Totensteige. Christine Lehmann
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Название: Totensteige

Автор: Christine Lehmann

Издательство: Автор

Жанр: Зарубежные детективы

Серия:

isbn: 9783867549264

isbn:

СКАЧАТЬ 68

       69

      Teil 1

      Das Kalteneck-Experiment

      »If even a straw could be moved by will power my conception of the universe would be altered.«

      »Wenn durch Geisteskraft auch nur ein Strohhalm bewegt werden könnte, müsste meine Auffassung vom Weltall geändert werden.«

      Der Physiker Michael Faraday über das Tisch rücken, vermutlich 1853

      1

      Der Planungsredakteur des Stuttgarter Anzeigers rief mich an und fragte, ob ich mit den Geisterjägern ins Schloss Ludwigsburg gehen könne. Die schwäbische Haunt Hunters Agency aus Sigmaringen hatte sich selbst den Auftrag gegeben, ein Gespenst aufzuspüren, und die Medien dazu eingeladen. Ich hatte keine Lust, einer Gruppe abgedrehter Geisterjäger Publicity zu verschaffen, aber es war sonst nichts los. Im Januar war noch nichts von dem passiert, was uns später in den kollektiven Wahnsinn trieb.

      Es kamen drei Zeitungen und ein Filmteam des SWR. Kitty zu Salm-Kyrburg war sich ihrer Sache krachend sicher. Zu viel hatte sie schon erlebt, obgleich sie kaum die dreißig überschritten hatte: die tote Oma, der sie am Kirschbaum begegnet war, die früh ertrunkene Schwester, die am Todestag Gegenstände in der Wohnung verrückte. Und im Sigmaringer Schloss klapperte eine böse Landgräfin mit Geschirr, die dereinst ihren Gatten mit Kompott vergiftet hatte.

      Kittys Augen blitzten im Scheinwerferlicht der SWR-Kamera im winterfinsteren Innenhof der Ludwigsburger Schlossanlage. Auf dem Kopf trug sie eine Schirmmütze, im schwäbischen Herzen hatte sie sich die Unerschrockenheit alten Adels ohne Besitz bewahrt, ihr Atem formierte Kältegeister. »Wir helfen nur«, erklärte sie. »Spukerscheinungen verunsichern die Menschen. Man belächelt sie, man glaubt ihnen nicht. Wir glauben ihnen und gehen der Sache nach. In der Hälfte der Fälle finden wir etwas. Geister lassen sich messen.«

      »Mit dem Spuk auf Du und Du«, titelte ich im Kopf meinen Artikel.

      Der Kamerascheinwerfer holte das Medium Janette ins Licht, eine schwermütige Hausfrau, deren Kinder ausgeflogen waren und die nun ihrer Bestimmung folgen konnte. »Ich spüre den Tod«, sagte sie, »das klingt seltsam, aber es ist so.« Zur Bande gehörten noch zwei Jungs mit Schirmmützen, Laptops, Mikros, Diktafon, Infrarotgeräten und Kameras. Für das Spektakel hatte die Schlossverwaltung nur die Schlosskirche und den Fasskeller öffnen wollen. Nebenan im Restaurant feierte eine Hochzeitsgesellschaft die in der Schlosskirche überstandene Trauung. Liebe lag in der Luft. Gerade war hier ein Segen gesprochen worden und zwar ein katholischer, also ein gültiger. Wird sich da ein Gespenst zeigen wollen?, fragte ich mich, während die Geisterjäger von der Bodenseeseite der Schwäbischen Alb Laptops verstöpselten und Messgeräte aufbauten.

      Die Kirche war barock: hoch, aber kurz, nur ein paar dunkle Kirchenbänke lang. Gemalter Marmor, Halbsäulen, Engel und Geschnörkel wucherten, als könnte hier doch noch eine Kathedrale wachsen. Vielfältige Schatten sprangen mit jedem Schritt, den der Kameramann mit seinem Scheinwerfer machte.

      Der Schlossführer plauderte von Spuk und Giftmord. Karl Alexander, der Vater von Carl Eugen, sei am Schlagfluss gestorben oder vergiftet worden. Er hauche die Besucher manchmal an. Wir hockten in den Bänken und atmeten kaum. Kitty und Janette saßen mit geschlossenen Augen in der Mitte. Es gibt Regeln, hatten wir erfahren. Stille ist eine. Warten, bis der Geist einen anfasst, bis es poltert, bis das Gaußmeter einen magnetischen Ausschlag zeigt, der kalte Hauch kommt. Dann ist er da.

      Plötzlich ging das Licht der Kamera aus. Es knallte. Eine Reporterin kicherte noch. Dann Stille. Das ewige Licht am Altar war eines von zweien. Auch Kittys Magnetometer blinkte rot. Dann der Luftzug. Auf einmal stand das Portal der Kirche sperrangelweit offen.

      Da fing auch ich an zu glauben. Es war dann aber doch bloß ein Wächter, der wissen wollte, wann wir fertig waren.

      »Ist noch jemand hier?«, fragte Kitty nach neuerlichem Einstillen ins Barocke.

      Janette zuckte, sagte: »Ja«, und drückte ein traurig-triumphierendes Lächeln in die Mundwinkel. Schande über den, der die Geisterwelt belächelt! Aber niemand lächelte in diesem Moment. Janette hob die Hand und deutete nach links in den Zwickel zwischen Apsis und Querhaus gegenüber der Orgel. Die Jungs peilten mit Kameras und Infrarotthermometern.

      »Da!«, rief die Frau von der Ludwigsburger Kreiszeitung. »Da ist was!«

      Ein Husch, ein Licht. Die Kameras der Haunt Hunters flashten. Sie fotografierten überhaupt unentwegt.

      »Hast du hier gelebt?«, fragte Kitty.

      »Ja«, sagte Janette.

      Es war der Küfer, der letzte des Schlosses, der sich uns über Janette mitteilte, der Fassbauer, vermutlich betrunken.

      Da war’s grad arg gschickt, dass der Fasskeller sich nebenan im Nordostflügel befand. Um dorthin zu gelangen, mussten wir nur zur Schlosskirche hinaus und rechts ins Grün. »­Obacht!«, sagte der Schlossführer. Die Ludwigsburger Kreiszeitung strauchelte und fiel auf das unerwartet abschüssige Rasenstück. Dann ging es hinab in den Tannin-Brodem riesiger alter Fässer, die sich unter dem Tonnengewölbe drängten. Ein Brunnen mit einem Bacchus lachte. Jemand zupfte mich an der Jacke, aber da war niemand. Hu!

      Da hörte Kitty es kratzen hinterm Brunnen und zielte mit dem Gaußmeter. Janette bekam plötzlich keine Luft mehr. Kitty zog sie aus der Brunnennische. Die Jungs tasteten mit Infrarotthermometern den Boden ab. Rote Punkte zuckten. Um den Brunnen herum war es noch mal drei Grad kälter.

      Auch wenn wir uns kurz vor Mitternacht im Schlosshof nicht sicher fühlen durften, waren wir von der Journaille doch erleichtert, wieder draußen zu sein. Man hörte Autos rasen. ­Einige lachten schon wieder. Rasch klickten die Jungs der Haunt Hunter’s Agency ihre Bildbeute durch und spulten die Tonaufnahmen vor und zurück. Und da verging uns das Lachen. Mit triumphierendem Ernst spielte man uns die Stelle vor, als Kitty im Weinkeller ein Knistern gehört und Janette Atemnot bekommen hatte. Dumpf, aber deutlich hörten wir ein: »Ich bin Paul.«

      Außerdem war uns eine Lichtkugel gefolgt. Es war nicht zu leugnen. Auf einem halben Dutzend Bildern kugelte Licht im Dunkel.

      »Und dort … oh, da haben wir ihn ja!« Kittys Gesicht glänzte. »Da sehen wir ihn, unsern Paul!«

      Ja wirklich. Oben links vom Altarraum, wo nur Säulengebälk hätte sein dürfen, war ein Gesicht. Auge, Nase, Mund, natürlich unscharf, aber nicht zu leugnen, nicht wegzudiskutieren.

      »Gab es hier jemals einen Küfer namens Paul?«, fragte ich.

      »Da müsste man in die Personalbücher schauen«, antwortete der Schlossführer.

      Das hat bis heute, soviel ich weiß, niemand getan.

      2

      Um meinen Artikel auf eine seriöse Grundlage zu stellen, ­googelte ich und stieß auf das Institut für Grenzwissenschaften und Parapsychologie in Holzgerlingen. Das war ja gar nicht weit weg über die Dörfer.

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