Название: Totensteige
Автор: Christine Lehmann
Издательство: Автор
Жанр: Зарубежные детективы
isbn: 9783867549264
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»Die suchen nach dem, der es kann. Dafür haben sie eine Million Euro ausgelobt. Und Rosenfeld hat ihn gefunden. Den Mann, der anderen seine Gedanken aufzwingen kann, oder die Frau.«
»Unsinn, Lisa!«
»Na gut, dann kann er Gedanken lesen. Wem würde so was nützen? Geschäftsleuten, Drogenhändlern, Außenministern … Sie wüssten, was der Gegner denkt. Nein, das ist Pippikram. Es muss was Größeres sein. Eine Macht! Sie beeinflusst Maschinen, Computer, die Börse. Stell dir vor, es gäbe einen, der Flugzeuge abstürzen lassen könnte …«
»Bitte, Lisa!«
»… oder Atomkraftwerke zur Kernschmelze bringen! An so einem hätte die halbe Welt Interesse. Die USA, Russland, China, die Taliban, al-Kaida, jede verkrachte Oppositionsbewegung, Terroristen, ein Großkonzern, einfach alle, die Macht gewinnen wollen. Und die Israelis sowieso. Die fürchten sich vor ihrer Vernichtung. Sie haben doch erst kürzlich mit einem Computervirus im Iran das Atomprogramm zu stören versucht.«
Darauf erwiderte Richard nichts mehr. Aber die Knöchel seiner Hand auf dem Lenker waren weiß geworden, obgleich sein servogelenktes Gefährt keine harte Hand verlangte.
»Sag, dass ich spinne, Richard! Sag, dass das Quatsch ist!«
»Natürlich ist das Quatsch, Lisa.«
»Aber wenn es so wäre, Richard. Nur mal angenommen. Dann hätte Rosenfeld sterben müssen, weil er den einen kannte, der es kann. Oder die eine. Weil er ihn entdeckt hat, aber den Namen niemandem mehr nennen sollte. Denn dieser eine ist längst entführt und befindet sich in den Händen derer, die mit seiner Hilfe irgendwas anrichten wollen, was ihnen immens nützt und anderen – uns – immens schadet.«
Richard ächzte. »So was hat man in den dreißiger Jahren geglaubt, Lisa. Die Nazis waren damit ganz vorn dran. Und die USA im Kalten Krieg. Mind-Control und so weiter. DerCIAhat im geheimen Projekt Stargate Hellseher beschäftigt, die sowjetische Militäranlagen im fernen Sibirien beschreiben sollten, die kein Westler je zu sehen bekam. In Einzelfällen soll es sogar gelungen sein, aber es ist niemals eine Dokumentation darüber erschienen, wie viele Fehlversuche es dabei gegeben hat und wie oft die Visionen falsch waren, falls man das überhaupt überprüfen konnte. Lisa, es geht nicht. Es gibt diesen einen – oder diese eine – nicht.«
Das Gelächter kehrte zurück und gluckerte in mir herum.
»Was gibt es da zu lachen?«
»Ich stelle mir nur … ge… hihi …rade vor, dass der Psi-Agent die Wahlmaschinen beeinflusst hat und wir … hihi … darum jetzt plötzlich eine grün-rote Landesregierung haben.«
»Darum haben wir in Deutschland keine Wahlcomputer, sondern machen unser Kreuzchen mit Bleistift auf Papier in der Kabine, Lisa. Genau darum.«
»Ach was, echt?«
10
»Schreib es auf!«, drängt mich Else wieder mal. »Fang einfach an. Denk nicht nach.«
»Aber es hört irgendwann von alleine auf«, sage ich. »Jede Abweichung von der Normalkurve findet ihr natürliches Ende. Wir befinden uns immer noch im Bereich der Wahrscheinlichkeit. Das ist das Gesetz der Serie, das kein Gesetz ist. Wenn ein Flugzeug abstürzt, stürzt kurz darauf noch eins ab.«
»Aber wir halten das nicht mehr lange aus, Lisa!«
In der Tat, zum ersten Mal wünschen sich die Regierungen der westlichen Welt, sie hätten der parapsychologischen Forschung in den vergangenen Jahrzehnten mehr Geld zur Verfügung gestellt. Dann hätte man vielleicht heute Erklärungen für das, was einen Menschen befähigt, Gegenstände zu bewegen und technische Systeme zu stören, ohne sie anzufassen. Dann hätte man vielleicht jetzt eine Ahnung, wie man dem Spuk beikommen kann.
11
Als ich am Sonntagnachmittag nach drei Bechern Kaffee und einem Spaziergang mit Cipión wieder zurechnungsfähig war, aktivierte ich auf meinem Handy den Rückruf meines Anrufs in Abwesenheit.
Es meldete sich mit schwäbischer Pausenanfälligkeit Kitty zu Salm-Kyrburg, Haunt Hunter’s Agency.
»Sie haben mich gestern Abend angerufen?«, eröffnete ich.
Pause. »Ja.« Pause.
»Und, was gibt es?«
»Janette hatte gestern Abend wieder ein Erlebnis.«
»Ah so, Rosenfeld ist ihr erschienen und hat von großen Gefahren gesprochen?«
Pause. »Ja. Aber Janette sagt, sie sei zu schwach dafür. Er braucht ein stärkeres Medium. Es müsse jemand sein, der … entschuldigen Sie … aber ich sage nur, was Janette mir gesagt hat … Es müsse jemand mit Narben sein.«
Ich lachte lauthals. »Wollen Sie mich verkackeiern?«
Stille. Mein Handyverstärker rauschte. Ich zündete mir eine Zigarette an. »Kann ein Geist eigentlich an zwei Orten gleichzeitig erscheinen?«
»Geister sind nicht unserer Zeit unterworfen.«
»Aber sie erscheinen immer nur nachts.«
»Nein. Wir wissen auch von Tagesspuks. Allerdings ist es nachts ruhiger, weniger Schwingungen. Lassen Sie es mich so ausdrücken: Nachts schlafen die meisten Menschen. Da sind weniger Gedanken in der Luft, gewissermaßen. Und wir hören die Toten besser.«
»Aha!« Ich erzählte ihr von unserem Tischrücken.
Pause.
»Was sagen Sie dazu?«, schubste ich sie an.
»Nun … ich war nicht dabei. Daher lässt sich schwer sagen, ob Rosenfelds Geist tatsächlich präsent war oder ob es nur … verstehen Sie … So wie Sie es mir erzählt haben, war es eher ein Gesellschaftsspiel. Ein Partygag. Natürlich kann sich dabei auch etwas ereignen.«
»Und was halten Sie von dem Hinweis auf Neuschwanstein?«
»Wie gesagt …« Ihre Stimme versackte in Stille.
»Verstehe. Wären Sie und Ihre Truppe bereit, eine PU in Neuschwanstein zu machen?«
Jetzt lachte Kitty laut. »Was glauben Sie, wie oft wir schon versucht haben, nach Neuschwanstein reinzukommen? Ich meine, außerhalb der Besuchszeiten, nachts. Null Chance!«
Ich überlegte, ob ein Oberstaatsanwalt beim Stuttgarter Landgericht einen Richter bewegen konnte, einen Beschluss zu unterschreiben, der eine spiritistische Sitzung bei Nacht im Schloss Neuschwanstein anordnete. »Dann machen wir es eben bei laufendem Betrieb.«
»Waren Sie schon mal dort?«
»Nein. Ich interessiere mich nicht für Adelshäuser.«
Die Nachfahrin der Retterin von Hohenzollern-Sigmaringen schluckte. Vielleicht war es aber auch nur eine ihrer regulären Pausen. »Ohne Führung kommen Sie da nicht hinein. Und Sie dürfen nicht СКАЧАТЬ