete das Reviergewächs Strattmann, das die Parteitraditionen der SPD verinnerlicht hatte, der Berliner Pflanze Kappe mit Vertrauen. Daran änderte auch nichts, dass Kappe davon überzeugt war, dass weder der verstorbene SPD-Chef Kurt Schumacher noch der gegenwärtige SPD-Vorsitzende, der Regierende Bürgermeister Willy Brandt, den West-Berlinern die Freiheit gesichert hatten, sondern der CDU-Kanzler Konrad Adenauer gemeinsam mit den Soldaten der USA und Großbritanniens. Ohne die, so meinte Kappe, würden auf dem Kudamm längst Fahnen mit Hammer und Sichel wehen. Es machte ihn misstrauisch, dass sich manche Sozialdemokraten – Brandt freilich gehörte nicht zu ihnen – mit Ulbrichts Gefolgsleuten in West-Berlin zusammentun wollten.

      Am Tisch standen einige jüngere Männer zusammen. Sie waren allesamt in dunkle Anzüge und weiße Hemden mit gestreiften Krawatten gekleidet und hatten exakt gescheitelte Haare. Otto Kappe hatte keinen von ihnen schon mal gesehen.

      Ein paar Schritte von ihnen entfernt unterhielten sich zwei Männer. Den Jüngeren kannte Kappe flüchtig – der war vom Staatsschutz. Plötzlich war Kappe hellwach. Der Staatsschutz war also auch dabei. Der gehörte zwar zur Kripo, war aber nicht dem Kripodirektor Niederzier unterstellt, sondern direkt dem Polizeipräsidenten Duensing. Wie Terrier, die sich für die Fuchsjagd trainieren lassen, war der Staatsschutz auf Kommunisten dressiert. Manche nannten die Staatsschützer spöttisch die «hochgeheimen Eichkatzen». Kappe und seine Kollegen wussten, dass alles, was der Staatsschutz trieb, sofort bei den Geheimdiensten der Alliierten oder beim deutschen Bundesnachrichtendienst landete. Die beiden Männer schauten Kappe an. Er nickte ihnen wortlos zu.

      Niederzier hatte offenbar nur darauf gewartet, dass Otto Kappe eintreffen würde, denn jetzt ergriff er das Wort. «Meine Herren, ich freue mich, Sie hier begrüßen zu können. Ich möchte Sie mit Oberregierungsrat Hans Josef Voißel bekannt machen. Er ist Gruppenleiter im Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz. Es kommt nicht alle Tage vor, dass ein hochrangiger Vertreter des Verfassungsschutzes die Berliner Kripo persönlich informiert. Was er uns mitzuteilen hat, ist für unsere Arbeit sehr wichtig. Ich bitte deshalb um höchste Aufmerksamkeit.» Niederzier blickte in die Runde und fuhr fort. «Außerdem begrüße ich zwei Kollegen vom Staatsschutz: Herrn Edgar Maischonnek und Herrn Rudolf Schiltken.»

      Maischonnek war ein dünner, blasser Mann. Er trug eine dunkle Wollhose und ein helles Sakko mit Salz-und-Pfeffer-Muster, dazu ein weißes Hemd und eine hellblaue Krawatte. Otto Kappe schätzte ihn auf Mitte vierzig. Er war ihm hin und wieder begegnet. Schiltken hingegen hatte er noch nie gesehen, obwohl der in seinem Alter sein musste. Er trug einen unauffälligen dunklen Anzug, ein weißes Hemd und eine dunkle Krawatte. Kappe fiel auf, dass ein Ordensband Schiltkens linkes Revers schmückte. So etwas hatte es, als Johannes Stumm noch Berliner Polizeipräsident gewesen war, nicht gegeben. Jeder farbige Streifen des Abzeichens stand für einen Orden. Einer war tiefblau. Kappe wusste, was das zu bedeuten hatte: Der Träger musste mindestens zwölf Jahre in Hitlers Wehrmacht gedient haben. Bis Kriegsende 1945 hatte ein Hakenkreuz im Eichenkranz den blauen Streifen verziert, nun fehlte es. So einer ist der also, dachte Kappe bei sich.

      «Meine Herren, Herr Voißel hat das Wort!», sagte der Kriminaldirektor.

      Der Vertreter des Bundesamtes für Verfassungsschutz hatte einen stahlblauen Anzug mit breitem Kragenaufschlag und eine rote Krawatte an. Er wirkte gedrungen. Kappe hatte seine wachsamen Augen bemerkt, denen nichts im Raum zu entgehen schien. Während Strattmann geredet hatte, hatte Voißel jeden Anwesenden gemustert. Nun nickte Strattmann Voißel freundlich zu. Kappe schloss daraus, dass sich die beiden aus der SPD kannten.

      «Guten Morgen! Ich bitte sehr herzlich um absolute Diskretion.» Voißels Blick wanderte durch die Reihen. «Wir haben Anlass zu der Vermutung, dass in Berlin ein politisch motiviertes Verbrechen vorbereitet wird.»

      Im Raum war es totenstill. Günther Niederzier hatte den Blick gesenkt. Friedhelm Keunitz fixierte Voißel. Otto Kappe registrierte die entsetzten Gesichter seiner Kollegen.

      «Lassen Sie mich darlegen, worauf sich diese Vermutung stützt», fuhr Voißel fort. «Sie werden sich vielleicht daran erinnern, dass im Sommer in einigen Zeitungen zu lesen war, dass dem Sonderbeauftragten des Bundeskanzlers für Berlin Ernst Lemmer, dem Abgeordneten Herbert Wehner und dem amerikanischen Botschafter George C. McGhee Briefe in ihre Bonner Büros zugestellt wurden, die tödliches Gift enthielten. Zwei Sekretärinnen erlitten Verbrennungen, als sie die Briefe öffneten. In den Zeitungsberichten war über die näheren Umstände dieser Anschläge nichts zu lesen, weil wir nicht wollten, dass zu viel bekannt wurde. Wir haben glaubhaft den Eindruck erweckt, dass der Täter geistesgestört wäre. Tatsächlich aber stand hinter den Taten offenbar ein politisches Kalkül. Sie wurden von einem ehemaligen Mitglied der Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit verübt, die bekanntlich in West-Berlin ihre Zentrale hatte. Der Mann agierte unter dem Namen Bruhn und lebt mittlerweile in Schweden, unsere Justiz hat deshalb keinen Zugriff auf ihn. Warum er diese Giftbriefe versendet hat, wissen wir letztendlich nicht genau. Doch es liegt die Vermutung nahe, dass er politische Rechnungen begleichen wollte. Kennt jemand den Mann zufällig?»

      Niemand meldete sich zu Wort. Voißel blätterte in seinen Papieren, seine Zuhörerschaft war still. Kappe fröstelte.

      «Für uns im Kölner Bundesamt waren die Anschläge Anlass, uns das Umfeld des Täters genau anzuschauen. Dabei stellten wir fest, dass mehrere jüngere Anhänger der vor zwei Jahren gegründeten Nationaldemokratischen Partei Deutschlands aus dem Westen nach Berlin reisten, um sich hier niederzulassen. Sie sind untergetaucht, aber höchstwahrscheinlich noch in West-Berlin. Es handelt sich hierbei um Hilfsarbeiter, die bewaffnet sind und wir als höchst gefährlich einstufen. Ob sie direkt aus der Führungsebene der NPD gelenkt werden, wissen wir nicht. Es ist aber möglich. Im achtzehnköpfigen Vorstand dieser Partei, die unlängst in Hessen fast acht Prozent der Wählerstimmen erhielt, sind zwölf Personen, die schon zu Hitlers Zeiten aktiv waren, ehemalige SS-Leute, Gauredner, frühere Kreisvorsitzende der NSDAP und so weiter.» Voißel dachte einen Augenblick nach. «Wir wissen nicht, mit welchem Auftrag sie nach Berlin geschickt wurden. Es kann sein, dass sie sich eine Zeit lang ruhig verhalten, um auf eine günstige Gelegenheit für einen Anschlag zu warten. Alarmierend ist die Übersiedlung nach Berlin allemal.»

      Friedhelm Keunitz ergriff das Wort. «Die Geschichte mit den Briefen war mir bekannt. Aber ich dachte, es habe sich nur um Drohbriefe gehandelt. Dass ein Ehemaliger der Kampfgruppe dahintersteckt, klingt in der Tat bedrohlich. Eine akute Gefahr kann ich dennoch nicht erkennen. Die Berliner Bevölkerung hat die Nase gestrichen voll von den Nazis, diese neue Partei dürfte sich kaum Hoffnungen machen, durch einen Anschlag erneut Massen mobilisieren zu können.»

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