Название: Der mondhelle Pfad
Автор: Petra Wagner
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783867779579
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„Sie kommen!“, jubelte er. „Jaaa! Sie kommen endlich heim!“ Lavinia johlte mit und flatterte mit ihrem frisch gewaschenem grünen Leinkleid neben ihm her.
Auch auf der anderen Straßenseite riefen die Kinder durcheinander. Medan rannte quer durch die Büsche, stob über die Antsanvia, riss die Arme hoch und Lavinia sprang jauchzend in diese hinein. Er drückte sie an sich, schob Robin an seine Seite und sie legten das letzte Stück gemeinsam zurück, wobei Robin den beiden neidische Blicke zuwarf oder vielleicht eher skeptische.
Er selbst hatte leider nur eine kleine Schwester, Belisama, und musste daher selbst laufen. Dafür konnte er von einem winzigen, haarlosen Baby aber auch nicht herumkommandiert werden, so wie es Medan mit ihnen versucht hatte – wohlgemerkt nur ‚versucht‘. Schließlich hatte dieser Halbstarke noch nicht mal seine Weihe, auf die er sehr sehnsüchtig wartete und die Robin ihm auch gönnte. Dann hätte Medan nämlich mit in die Schlacht ziehen dürfen und er wäre der einzige Mann im Dorf gewesen. Erste Betonung auf ‚Mann‘, zweite auf ‚einzig‘.
Robin war so mit diesem verlockenden Szenario beschäftigt, dass er gar nicht merkte, wie sich die Leute erhoben und nach Familien ordneten. Erst als Hanibu in ihre dunkelbraunen Hände klatschte, erkannte er seine Chance und hüpfte in ihre ausgebreiteten Arme. Er widerstand allerdings der Versuchung, auf ihre Schultern zu klettern, so wie es Lavinia gerade bei Medan tat, und begann schon ein wenig zu schmollen, da fühlte er plötzlich, wie ihm jemand zärtlich von hinten den Zopf aufmachte und noch einmal neu flocht.
Es war Flora. Sie gab ihm noch einen großmütterlichen Kuss auf die Wange, bevor sie sich mit jugendlichem Schwung über die Lockenpracht ihrer Tochter, Lavinia, hermachte. Nach erfolgreicher Entfernung jeglicher Grasrückstände legte sie ihre Hände irgendwie feierlich bei Medan und Hanibu auf die Schultern, um ihre Ruhe auf die Gruppe zu übertragen.
Gleich daneben kämmte sich Noeira ebenfalls ihre rotblonde Mähne durch. Kaum war sie damit fertig, hatte Belisama auch schon ein paar Strähnen in der Zerre und riss ihr kleines Mündchen auf. Ungeduldig brummelte Noeira vor sich hin und rutschte Belisama im Tragetuch zurecht, denn ganz offensichtlich hatte die Kleine Hunger, ausgerechnet jetzt. Taberia brachte schnell ihren langen blonden Zopf in Sicherheit und lugte zu ihrer Armanu hinunter, die gerade mit der gleichen Absicht und ziemlich gierig an ihrem Kleid zerrte. Seufzend öffnete sie gleichfalls die Fibel auf der rechten Schulter und zog das Gewand ein Stück herab, während kleine Füße gegen ihren Bauch rempelten und grapschende Finger sich ihre Brustwarze einverleibten.
Großmutter Mara schnalzte belustigt mit der Zunge, als die Babys zu schmatzen begannen und legte den beiden jüngeren Generationen feierlich die Hand auf. Es war wirklich schön, Mutter, Großmutter und Urgroßmutter zu sein. So war es, so ist es, so würde es auch bleiben, dank derer, die da siegreich heimkehrten.
Aufrecht und voller Freude standen alle Leute da wie angewurzelt und schauten gespannt in die gleiche Richtung, weit die Straße hinunter zur Biegung, wo endlich König Gort erschien. Hoch zu Ross, Langschwert und Kurzschwert im Gürtel, den runden Schild leger daneben gehängt, den Speer triumphierend in der Hand und das Haupt hoch erhoben wie der stolze Hirsch, trabte er majestätisch um die Biegung der Antsanvia. Seine langen braunen Haare wehten weit über sein grau glänzendes Kettenhemd, als wollten sie nach hinten deuten. Da setzten sich ihre Füße von ganz alleine in Bewegung – zögerlich; sie brauchten noch mehr Gewissheit.
Und wirklich: Die ersten Krieger kamen hinter König Gort in Sicht, während er sein Signalhorn an den Mund hob und ein herrlicher, tiefer, dumpfer Klang die Luft zum Vibrieren brachte.
Plötzlich ertönte auch bei ihnen das Dröhnen und Afal, in seinem reinweißen Druidengewand, das Horn an den Lippen, hob die Hand und schwenkte sie weit ausholend zum Gruß. Sämtliche Kinder, Mütter und alte Leute jauchzten auf und rannten los, rannten, sprangen, hüpften, schritten dem Tross entgegen, der sich schwerfällig um die Biegung wand.
Beim Anblick der heranpreschenden Meute aus stampfenden Füßen, aufgerissenen Mündern und fuchtelnden Armen kam der Wagenzug ins Stocken.
Nun brachen auch die Heimkehrenden in Jubelgeschrei aus, sprangen von den Ochsenkarren und stürmten den langen Tross entlang, eilten den Daheimgebliebenen entgegen. Manch einer entwickelte auch ohne Pferd eine so extrem schnelle Gangart, dass die Krieger ihre tänzelnden Pferde zügeln mussten, damit niemand zu Schaden kam. Umsichtig warteten sie daher auf ihre Kameraden in den Streitwagen, die nur langsam über den bebenden Boden rumpelten, weil sie nicht an ein paar humpelnden Männern vorbei kamen, die wuchtig ihre Gehstöcke schwangen. Die Insassen der Streitwagen stiegen jedoch einfach heraus und huschten wie der Wind an den Hindernissen vorbei. Johlend sprangen auch die anderen Krieger von ihren Pferden und mischten sich ins Gedränge.
König Gort blieb auf seinem Hengst sitzen und stieß die ganze Zeit ins Horn; am anderen Ende der Straße tat es Afal, sein oberster Druide, ihm gleich.
Der mächtige Hörnerklang und Jubel von zwei Seiten schwoll zu einem einzigen, vielstimmigen Triumphgetöse, auf dessen Höhepunkt sich die Menschen beider Seiten mit Wucht vermischten wie zwei Flüsse, die ineinander brausten.
Sofort ebbte der Strom ab und jeder versuchte, so schnell wie möglich seine Lieben in die Arme zu schließen. Namen wurden gerufen, Leiber schoben sich gegeneinander vorbei, prallten zusammen, pressten sich aneinander, umarmten sich … Kleine Kinder wurden hochgehoben, jauchzten gemeinsam mit ihren Eltern, Brüdern, Schwestern, Großeltern. Die Freudenschreie triumphierten über die besorgten Rufe wegen der Verletzungen. Tränen tropften aus glücklichen Augen.
Aber es gab auch einige in dieser mächtig wogenden Menschenmenge, die still dastanden und unförmige Lederbeutel an ihr Herz pressten. Auch sie wurden umarmt, gedrückt, gestreichelt, geküsst und getröstet, doch bedächtig traten sie aus dem Freudentaumel heraus, stellten sich abseits unter die Bäume.
Voll Wehmut schauten sie auf die kläglichen Reste ihrer Angehörigen herab und betrachteten die, die lebend heimgekommen waren, mit einem suchenden Blick, als müssten ihre Leute doch unter ihnen sein – irgendwo, sie sahen sie in dem Gewühl nur nicht.
Erst als ihr oberster Druide, Afal, erneut in sein Horn blies, wurde ihnen endgültig bewusst, dass niemand mehr kommen würde, den sie vielleicht doch noch in die Arme schließen könnten.
Genau wie alle anderen fielen auch sie auf die Knie und pressten ihre Stirn gegen die Erde, während König Gort sein Trinkhorn hob und Mutter Erde in allen vier Himmelsrichtungen ein Trankopfer darbrachte. Und genau wie alle anderen dankten sie den Göttern für die Heimkehr ihrer Lieben. Denn heimgekehrt waren auch die Toten. Das war das Wichtigste.
Nachdem sich der gesamte Hirschclan wieder erhoben hatte, reichte Königin Elsbeth König Gort einen kleinen Laib frisches Brot und er brach ihn bedächtig entzwei. Sorgfältig streute sie Salz darüber und er reichte ihr eine Hälfte.
Während der ganzen Zeremonie hatten sie sich angesehen und auch jetzt, als sie gemeinsam aßen, schauten sie sich tief in die Augen.
Nun war es an den anderen, Brot und Salz miteinander zu teilen.
Natürlich hatten die Leute aus den Dörfern gleich mehrere kleine Brote dabei, denn alle: Kinder, Mütter, Großmütter, Großväter, Urgroßmütter und Urgroßväter brachen mit ihren heimgekehrten Familienmitgliedern das Brot. Danach standen sie zusammen und erzählten. Schlacht, Gefahren, Strategien, Verletzungen, Heimweg, Getreidefelder, Gemüsefelder, Viehzeug, Gesundheit, Wetter, Neuigkeiten …
Erwachsenengespräche. Da konnte Robin endlich zum Spielen gehen und sogar Lavinia mühelos mit sich ziehen.
Lavinia СКАЧАТЬ