Verdorbene Jugend. Horst Riemenschneider
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Название: Verdorbene Jugend

Автор: Horst Riemenschneider

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

Серия:

isbn: 9783938555446

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СКАЧАТЬ verdunkelte sich der Weg. Wir waren drei oder vier Mann und bummelten mit der Absicht, eine Zigarette zu rauchen. Das gelang uns, weil ich ja ein Feuerzeug hatte und Meldke und Sturm weit voraus geschritten waren. Das Rauchen machte uns keinen Spaß. Dadurch merkten wir, dass wir eigentlich Durst hatten. Bis zum Bahnhof und auch auf diesem war nichts Trinkbares zu finden.

      Mit Meldke ging es bei mir aufwärts. Was es vorher nicht gab: Die Schule machte mir Freude. Berufskunde hatten wir im 2. Lehrjahr bei Meister Gerbig und Betriebs- und Reichskunde bei Herrn Fleischmann. Sport bei einem ehemaligen Lehrausbilder, der bis zur Einberufung des Sportlehrers zur Wehrmacht Sportwart war, also die materiellen Dinge zum Sport vorzuhalten hatte, einschließlich der als Sporthalle genutzten Sportbaracke und dem Sportplatz mit Aschenbahn und Sprunggrube.

      Reichskunde bei Fleischmann wurde mehr und mehr zum Kotzen. Es ging bei ihm fast nur um den Deutschen Ritterorden und Heinrich den Löwen. Auch was Heinrich der Vierte und Kaiser Barbarossa falsch gemacht hätten, indem sie ihren Blick nach Süden, statt in den Osten gerichtet hätten. Heinrich der Löwe hätte den richtigen Blick gehabt. Er hat Ostgebiete erobert. Ich sehe Fleischmann in meinem Gedächtnis heute noch, wie er mit seiner Wanderhose und Kniestrümpfen, seiner Strickjacke mit großen Perlmutknöpfen, die ihn einem Schäfer ähnlich machten, vor den Bänken des Physikraumes umher stakte. Dabei baumelte aus einer Tasche der dunklen Strickjacke eine recht große Uhrkette. Die Uhr zog er dann ab und zu hervor, um nach der Zeit zu sehen.

      Was Meldke bei mir aufgepäppelt hatte, brachte Fleischmann in den Keller. Meister Gerbig gab uns wertvolle Ratschläge für unseren Beruf, aber manchmal zog es uns bei ihm auch die Augen zu. Bei Meldke gab es das nicht.

      Wenn man umzog, musste man sich auch in der Hitlerjugend ummelden. Da hatte ich nun meine eigenen Vorstellungen. Ich meldete mich in Dillstädt in der Flieger-Hitlerjugend an. Wie ich auf diese Idee kam, weiß ich nicht mehr. In Dillstedt gab es eine Familie Mönch, die einmal einige Jahre in Bürgel gewohnt hatte. Sie hatten fünf Kinder. Von uns Kindern war ja keiner fett. Aber der kleine Mönch, wir gaben ihm den Spitznamen „Glatze“, war besonders drahtig. Er konnte wie ein Äffchen die Bäume hoch klettern. „Glatze“ deshalb, weil Mönch und Glatze bei uns eine Einheit bildeten. Durch Zufall habe ich „Glatze“ in Suhl getroffen. Ich hatte daraufhin Mönchs in Dillstett besucht und wurde freundlich aufgenommen.

      Bei ihnen entdeckte ich einen „Volks-Brockhaus“, der mir so gut gefiel, dass ich mir selbst so ein Buch beschaffen wollte. Ich konnte mir aber nur einen Sprach-Brockhaus zulegen, weil es den Volks-Brockhaus damals nicht mehr gab. Das Buch bekamen meine kleineren Geschwister später wohl als Spielzeug und zerflederten es erheblich in der Zeit als ich nicht zu Hause, sondern für Kriegsdienste und deren Folgen mein Leben woanders verbringen musste.

      Damals jedenfalls interessierte ich mich sehr für das Segelfliegen. So eine Gruppe gab es in Bürgel auch. Uns jüngere hatte man in Bürgel zum Flugzeugmodellbau angesprochen, wobei ich halbherzig mitmachte. In der Werkstatt bauten die Großen richtige Segelflieger, mit denen sie dann flogen. In der Nähe der Wilhelmshöhe bei Bürgel konnten wir zusehen wie die Großen ihre ersten Hoppser machten. Auf der östlichen Seite ließen wir einmal die Flugmodelle fliegen. Ein schon größerer Junge hatte ein Modell gebaut, das man „Strolch“ nannte. Eigentlich wollte der Erbauer es nicht fliegen lassen. Das Modell war recht groß und hatte eine Spannweite von etwa 1,80 Meter. Der „Strolch“ flog aber gut und entschwand unseren Blicken. Hinter dem Dorf Droschka hat man ihn wiedergefunden.

      Mit der Anbindung an die Flieger-Hitlerjugend hoffte ich auf ähnliche Erlebnisse. Wir bereiteten uns theoretisch auf das Fliegen vor. Das wurde allmählich langweilig, weil es nicht vorwärts ging. Wir sollten auf Tauglichkeit untersucht werden und danach hofften wir auf den ersten Hopser am Großen Dollmar bei Meiningen. Die Sache zerstob dann, als unser Gefolgschaftsführer eingezogen wurde. So meldete ich mich in Dietzhausen an, wo aber nicht viel passierte. Zu den Eintopfsonntagen, die jeden Monat einmal angesagt waren, mussten wir für das WHW, das Winterhilfswerk, sammeln. Da war man aber nicht jedes Mal an der Reihe.

      Wie ich schon berichtete, waren Höfert und ich zu Hausarbeit verpflichtet. Das hieß bei unserem Kleinbauern Otto Bart, dass es auch Arbeiten auf Feld und Wiese gab. Die machten wir mit nicht viel Elan. Die erste größere Arbeit war Gras mähen. Ich hatte davon nur soviel Ahnung, dass man dazu eine Sense benötigt. Höfert hatte das zu Hause schon machen müssen. So konnte er mit Herrn Bart mithalten, was mir nicht gelang, obwohl ich eine kleinere Sense hatte. Ich habe dabei das Mähen so halbwegs gelernt. Beim Roggen mähen, wozu man auch Hauen sagt, durfte nur Höfert die Sense schwingen.

      Wir waren einmal allein mit Frau Bart auf dem Feld. Das Jahr war sehr kompliziert, weil es oft regnete und das Getreide auf den Puppen nicht trocknete. Daher ging Frau Bart bei schönem Wetter morgens aufs Feld und breitete die Garben nach dem Öffnen des Bandes auf dem Feld aus. Zum Abend gingen wir hinaus und rafften die Garben wieder zusammen, banden sie und stellten wieder Puppen auf, um vielleicht am nächsten Abend einfahren zu können. Das konnte man aber wieder nicht, weil der nächste Regen das verhinderte. Dieses Wetter hatte zur Folge, dass es im Jahr 1941 eine schlechte Ernte gab und insgesamt das Essen knapper wurde. Das merkte man vor allem am Betriebsessen.

      Die Wiese, auf der ich das Mähen lernen sollte, befand sich in Dietzhausen. Barts hatten aber noch eine Wiese, die zwischen Wichtshausen und Dillstädt lag. Das war ein Erbteil von Frau Bart. Die Wiese wurde von Frau Barts Vater mit einem Pferdemähwerk gemäht. Wir hatten dort meist nur beim Einfahren zu helfen. Dazu borgte sich Herr Bart in Dietzhausen eine Kuh, die er zu seiner eigenen Kuh vor den Wagen spannte.

      Barts’ Kuh war ein unruhiges Tier. Ich hatte zum Aufladen der Fuder die Kühe in Schach zu halten. Das war schlimmer, als den ganzen Nachmittag das Heu hoch zu gabeln. Höfert durfte gabeln oder auf dem Wagen bauen. Das Kühehüten war unter seiner Würde. Höfert hatte starkes Rheuma und war dadurch in seinen Bewegungen eingeengt. Aber Kühe halten – nee. „Nit“ hätte er als Schwabe gesagt.

      Das Rheuma hatte er sich wahrscheinlich als zehnjähriger Junge geholt, als er mit einem weiteren Jungen im Winter an einer Kiesgrube spielend vom Rand in die Grube rutschte und dabei durch das dünne Eis brach. Völlig durchnässt musste er eine größere Strecke nach Hause laufen, was in der Winterluft zu starker Unterkühlung führte. Trotz dieser Krankheit, die man ja nicht sah, hatte man ihn dann zum Reichsarbeitsdienst eingezogen, wo sich das Rheuma wesentlich verschlimmerte. Er verbrachte dann längere Zeit in Krankenstuben und aus dem regulären halben Jahr, nach dem es meist zum Militär ging, wurde ein dreiviertel Jahr. Höfert wurde schließlich als wehrdienstunfähig entlassen.

      Ich war während dieser Zeit allein bei Barts. Doch bevor Höfert zum Arbeitsdienst musste, haben wir uns ab und zu gekabbelt, was dann meist in einen unentschiedenen Ringkampf endete. Der Grund dazu war oft die Religion. Höfert war katholisch und ich glaubte eigentlich an nichts. Der Wettstreit ging schon los, wenn wir Mundharmonika spielten. Hatte ich eine Mundharmonika-Melodie in D-Dur mir der Bezeichnung „Wanderlust“, hieß Höfert seine „Klosterglocken“ und hatte einen Klang in Moll. Das passte nicht zusammen. Es gab noch andere Kabbeleien. Im Heim hatten wir gelernt, unser Päckchen zu bauen, wenn es ins Bett ging. Als ich dann mit Höfert im gleichen Zimmer wohnte, hielt sich dieser nicht mehr daran. Er stieg aus den Hosen und ließ diese einfach vor dem Bett stehen. Ich baute auf meinen Stuhl mein Päckchen, wie gewohnt. Höfert begründete sein Verhalten damit, dass der andere, der vor mir mit Höfert im Zimmer geschlafen hatte, es ebenso getan hätte. Doch spätestens beim Frühstück waren alle Kabbeleien vergessen.

      Alle drei Wochen kam ein Friseur ins Haus. Es war für uns nicht nur bequem, sondern auch billiger, als bei einem stationären Friseur. Meist wurde im Sommer ein Stuhl auf den Hof gestellt und los ging es. Ich glaube, das der Haarschnitt nur 30 Pfennige kostete. Im Geschäft kostete er 40 Pfennige, also einen Groschen mehr.

      Es gab viele СКАЧАТЬ